Title: Herzlich Willkommen zur Vorlesung
1Herzlich Willkommen zur Vorlesung
- Diagnostische Verfahren und Urteilsbildung
- Literatur Fisseni, H.-J. (2004) Lehrbuch der
psychologischen Diagnostik. Göttingen Hogrefe
2Gliederung
- Ziel, Struktur und Funktion der Diagnostik
- Persönlichkeits- und Lerntheorien
- Diagnostische Vorgehensweise
- Probleme der jeweiligen diagnostischen
Vorgehensweise und des jeweiligen diagnostischen
Instruments - Klinische vs. Statistische Urteilsbildung
- Kognitive sowie formal-deskriptive Modell des
Diagnostizierens, typische Fehler beim
Diagnostizieren
3Gliederung
- Ziel, Struktur und Funktion der Diagnostik
- 1.1 Ziele der Diagnostik
- 1.2 Veranschaulichung des diagnostischen
Prozesses - 1.3 Struktur der Diagnostik
- 1.4 Normative Diagnostik
- 1.5 Vorgehensweisen
- 1.6 Entscheidungstheorie
41.1 Ziele der Diagnostik
- Diagnostik dient
- der optimalen Lösung von Problemen, nicht nur
Beobachtung - der Klassifikation, z.B. Einordnung von
bestimmten Störungen zu bestimmten Klassen - Die Lösung eines Problems schließt Diagnose und
Prognose ein.
5Hempel-Oppenheim-Schema
- Diagnosen setzten Gesetzmäßigkeit über gegebene
Zusammenhänge voraus. - ?Hempel-Oppenheim-Schema (deduktiv-nomologisch)
Explanans Gesetz Für alle Personen (x) gilt Wenn niedrige Leistungsmotivation vorliegt, dann treten Schulschwierigkeiten auf
Explanans Antezedens (Randbedingung) Bei Person a ist geringe Leistungsmotivation zu beobachten
Explanandum Person a hat Schulschwierigkeiten Person a hat Schulschwierigkeiten
6Hempel-Oppenheim-Schema
Explanans Gesetz (x) (Ax ? Bx) Für alle Personen (x) gilt Wenn x A hat, dann hat x auch B
Explanans Antezedens Aa (Randbedingung) Person a hat A
Explanandum Person a hat B Person a hat B
7Wahrheitswertetafel der Implikationen
- Wenn A, dann B (bzw. A ? B) ist eine Implikation
A B A ? B
wahr wahr wahr
wahr falsch falsch
falsch wahr wahr
falsch falsch wahr
81.1 Ziele der Diagnostik
- Prognosen verlangen technologische Regeln, die
angeben, mit welchen Mitteln ein festgelegtes
Ziel erreichbar ist. - Das Erreichen von Zielen impliziert Normen
91.2 Veranschaulichung des diagnostischen
Prozesses
101.2 Veranschaulichung des diagnostischen
Prozesses
111.2 Veranschaulichung des diagnostischen
Prozesses
121.3 Struktur der Diagnostik
- KIinisch-psychiatrische, klinisch-psychologische
und Eignungsdiagnostik - Eignungsdiagnostik Selektion und Platzierung
- Entscheidung mit (klinische Diagnostik) vs. über
Person (Eignungsdiagnostik) - individuelle vs. institutionelle Entscheidungen
- Selektions- vs. Modifikationsstrategie
13Selektions- vs. Modifikationsstrategie
- Selektionsstrategie Person- vs.
Bedingungs-selektion - Personselektion vorgegeben sind Bedingungen wie
Tätigkeiten, Personen werden zugeordnet, so dass
Kriterium optimal erreicht wird - Bedingungsselektion vorgegeben sind Personen,
für sie werden optimale Bedingungen (Tätigkeiten)
gesucht wie z.B. bei der Platzierung,
Berufsberatung
14Selektions- vs. Modifikationsstrategie
- Modifikationsstrategie Verhaltens- vs.
Bedingungsmodifikation - Verhaltensmodifikation Verhalten der Person wird
verändert durch Psychotherapie, Training - Bedingungsmodifikation Veränderung der
Bedingungen, z.B. Verbesserung des Arbeitsplatzes
15Selektions- vs. Modifikationsstrategie
- Selektionsstrategie impliziert Statusdiagnostik
und damit Klassische Testtheorie sowie auch
probabilistische Messmodelle wie Rasch-Modell - Modifikationsstrategie verlangt Prozess- oder
Änderungsdiagnostik.
161.4 Normative Diagnostik
- Normative Diagnostik nach Westmeyer legt die
Logik des Diagnostizierens fest - Diagnose als Auffinden postulierter
Antezedensbedingung - Gesetz ist eine deterministisches, für alle
Personen geltend
17Beispiel von Westmeyer
- Bevor die Gesetze als Implikationen dargestellt
werden, sollen der - Einfachheit halber folgende Abkürzungen
eingeführt werden - S Schulschwierigkeiten
- NI niedrige Intelligenz
- SS schwachsinnig
- N neurotisch
- P psychotisch
- KL keine Lernhaltung
- H hirngeschädigt
- KM keine Leistungsmotivation
- konjunktive Verknüpfung
18Beispiel von Westmeyer
G1 (x) (SSx ? Sx) G2 (x) (NIx ? KMx ?
Sx) G3 (x) (KLx ? KMx ? Hx ? Sx) G4 (x) (Nx ?
NIx ? Sx) G5 (x) (KLx ? KMx ? Nx ? Sx) G6 (x)
(Hx ? NIx ? Sx) G7 (x) (NIx ? KLx ? Sx)
A1 SSa A2 NIa ? KMa A3 KLa ? KMa ? Ha
A4 Na ? NIa A5 KLa ? KMa ? Na A6 Ha ? NIa
A7 NIa ? KLa
19Beispiel aus der Verhaltenstheorie
Gesetz Wenn unmittelbar auf die Ausführung
eines Verhaltens ein positiver Verstärker
dargeboten wird, dann steigt die Reaktionsrate
dieses Verhaltens. Antezedens 1 Auf das
aggressive Verhalten von Peter erfolgt
reaktionskontingent eine Zuwendung seiner
Mutter. Antezedens 2 Die Zuwendung der Mutter
ist ein positiver Verstärker für
Peter. Explanandum Peter ist sehr häufig
aggressiv.
20Beispiel aus der Verhaltenstheorie
Gesetz Wenn auf ein Verhalten die Beendigung
der Darbietung eines negativen Verstärkers
folgt, so steigt die Reaktionsrate dieses
Verhaltens (negative Verstärkung). Antezedens
1 Die Zuwendung der Mutter ist gefolgt von einer
Beendigung des aggressiven Verhaltens von
Peter. Antezedens 2 Das aggressive Verhalten
von Peter ist für die Mutter ein negativer
Verstärker. Explanandum Die Mutter zeigt häufig
das Verhalten Zuwendung auf Aggressionen von
Peter.
21- Automatisiertes, rechnergesteuertes
Diagnostizieren Diagnostiker wird zum Gehilfen
als Tester, Interviewer oder Beobachter - Deterministische und nicht-deterministische
Gesetze - Praktisches Diagnostizieren kann durchaus als der
Logik normativen Vorgehens folgend verstanden und
beschrieben werden
221.5 Vorgehensweisen
- Nomothetisches vs. idiographisches Vorgehen
- Explizite vs. implizite Gesetze
- Entscheidungstheorie Kosten-Nutzen-Rechnung in
der Diagnostik
231.6 Entscheidungstheorie
- Entscheidungen, die in Klassifikationen
resultieren, sind mit Fehlern behaftet. - Solche Entscheidungen können wie bei der
Selektion enden in Annahme oder Ablehnung von
Bewerbern. - Geeignete Bewerber können angenommen (valide
Positive) oder fälschlicherweise abgelehnt werden
(falsche Negative). Beide Gruppen bilden zusammen
die Basisrate, hier der Anteil der Geeigneten. - Ungeeignete Bewerber könne abgelehnt (valide
Negative) oder angenommen werden (falsche
Positive). Die Gruppe der Angenommenen setzt sich
zusammen aus den validen Positiven und den
falschen Positiven. Zusammen bilden beide
Gruppen die Selektionsrate. - ? Folgen von Fehlentscheidungen
24Kosten-Nutzen-Rechnung
25Wahrscheinlichkeiten von Testvorhersagen
26Effizienz von Entscheidungen
- Basis- und Selektionsrate haben Einfluss auf die
Effizienz einer Entscheidung gegenüber
Zufallsstrategie - ? Zufallsstrategie Personen werden in Höhe der
Selektionsrate nach Zufall aus der Gesamtgruppe
von Personen ausgewählt - Effizienz der Entscheidung sinkt mit fallender
Basisrate und steigt mit sinkender
Selektionsrate. - Bei geringer Effizienz diagnostisch gestützter
Entscheidungen gegenüber Zufallsentscheidungen
stellt sich die Frage, ob der finanzielle Aufwand
der Diagnostik sie, nämlich die Diagnostik,
rechtfertigt.
27Charakteristik von Entscheidungsproblemen
- 1. a) institutionelle Entscheidung
- b) individuelle Entscheidung
- 2. a) ohne Quotenbeschränkung die
Entscheidungen über jedes Individuum sind
unabhängig voneinander - b) mit Quotenbeschränkung
- 3. a) jede Person wird nur einer Behandlung
zugewiesen - b) mehrere Behandlungen sind möglich
- 4. a) Ablehnung als Behandlung (Selektion)
- b) Platzierung
- 5. a) die Information ist univariat
- b) sie ist multivariat
- 6. a) die Entscheidungen sind endgültig (single
stage testing) - b) es wird weitere Information erhoben, bevor
eine endgültige Entscheidung fällt
(sequentielle Strategie)
28Beispiel eines Entscheidungsproblems
- Charakteristik des vorliegenden Problems
- 1.a) institutionelle Entscheidung
- 2.a) ohne Quotenbeschränkung
- 3.a) jede Person wird nur einer Behandlung
zugewiesen - 4.b) Platzierung, alle Personen bleiben in der
Institution - 5.a) die Information ist univariat
- 6.a) die Entscheidungen sind endgültig (single
stage testing)
29Verarbeitung der Informationen bei Entscheidungen
30Beispiel mit P ? 1 Strategiematrix
Informationskategorie (X) Informationskategorie (X) Entscheidung Entscheidung
Informationskategorie (X) Informationskategorie (X) Annahme Ablehnung
High School Graduate SAT über 70 .80 .20
Not High School Graduate SAT über 70 .80 .20
High School Graduate SAT unter 70 .20 .80
Not High School Graduate SAT unter 70 .10 .90
31Validitätsmatrix für Behandlung t
Kriterium Y 1 2 3
Informationswert X Informationswert X Informationswert X
1 1 p(11 t) p(21 t) p(31 t)
2 2 p(12 t) p(22 t) p(32 t)
3 3 p(13 t) p(23 t) p(33 t)
32Nützlichkeit der Diagnostik
- Die Nützlichkeit diagnostischen Vorgehens hängt
nicht nur von den Kosten der Diagnostik ab,
sondern auch von den Bewertungen (payoff), welche
den Kriteriumswerten, z. B. die
Erfolgsabstufungen, zugeordnet werden. - Payoff
U Nützlichkeit einer Strategie N Anzahl der Personen, über die entschieden wird X Informationswert t treatment Behandlung Y Ergebnis, Kriteriumswert ey Wert des Ergebnisses Cx Kosten der Informationserhebung px angenommene Verteilung der X-Werte p(tx) Inhalte der Strategiematrix p(yxt) Inhalte der Validitätsmatrix
33Payoff-Funktion
34Validierung von Zuweisungsregeln
Wahrscheinlichkeit des treatment-Ergebnisses Bewertung des Behandlungsergebnisses Bewertung des Behandlungsergebnisses
Wahrscheinlichkeit des treatment-Ergebnisses objektiv (empirisch) subjektiv (vermutet)
objektiv (empirisch) objektiv erwarteter Wert (OEW) erwarteter Nutzen(EU)
subjektiv (vermutet) subjektiv erwarteter Wert (SEW) subjektiv erwarteter Nutzen (SEU)
35Gliederung
- Ziel, Struktur und Funktion der Diagnostik
- Persönlichkeits- und Lerntheorien
- Diagnostische Vorgehensweise
- Probleme der jeweiligen diagnostischen
Vorgehensweise und des jeweiligen diagnostischen
Instruments - Klinische vs. Statistische Urteilsbildung
- Kognitive sowie formal-deskriptive Modell des
Diagnostizierens, typische Fehler beim
Diagnostizieren
36Gliederung
- 2. Persönlichkeits- und Lerntheorien
- 2.1 Typtheorien
- 2.2 Traittheorien
- 2.3 Psychodynamische Theorien
- 2.4 Soziale Lerntheorien
- 2.5 Interaktionismus
- 2.6 Transaktionismus
372.1 Typtheorien
- Logische Klassen, gekennzeichnet durch dichotome
Merkmale, z.B. psychiatrisches Klassifikationssyst
em - Erweiterung zu Klassen, bei denen die Merkmale
abgestuft sind, sog. relationale Klassen - Sheldon (1942) postulierte solche relationalen
Klassen, wobei er drei physische mit drei
korrespondierenden psychischen Dimensionen
koppelte - endomorph (weich, rund) - viszeroton (entspannt,
isst gerne) - mesomorph (muskulös, kräftig) somatoton
(energisch, sich behauptend) - ektomorph (zerbrechliche, sensitives
Nervensystem) zerebroton (zurückhaltend,
ängstlich)
382.2 Traittheorien
- Trait und Verhalten stehen in monotoner
Verbindung - Konsistente interindividuelle Unterschiede werden
postuliert - Traits differieren in ihrer Generalität, d.h. in
ihrer Situationsunabhängigkeit - Fragebogen Itemformulierung Häufigkeit,
Intensität - Beispiele von Traits (Persönlichkeitsfaktoren)
39Traittheorien
- Korrelationen zwischen Situationen, in denen
derselbe Trait gemessen oder beobachtet wird,
geben Aufschluss über Situationseinfluss - Situationskonsistenz als Moderatorvariable
- Korrelation zwischen zwei Variablen unter
Berücksichtigung einer Moderatorvariable
402.3 Psychodynamische Theorien
- Verhalten und zu Grunde liegende Personfaktoren
müssen nicht in monotoner Beziehung stehen, da
Abwehrmechanismen
412.4 Soziale Lerntheorien
- Klassisches Konditionieren, operante positive,
negative Verstärkung - Laut Skinner wird Verhalten nicht inhaltlich,
sondern formal als Reaktionsrate mit einer Norm
verglichen. - ? Es gibt Verhaltenslücke, Verhaltensmangel,
Verhaltensexzess und Verhalten, das unangemessen
ist, wenn es überhaupt auftritt
42Verhaltensdiagnostik besteht aus
- 1. Zielbestimmung Welche Verhaltensweisen sollen
in ihrer Auftrittshäufigkeit, Intensität und
ihrer Dauer verändert werden? - Weiterhin interessieren hier Veränderungen
bezüglich der Bedingungen, unter denen
Verhaltensweisen auftreten. - 2. Bedingungsanalyse (oder auch funktionale
Analyse) Unter welchen Bedingungen wurde das
Verhalten erworben und welche Faktoren halten es
aufrecht? - 3. Therapieplanung Mit welchen Mitteln lässt
sich die angezielte Verhaltens-änderung erreichen?
43Verhaltensdiagnostik
- Die drei Fragen sind nicht unabhängig voneinander
- die funktionale Analyse ist von der
Zielbestimmung abhängig, kann aber auch
Informationen liefern, welche die Zielbestimmung
ändern. - die Zielbestimmung legt die technischen Mittel
fest, ist aber umgekehrt auch von der
Realisierungsmöglichkeit der technischen Mittel
abhängig
442.5 Interaktionismus
- Begriff leitet sich ab aus statistischer
Interaktion - Interaktion von Personen (mit interindividuell
differierenden Merkmalen) als Personfaktor und
Situationsfaktor, der verschiedene Situationen
enthält ? wirkt auf Verhalten (abhängige
Variable) - Der Einfluss des Personfaktors auf das Verhalten
wird moderiert.
45Interaktionismus
- Interaktion von Person und Situation hat
(prozentual) größere Bedeutung als die Summe der
einzelnen Effekte des Personfaktors und des
Situationsfaktors. - Personfaktor
- kann rein formal berücksichtigt werden, d.h.
Personen nehmen Einfluss auf die abhängige
Variable. - kann inhaltlich spezifiziert werden, indem
Personen bezüglich eines zu messenden Merkmals
untersucht werden. - Differenzen zwischen Personen in diesem Merkmal
bilden sich dann alleine oder in Interaktion mit
dem Situationsfaktor in der abhängigen Variable
ab.
46Modell von Humphrey Revelle
47Anmerkungen zum Modell
- Auf der Seite der Aufgabe (Situation)
48Anmerkungen zum Modell
- Auf der Seite der Motivation (Person)
49Anmerkungen zum Modell
- Auf der Seite der Angst (Person)
50Eigene Untersuchung ohne inhaltliche
Spezifikation des Personfaktors
Variable Kontakt zum Patienten Kontakt zum Patienten Kontakt zum Patienten Kontakt zum Patienten
Quelle der Variation Varianz Männer Varianz Frauen
Person .898 36.05 .688 26.85
Situation .273 10.95 .466 18.19
Patienten .100 4.01 .126 4.92
Pers. x Sit. .707 28.39 .715 27.91
Pers. x Pat. .134 5.38 .169 6.60
Sit. x Pat .006 0.24 .010 0.39
Rest .373 14.97 .388 15.14
Gesamt 2.49 99.99 2.56 100.0
51Eigene Untersuchung ohne inhaltliche
Spezifikation des Personfaktors
Variable Kontakt zur Alternativperson Kontakt zur Alternativperson Kontakt zur Alternativperson Kontakt zur Alternativperson
Quelle der Variation Varianz Männer Varianz Frauen
Person .452 24.06 .449 23.80
Situation .210 11.17 .143 7.59
Patienten .009 0.48 .017 0.88
Pers. x Sit. .938 49.98 .820 43.52
Pers. x Pat. .036 1.92 .062 3.30
Sit. x Pat .006 0.34 .003 0.17
Rest .226 12.04 .391 20.74
Gesamt 1.88 99.99 1.89 100.0
52Eigene Untersuchung ohne inhaltliche
Spezifikation des Personfaktors
Variable Ausweichen mit Schwierigkeiten Ausweichen mit Schwierigkeiten Ausweichen mit Schwierigkeiten Ausweichen mit Schwierigkeiten
Quelle der Variation Varianz Männer Varianz Frauen
Person .514 25.12 .620 27.15
Situation .131 6.39 .130 5.71
Patienten .000 0.01 .000 0.00
Pers. x Sit. 1.18 57.47 1.161 50.81
Pers. x Pat. .018 0.89 .022 0.97
Sit. x Pat .000 0.00 .004 0.17
Rest .207 10.12 .347 15.19
Gesamt 2.046 100.0 2.29 100.0
53Kritik am interaktionistischen Ansatz
- im alltäglichen Leben ist das Verhalten häufiger
objektgerichtet, d.h. man verhält sich gegenüber
Einstellungsobjekten, in diesem Fall ist aber die
Interaktion aus Person und Situation nicht
bedeutungsvoll - bei objektgerichtetem Verhalten wirkt sich bei
Männern demnach eher der Trait aus, wohingegen
bei Frauen die Situation eine größere Rolle
spielt - methodisch gesehen wird nur der Einfluss von
Personen, Einstellungs-objekten und Situationen
auf das Verhalten geprüft, nicht aber der
Prozess, der zur AV führt - interaktionistische Ansätze geben keine Auskunft
darüber, wie die Abhängigkeit des Verhaltens von
den genannten Faktoren (oder Faktoren-kombinatione
n) zustande kommt, sie erklären nicht, was dabei
in der Person abläuft (? Transaktionismus)
542.6 Transaktionismus
- Der Transaktionismus berücksichtigt alle
motivationalen Ansätze (Motive, Intentionen und
Erwartungen bezüglich der Reaktionen auf eigenes
Verhalten, Bewertungen der Reaktionen etc.)
55Gliederung
- Ziel, Struktur und Funktion der Diagnostik
- Persönlichkeits- und Lerntheorien
- Diagnostische Vorgehensweise
- Probleme der jeweiligen diagnostischen
Vorgehensweise und des jeweiligen diagnostischen
Instruments - Klinische vs. Statistische Urteilsbildung
- Kognitive sowie formal-deskriptive Modell des
Diagnostizierens, typische Fehler beim
Diagnostizieren
56Falldarstellung Kleiner Uwe
3. Diagnostische Vorgehensweise
- Verhaltenstheoretischer Fall
57Gliederung
- Ziel, Struktur und Funktion der Diagnostik
- Persönlichkeits- und Lerntheorien
- Diagnostische Vorgehensweise
- Probleme der jeweiligen diagnostischen
Vorgehensweise und des jeweiligen diagnostischen
Instruments - Klinische vs. Statistische Urteilsbildung
- Kognitive sowie formal-deskriptive Modell des
Diagnostizierens, typische Fehler beim
Diagnostizieren
58Gliederung
- Probleme der jeweiligen diagnostischen
Vorgehensweise und des jeweiligen diagnostischen
Instruments - 4.1 Projektive Verfahren
- 4.2 Fragebögen
- 4.3 Assessment Center
-
594.1 Projektive Verfahren
- Bedeutung projektiver Verfahren in Lehre und
Praxis - Name kennzeichnet die Funktion der Verfahren
- üblicherweise gibt der untersuchte Inhalt wie
Intelligenz oder Konzentration dem Verfahren den
Namen
60Begriff, besser Mechanismus der Projektion
- ursprünglich einer der von Freud beschriebenen
Abwehrmechanismen - Freud hat dem Begriff später seine Klarheit
genommen - Projektion ist immer an der Wahrnehmung beteiligt
und dient somit der Gestaltung der Außenwelt.
61Definition von Frank
- Methoden, welche die Persönlichkeit dadurch
untersuchen, dass sie die Person einer Situation
gegenüberstellen, auf welche die Person
entsprechend der Bedeutung reagiert, die diese
Situation für sie besitzt. Das Wesen projektiver
Verfahren liegt darin, dass es etwas hervorruft,
was auf verschiedene Art Ausdruck der
Eigenwelt, des Persönlichkeitsprozesses der
Person ist. (Übersetzung nach Hörmann, 1972) - Beziehung zwischen Index (Testverhalten) und
Indiziertem (Persönlichkeitsfaktor und/oder
Persönlichkeitsprozess)
62Verschiedene projektive Verfahren
- Unterscheidung in inhaltlich zu interpretierende
Verfahren (z.B. TAT) vs. nach formalen Kriterien
zu interpretierende Verfahren (z.B. Rorschach). - entsprechend verstand Rorschach auch sein
Verfahren als wahrnehmungsdiagnostisches
Experiment.
63Projektionsbegriff/-mechanismus
- klassischer Projektionsbegriff/-mechanismus
erwies sich zu eng - 3 weitere wurden hinzugefügt
- Attributive Projektion
- Autistische Projektion
- Rationalisierende Projektion
64Weitere Projektionsbegriffe
- Attributive Projektion
- Da die Person zu wenig zwischen sich selbst und
anderen unterscheidet, überträgt sie eigene
Merkmale auf andere. - Autistische Projektion
- Die wahrgenommene Umwelt wird derart verändert,
dass sie den Bedürfnissen der wahrnehmenden
Person gerecht wird. - Rationalisierende Projektion
- Auch hier wird wie bei der autistischen
Projektion die Umwelt verändert wahrgenommen,
doch nun mit dem Ziel, emotionale Zustände und
Bedürfnisse der wahrnehmenden Person verständlich
werden zu lassen.
65Drei Projektionsebenen
- Opinion
- Overt
- Implicit Behavior
- Im Projektionsverhalten kommen zunehmend
unbewusste Haltungen und Wünsche der Person zum
Ausdruck.
66Projektive Verfahren als misperception test
- Da Wahrnehmung ein aktiver Gestaltungs-prozess
ist, wird argumentiert, dass nur die Abweichung
von einer Norm von Interesse sei. - entsprechend gibt es Normantworten z.B. für den
Rorschach, dort Populärantworten genannt.
67Rolle des Stimulusmaterials
- meist recht unstrukturiertes Material, um
möglichst viele Personen anzusprechen - im TAT soll sich die Person mit dem Helden der
Geschichte identifizieren, was nach Hörmann
vielfach jedoch nicht geschieht
68Dimensionen der Projektionsbegriffe
- Holmes unterscheidet an gängigen
Projektions-begriffen zwei bipolare Dimensionen - Die Person projiziert Eigenschaften und Motive,
die sie selbst hat oder andere. - Die Person ist sich der projizierten
Eigenschaften bewusst oder nicht bewusst. Die
Kombination ergibt vier Projektionsarten.
69Belege für die Projektion
- Komplementäre Projektion
- Projektion der Eigenschaften anderer, worüber man
sich bewusst ist - z.B. nehmen geängstigte Kinder Gesichter stärker
Angst einflößend wahr, als nicht ängstliche
(ähnelt der rationalisierenden Projektion) - Attributive Projektion
- Projektion eigener Eigenschaften, worüber man
sich bewusst ist - z.B. werden unangenehme eigene Eigenschaften
sozial nahen anderen Personen zugeschrieben, um
sich selbst zu entlasten.
70Belege für die Projektion
- Holmes findet keine Belege für die beiden anderen
Projektionsarten, bei denen nicht bewusste eigene
Eigenschaften oder Eigenschaften anderer
projiziert werden. - Damit erübrigen sich projektive Verfahren, da
Eigenschaften und Motive auch erfragt werden
können.
71Validität projektiver Verfahren
- Merkmalsvalidität des Rorschach ist gering, da
so orthodoxe Rorschachianer gestalthafte
Zusammenhänge zwischen den Merkmalen nicht
berücksichtigt werden - gestalthafte Zusammenhänge können formal als
multiplikative (konfigurale) Verknüpfung von
Merkmalen gesehen werden
72Validität projektiver Verfahren
- Interpretationsvalidität impliziert die
Interpretationen des Diagnostikers, und somit die
Interpretation gestalthafter Zusammen-hänge
soweit der Diagnostiker gestalthafte
Zusammenhänge berücksichtigt hat. - diese Validität fällt jedoch im Allgemeinen nicht
höher aus als die Merkmalsvalidität.
73Validität projektiver Verfahren
- McCIelland bricht eine empirische Lanze für
projektive Verfahren - sich selbst zugeschriebene Merkmale
- wie sie im Fragebogen erfasst werden
- und Merkmale (implizite Motive)
- ermittelt über die Fantasie, die sich z.B. in
TATGeschichten äußert - korrelieren nur sehr gering.
- aufgezeigt wird das an den Motiven bzw. Merkmalen
Leistung, Macht und Affiliation.
74(No Transcript)
75Begründung für McClelland
- selbstzugeschriebene Merkmale
- Vorhersage kurzfristiger spezifischer Reaktionen
in spezifischen Situationen - Bedürfen der äußeren Anregung, also extrinsischer
Motivation - Erwerb über sprachlich vermittelte Lernvorgänge
- sie sind bewusst, zumindest bewusstseinsfähig
Ziele werden festgelegt und nach ausgearbeiteten
Plänen volitional verfolgt - sind an neocorticale sprachnahe Regionen gebunden
- Bei großen Schwierigkeiten, also bei großer
Distanz zwischen Ist- und Sollwert, werden die
bewusstseinsfähigen selbstattribuierten Merkmale
aktiv
76Begründung für McClelland
- implizite Motive
- Vorhersage langfristiger Verhaltenstrends ?
intrinsische Motivation - vorsprachliche Vermittlung über das
Erziehungsverhalten der Eltern und sind somit
Folge affektiv eingefärbter Lernvorgänge - McClelland bringt implizite Motive mit mittleren
Strukturen des Gehirns in Verbindung - Implizite Motive leiten das Verhalten eher
automatisch regelhaft
77Variablen in der Erziehung Korrelation mit Korrelation mit Korrelation mit
Variablen in der Erziehung implizitem Leistungsmotiv selbstattribuiertem Leistungsmotiv selbstattribuiertem Leistungsmotiv
feste Zeiten der Nahrungsaufnahme .33 .06 .06
Ernsthaftigkeit der Sauberkeits-erziehung .41 -.10 -.10
früh übertragene Aufgaben an das Kind (sprachlich) -.10 .31 .31
implizitem Machtmotiv selbstattribuiertem Machtmotiv selbstattribuiertem Machtmotiv
Nachlässigkeit mit sexuellem oder aggressiven Verhalten .31 .08 .08
Bestrafungen (explizit) -.17 .32 .32
Häufigkeit verteilter Klapse -.07 .39 .39
implizitem Anschlussmotiv selbstattribuiertem Anschlussmotiv selbstattribuiertem Anschlussmotiv
kein Eingehen auf Weinen des Kindes .27 .02 .02
Belehrungen, was richtig und erlaubt ist .11 .27 .27
N 76-78
p lt .05 p lt .01 p lt 001
78Anlehnung der projektiven Verfahren an Freud
- Die Nähe zu Freud wird auffällig
- Implizite Motive entsprechen Vorgängen des Es
- selbstattribuierte Merkmale spiegeln Funktionen
des Ich wider
794.2 Fragebögen
- Arten der Entwicklung von Fragebögen
- Faktorenanalyse
- Kontrastgruppenvergleich (MMPI)
- Rationales Vorgehen (Zuordnung zu Skalen) mit
Analyse der Inneren Konsistenz, - Theoretische Strategie mit Beurteilungen der
Items bezüglich der Zugehörigkeit zu Skalen durch
Experten
80KG (724 Normale) KG (724 Normale) Kriteriumsgruppe (50 Schizophrene) Kriteriumsgruppe (50 Schizophrene) Unterschied zwischen den Gruppen Unterschied zwischen den Gruppen Score-Gewichte für die Sc-Skala Score-Gewichte für die Sc-Skala
Items T F T F T F T F
Ich mag Mechanik-magazine 50 50 51 49 1 -1 0 0
Ich höre komische Sachen, wenn ich allein bin 5 95 35 65 30 -30 1 0
Ich bekomme alle Sympathien 80 20 50 50 -30 30 0 1
81Einfluss der Entwicklungsart auf die Validität
- Studie von Goldberg und Hase
- Verwendung der genannten Strategien
- zur Kontrolle stilistische und Zufallsstrategie
- Von 152 Studienanfängerinnen waren jeweils die
Werte von 13 Kriterien bekannt, die folgenden
allgemeinen Kategorien angehörten - a) soziale Konformität
- b) peer ratings bezüglich Soziabilität
- c) Popularität
- d) Studienleistung
- e) Studieninteresse
82Studie von Goldberg Hase
- Pro Strategie wurden 11 Skalen entwickelt
- Pro Strategie wurde zwischen den Skalen und jedem
der 13 Kriterien eine multiple lineare
Korrelation errechnet - Pro Strategie wurden die 13 multiplen linearen
Korrelationen gemittelt - Diese Werte sind in der ersten Reihe der Tabelle
angegeben
83Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion
Faktoren- analytisch Kontrast- gruppen Rational Theo- retisch Stilistisch Zufällig
anfängliches multiples R .51 .48 .51 .48 .44 .40
Kreuzvali- diertes multiples R .26 .25 .28 .26 .12 .09
84Studie von Goldberg Hase
- Gesamtstichprobe wurde in zwei gleich große
Untergruppen geteilt - Für jede Untergruppe wurde pro Strategie die
multiple lineare Regressionsgleichung zur
Vorhersage eines jeden der 13 Kriterien bestimmt. - Diese Regressionsgleichungen wurden in der
jeweils anderen Untergruppe zur Vorhersage der
Kriterien genutzt. - Es handelt sich also um eine doppelte (2
Untergruppen) Kreuzvalidierung. - Die für die jeweilige Untergruppe vorhergesagten
13 Kriterienwerte pro Strategie wurden mit den
tatsächlichen Kriterienwerten korreliert - Diese 13 Korrelationen als Schätzung für das
multiple R pro Kriterium nach der
Kreuzvalidierung wurden zum Durchschnitt
gemittelt. Sie sind in der zweiten Reihe der
Tabelle aufgeführt.
85Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion Strategien der Skalenkonstruktion
Faktoren- analytisch Kontrast- gruppen Rational Theo- retisch Stilistisch Zufällig
anfängliches multiples R .51 .48 .51 .48 .44 .40
Kreuzvali- diertes multiples R .26 .25 .28 .26 .12 .09
86Studie von Goldberg Hase
- Goldberg vermutete, dass sich einzelne Kriterien
in Abhängigkeit von der Strategie besser, andere
schlechter vorhersagen lassen, dass also eine
Interaktion besteht zwischen Strategien und
Kriterien. - in einer Re-Analyse der Daten konnte er in der
Tat nachweisen, - dass ein leicht vorhersagbares Kriterium (peer
ratings der Soziabilität) mit Hilfe der
faktorenanalytisch entwickelten 11 Skalen am
besten im Rahmen der Kreuzvalidierung
vorhersagbar war, - während die Vorhersage mit Hilfe der Skalen, die
über die Kontrastgruppenstrategie entwickelt
wurden, am schlechtesten gelang
87Studie von Goldberg Hase
- letztgenannten Skalen waren diejenigen, die bei
allen Kriterien mäßige Vorhersagegenauigkeit
aufwiesen - faktorenanalytisch zeigten entwickelten Skalen
entweder hohe oder sehr geringe Vorhersagegüte - Cronbach und Gleser sprechen daher einem
Verfahren wie dem MMPI den Charakter eines
Breitbandverfahrens zu, das bezüglich einzelner
Kriterien wenig Genauigkeit zeigt - Umgekehrt verhält es sich bei den
faktorenanalytisch entwickelten Verfahren, z.B.
dem FPI oder dem Giessen-Test.
88Fragebögen
- Alle Fragebögen leiden unter Antwortver-zerrungen
- Antwortstile
- Sets
- Diagnostische Aussagen sollten daher aufgrund nur
eines Verfahrens nicht getroffen werden
894.3 Assessment Center
- Dient der Personalauswahl und weiterentwicklung
- Personen werden bei verschiedenen Übungen von
Beurteilern beobachtet und eingeschätzt - Übungen sollen von ihren Tätigkeitsanforderungen
der Arbeit am Arbeitsplatz nahe kommen - der
entscheidende Vorteil gegenüber anderen Methoden
der Erhebung diagnostischer Information im Rahmen
der Personalauswahl und weiterentwicklung - Aus theoretischer Perspektive handelt es sich um
einen interaktionistischen Ansatz.
90Mögliche Übungen im AC
- Gruppendiskussion
- Rollenspiel
- Präsentation
- Postkorb
91Beurteilungsdimensionen im AC
- Auf Grund von Beobachtungen werden auf folgenden
Dimensionen und Unterdimensionen (in Klammem)
Urteile getroffen - Administrative Fähigkeiten (Organisations- und
Planungsfähigkeit, Entscheidungskraft,
Verantwortungsbewusstsein) - Soziale Kompetenz (Durchsetzungs- und
Überzeugungskraft, Empathie, soziale - Flexibilität, emotionale Kontrolle,
Selbstbewusstsein) - Kognitive Kompetenz (Intelligenzhöhe,
Sprachbeherrschung) - Leistungsverhalten (Konzentration, Ausdauer,
Stressresistenz, Frustrationstoleranz)
92- Durch Mittelung der Urteile pro Dimension wird
die Reliabilität und damit indirekt die Validität
erhöht. - Sind diese Urteile im Sinne des
interaktion-istischen Ansatzes die Personwerte
als Abstufungen auf dem Personfaktor oder die
abhängigen Variablen?
93Kritik am Assessment Center
- Beziehung zwischen beobachtetem Verhalten (Index)
und dem Urteil auf den Dimensionen (Indiziertes)
ist nicht genau spezifiziert - Dennoch ist die Interurteilerübereinstimmung nach
Training des Urteils (Interater-Reliabilität)
erstaunlich hoch. - Die Durchführung eines solchen Assessments ist
wegen des zeitlichen Aufwands und wegen der
Beteiligung mehrer Urteiler sowie eines
Moderators, der die Kontakte zwischen Urteilern
und Beurteilten lenkt, recht kostenintensiv.
94Gliederung
- Ziel, Struktur und Funktion der Diagnostik
- Persönlichkeits- und Lerntheorien
- Diagnostische Vorgehensweise
- Probleme der jeweiligen diagnostischen
Vorgehensweise und des jeweiligen diagnostischen
Instruments - Klinische vs. Statistische Urteilsbildung
- Kognitive sowie formal-deskriptive Modell des
Diagnostizierens, typische Fehler beim
Diagnostizieren
95Gliederung
- 5. Klinische versus statistische Urteilsbildung
- 5.1 Statistische Urteilsbildung
- 5.2 Klinische Urteilsbildung
- 5.3 Vergleich von statistischer und klinischer
Urteilsbildung - 5.4 Systemische Diagnostik
- 5.5 Validität der Vorhersagen
-
965.1 Statistische Urteilsbildung
- Bei der Darstellung der normativen Diagnostik
wurden Gesetze als Implikationen (wenn a, dann b)
dargestellt, bei denen die Variablen a und b
vorliegen oder nicht, d.h. wahr oder falsch sind - Eine solche grobe Abstufung innerhalb der
Variablen gibt es sicherlich häufig in der
praktischen psychologischen und psychiatrischen
Diagnostik. - Testdaten liegen jedoch meist in quantifizierter
Form vor, wobei im allgemeinen Intervallskalennive
au dieser Testvariablen erhofft wird. - Diese Testvariablen können als Prädiktoren
genutzt werden, ein gegenwärtiges oder
zukünftiges Kriterium vorherzusagen.
97Vorgehen bei der statistischen Urteilsbildung
- Ermittlung von linearen multiple
Regressionsgleichungen an einer ersten Stichprobe - Vorhersage der entsprechenden Kriterien für eine
andere Stichprobe mit Hilfe der Gleichungen,
wobei die Prädiktorwerte der Personen der zweiten
Stichprobe in die Regressionsgleichung eingesetzt
werden (Kreuzvalidierung). - Die Güte (Validität) dieser Vorhersagen lässt
sich prüfen, indem die vorhergesagten
Kriteriumswerte der Personen der zweiten
Stichprobe mit ihren tatsächlichen
Kriteriumswerten korreliert werden.
985.2 Klinische Urteilsbildung
- Klinische Urteilsbildung liegt vor, wenn
Diagnostiker (Kliniker) auf Grund der
Prädiktorwerte einer Stichprobe von Personen
sowie weiterer, z.B. durch Beobachtung gewonnener
diagnostischer Informationen, Vorhersagen über
einen gegenwärtigen oder zukünftigen
Kriteriumswert dieser Personen treffen. Wie oben
lässt sich die Güte dieser Vorhersagen prüfen.
995.3 Vergleich der Methoden
- 1954 Veröffentlichung von 20 Untersuchungen, in
der die Güte von klinischen mit der von
statistischen Vorhersagen verglichen wurde - Meehl rüttelte damit die Diagnostiker (Kliniker)
aus ihrer Selbstgefälligkeit, da bei 19 der 20
Vergleiche die statistische Vorhersage der
klinischen überlegen war. - Dieses Ergebnis hat Diagnostiker (Kliniker) nicht
ruhen lassen, um ihre größere Güte zu belegen.
100Studie von Sawyer
- Sawyer hat in einem Vergleich von 45 Studien
unterschieden zwischen - klinischer und statistischer oder mechanischer
Art der Datenverknüpfung - klinischer und mechanischer Datenerhebung
- Durch Interview und Beobachtung werden Daten
durch Kliniker gewonnen und mit Hilfe
psychometrischer Tests mechanisch erhoben.
101Studie von Sawyer
Art der Datenkombination Art der Datenkombination
Art der Datenerhebung klinisch statistisch
klinisch rein klinisch (20) Eigenschaftsbeurteilung (43)
statistisch Profil-Interpretation (38) rein statistisch (63)
klinisch und statistisch klinisch zusammengesetzt (26) statistisch zusammengesetzt (75)
klinisch oder/und statistisch klinische Synthese (50) statistische Synthese (75)
102Die diagnostische Situation
- Bei der Durchführung standardisierter Tests
sollte die diagnostische Information lediglich
durch den Untersuchten zustande kommen, wobei er
alleiniger Träger der diagnostischen Information
ist. - das Testverhalten wird jedoch auch in
standardisierten diagnostischen Situationen durch
weitere Faktoren beeinflusst - Diagnostik durch Übertragung und Gegenübertragung
verletzt gezielt die Standardisierung der
diagnostischen Situation. - Die Interaktion zwischen Untersuchtem und
Diagnostiker wird zum Träger der diagnostischen
Information
1035.4 Systemische Diagnostik
- Im Rahmen systemischer Diagnostik wird das
gesamte System, z.B. die Familie, die
Schulklasse, diagnostiziert. - Dabei gilt nicht dem Einzelnen des Systems das
diagnostische Interesse, sondern vielmehr der
Beziehung zwischen den Elementen des Systems. - Da die Art der Beziehungen zwischen den Elementen
Störungen eines Elements, einer Person, bedingen
kann, gilt es therapeutisch die Art der Beziehung
zu ändern, z.B. durch paradoxe Interventionen.
1045.5 Validität der Vorhersagen
- Typischer Versuch zur Analyse der Validität
diagnostischer bzw. klinischer Vorhersagen - Untersuchung zum Einfluss der diagnostischen
Informationsmenge auf die Urteilsvalidität
105Dateninput N mittlerer Validitäts-koeffizient
Biografische Daten Interview MMPI 10 .595
Biografische Daten Interview 10 .566
Biografische Daten Interview MMPI Rorschach 30 .480
Biografische Daten MMPI Rorschach 10 .450
Biografische Daten Interview Rorschach 10 .403
Biografische Daten 30 .396
Biografische Daten MMPI 10 .378
Biografische Daten Rorschach 10 .368
Stereotyp Q-Sort 30 .340
Durchschittl. Patienten Q-Sort der Kliniker 30 .289
106Gliederung
- Ziel, Struktur und Funktion der Diagnostik
- Persönlichkeits- und Lerntheorien
- Diagnostische Vorgehensweise
- Probleme der jeweiligen diagnostischen
Vorgehensweise und des jeweiligen diagnostischen
Instruments - Klinische vs. Statistische Urteilsbildung
- Kognitive sowie formal-deskriptive Modell des
Diagnostizierens, typische Fehler beim
Diagnostizieren
107Gliederung
- 6. Modelle des Diagnostizierens
- 6.1 Diagnostizieren als Schlussfolgerung vs.
Diagnostizieren als Verstehen - 6.2 Strukturen des LZG
- 6.3 Aktivitäten beim Diagnostizieren
- 6.4 Faktoren, die das Urteil beeinflussen
- 6.5 Deskriptive formale Modelle
-
1086.1 Schlussfolgern versus Verstehen
- Diagnostizieren kann mit Hilfe eines allgemeinen
Informationsverarbeitungsmodells beschrieben
werden. - Experiment zur Unterscheidung von Enkodier- und
Verarbeitungsprozessen beim Diagnostizieren. - Im Experiment muss auf Grund diagnostischer
Informationen die Wahrscheinlichkeit einer von
zwei sich gegenseitig ausschließenden und
erschöpfenden diagnostischen Hypothesen angegeben
werden.
109Schlussfolgern versus Verstehen
- Die Hypothesen gelten für klinische Fälle. Es
können jedoch auch im eignungsdiagnostischen
Bereich die beiden Hypothesen wird beruflich
erfolgreich vs. nicht erfolgreich sein. - Als deskriptives Modell, das den Überlegungen zu
Grunde liegt, fungiert hier das Bayessche
Theorem. - Auf Grund des Experiments wird aufgezeigt, dass
Verstehen ein Enkodiervorgang ist, während
Schlussfolgern zusätzliche kognitive Vorgänge
impliziert
110Bayes-Theorem
Informationen und Schlussfolgerungen
Information Information
Schluss affirmativ negativ
direkt Verifikation Falsifikation
indirekt Falsifikation Verifikation
111Experiment
- Logisch gesehen sind beide Verifikationen gleich
und beide Falsifikationen auch. - Psychologisch dagegen gibt es einen
beträchtlichen Unterschied, da affirmative
Information effektiver verarbeitet wird und sich
somit stärker auswirkt. - Fall I H1 20 Wahrscheinlichkeit, H2 80
Wahrscheinlichkeit (H1 ltlt H2) - Zustand relativer Sicherheit
- Fall II H1 56 Wahrscheinlichkeit, H2 43
Wahrscheinlichkeit (H1 H2) - Zustand maximaler Unsicherheit, daher wird jede
Info sehr effektiv
112Ergebnisse des Experiments
1136.2 Strukturen des beim Diagnostizieren
eingesetzten Langzeitgedächtnisses
- Methoden zur Ermittlung dieser Strukturen
- Faktorenanalyse
- multidimensionale Skalierung
1146.3 Aktivitäten beim Diagnostizieren
- Analyserichtung und Analysebereitschaft.
- Schwierigkeiten bei der Integration von
Informationen unterschiedlicher Modalität zu
einem sprachlichen diagnostischen Urteil.
1156.4 Faktoren, die das diagnostische Urteil
beeinflussen
- Primacy-Effekt
- Bestimmte Wörter
- Art der Informationen verleitet zu bestimmten
Hypothesen - Zurückgestellte Hypothesen im LZG werden
vergessen, nur zu testende Hypothesen bleiben im
AG - Lateralisierung
1166.5 Deskriptive formale Modelle
- Die deskriptiven formalen Modelle werden
unterschieden in - Mathematische Wahrscheinlichkeitsmodelle
- Regressionsmodelle
1176.5.1 Wahrscheinlichkeitsmodelle
- Das Bayessche Theorem ist das am häufigsten
genutzte mathematische Wahrscheinlichkeitsmodell.
- Mit ihm wird geprüft, ob der Diagnostiker die
Wahrscheinlichkeiten auf der rechten
Gleichungsseite entsprechend der Logik des
Theorems zur Wahrscheinlichkeit auf der linken
Seite verknüpft. - Dazu schätzt er die Wahrscheinlichkeiten auf der
rechten und die Wahrscheinlichkeit auf der linken
Gleichungsseite.
118Wahrscheinlichkeitsmodelle
- Die Wahrscheinlichkeiten auf der rechten Seite
werden dem Theorem entsprechend zur
Wahrscheinlichkeit auf der linken Seite
verrechnet und diese errechnete
Wahrscheinlichkeit mit der vom Diagnostiker
geschätzten verglichen. - Die meisten Untersuchungen zeigen recht große
Übereinstimmung, die darauf hinweist, dass
Diagnostiker der Logik des Theorems folgen und
insbesondere die Basisraten berücksichtigen. - Wenn jedoch der Diagnostiker die
Wahrscheinlichkeiten auf der rechten
Gleichungsseite falsch schätzt, mag zwar sein
Urteil der Logik des Theorems folgen, es ist
jedoch invalide.
1196.5.2 Regressionsmodelle
- Mit den Regressionsmodellen wird geprüft, nach
welcher mathematischen Regel die Daten, die
Prädiktoren, zum Urteil verknüpft werden. - Unterschieden wird zwischen folgenden Modellen
- lineares Modell (y ?1 x 1 ?2 x 2)
- nicht-lineares Modell (z.B. y ? 1 x 1 ? 2
sin x 2) - konfigurales Modell (z.B. y ? 1 x 1 ? 2 x 2
?3x 1 x 2), - wobei hier der Einfachheit wegen jeweils nur zwei
Prädiktoren in die Modelle eingehen
120Regressionsmodelle
- Meist behaupten Diagnostiker, nach dem
konfiguralen Modell vorzugehen, weil in ihm die
multiplikative Verknüpfung zweier Prädiktoren
berücksichtigt ist. - Diese Verknüpfung impliziert - wie in einer
statistischen Interaktion zwischen zwei
unabhängigen Variablen - dass die Ausprägung
einer Prädiktorvariable nicht unabhängig von der
Ausprägung der anderen Variable interpretiert
werden darf. - Solche gestalthaften Beziehungen postulieren
Rorschachianer zwischen den Rorschachkategorien,
weswegen ihrer Meinung nach die Berechnung der
Merkmalsvalidität als einfache lineare
Korrelation zwischen einer Rorschachkategorie und
einem Kriterium nicht ausreiche
121Regressionsmodelle
- Welches der drei Modell die Verknüpfung der
Prädiktoren am genauesten wiedergibt, wird
folgendermaßen pro Diagnostiker geprüft - Der Diagnostiker hat an einer ersten Stichprobe
von Personen, deren Prädiktorwerte in z.B. zwei
Prädiktoren vorliegen, ein diagnostisches Urteil
pro Person zu treffen. - So hat er z.B. auf Grund der Prozentzahl von
Ganzantworten sowie der Prozentzahl von
Farbformantworten im Rorschach pro Person das
Ausmaß an emotionaler Labilität zu beurteilen. - Mit diesen vorliegenden Daten werden pro Modell
die ?-Gewichte bestimmt. - Mit Hilfe der drei Modelle werden für eine zweite
Stichprobe von Personen Vorhersagen getroffen,
indem die Werte einer jeden Person in die
jeweilige Gleichung eingesetzt und zum Urteil
verrechnet werden
122Regressionsmodelle
- Auch der Diagnostiker hat auf Grund der
Prädiktorwerte der Personen der zweiten
Stichprobe diagnostische Urteile zu fällen. - Pro Modell werden die mit Hilfe des Modells
errechneten Urteile mit denen des Diagnostikers
korreliert (Kreuzvalidierung). - Dasjenige Modell gilt als das angemessenste, bei
dem die Korrelation am höchsten ausfällt. - In den meisten Fällen erweist sich das lineare
Modell als am angemessensten, womit der Anspruch,
die Prädiktoren konfigural zum Urteil zu
verknüpfen, zurückgewiesen werden muss. - Als Kritik an dieser Modellierung ist anzumerken,
dass die Prädiktorwerte als objektive, nominale
Stimuli in die Modelle eingehen und nicht als
subjektive, funktionale, wozu sie der
Diagnostiker erst macht, bevor er sie zum Urteil
verknüpft. - D.h. der Enkodiervorgang bleibt unberücksichtigt
1236.5.3 Das Linsenmodell
- Vor demselben Problem steht das Linsenmodell,
das dem Brunswikschen probabilistischen
Funktionalismus entstammt. - Bei diesem Ansatz wird der Frage nachgegangen,
wie weit sich der Mensch probabilistischen
Beziehungen in seiner Umwelt anpasst. - Entsprechend wird zwischen organismischem
(menschlichen) und ökologischem System
unterschieden.
124Das Linsenmodell
- Auch dieses Modell erlaubt nicht-lineare
Zusammenhänge zu erfassen, was aber voraussetzt,
dass der Funktionstyp in beiden Systemen gleich
ist. - Nicht-Linearität tritt selten auf, d.h. auch hier
ist der Diagnostiker ausreichend genau mit
linearen Modellen zu charakterisieren. - Untersuchungen zeigen, dass Diagnostiker das
Ausmaß der Linearität im ökologischen System,
d.h. zwischen Prädiktoren und einem Kriterium
meist überschätzen.
125(No Transcript)