Title: Einf
1Einführung
- Kultur- und sozialwissenschaftliche
Evolutionstheorie
2Weg der Einführung
vom Allgemeinen zum Besonderen
- Schaffung eines Gesamtbildes (Patzelt)
- (Fehl-) Wahrnehmungen der Evolutionstheorie
- Anschlußstellen zwischen Evolutionstheorie und
Politikwissenschaft - Grundstruktur des Evolutorischen
Institutionalismus - vertiefendes Nacharbeiten zentraler
evolutionstheoretischer Konzepte (Lempp) - zentrale Theoreme der biologischen
Evolutionstheorie (Synthetische Theorie,
Systemtheorie der Evolution) - Was ist und wie entsteht die Allgemeine
Evolutionstheorie? - Vertiefende Einführung in den Evolutorischen
Institutionalismus (Patzelt) - Was ist eine Institution?
- Wie wandeln sich Institutionen?
- Was ist und bringt Institutionenmorphologie?
3Einführung I
- Schaffung eines Gesamtbildes
- (Fehl-) Wahrnehmungen der Evolutionstheorie
- Anschlußstellen zwischen Evolutionstheorie und
Politikwissenschaft - Grundstruktur des Evolutorischen
Institutionalismus
4EvolutionstheorieFehlwahrnehmungen und deren
Korrektur
- Evolution Gegenbegriff zu Revolution, d.h.
schrittweiser nicht revolutionärer Wandel - im Kern nicht falsch aber regulative
Katastrophen im Verlauf von Evolutionsprozessen
sowie das Zusammenbrechen von Systemen in
evolutionären Sackgassen sind von
Revolutionen im Grunde nicht zu unterscheiden - ferner als bloßer Gegenbegriff bleibt der
Begriff der Evolution inhaltlich leer, besagt
nicht mehr als Wandel und ist dann nur eine
sprachliches Prunkstück, doch kein analytisches
Werkzeug - Evolution ein Begriff aus der Biologie, welcher
in die Geistes- und Sozialwissenschaften zu deren
Nachteil naturwissenschaftlichen Reduktionismus
einführt. In Wirklichkeit aber - ist das Evolutionsdenken ist seit der Aufklärung
eine verbreitete Form der Reflexion über
geschichtliches Werden schlechthin (?
Geschichtstheorie, Geschichtsphilosophie) - wurde seit dem gleichen Zeitalter in den
Wirtschaftswissenschaften nach den Ursachen und
Formen der so unübersehbar selbst-organisierenden
Prozesses des Werdens und des Wandels
wirtschaftlicher Ordnungsformen gesucht und dabei
einiges Wegweisende gefunden (z.B. das Konzept
der unsichtbaren Hand) - übernahm Darwin das Evolutionskonzept und die aus
den genannten Quellen verfügbaren Denkweisen von
den für ihn zeitgenössischen Sozialwissenschaften - Folglich
- muß der Evolutionsbegriff durch eine klare,
möglichst jede Form von Wandel erklärende Theorie
inhaltlich gefüllt werden - kehrt mit einer kulturwissenschaftlichen
Evolutionstheorie in die Sozialwissenschaften
nur das zurück, was einst von ihnen ausging und
zunächst in den Naturwissenschaften Karriere
machte
Achtung Es gibt gute Gründe, die
Evolutionstheorie nicht nur auf die Entwicklung
biologischerund sozialer Strukturen anzuwenden,
sondern auch auf die von anorganischen Strukturen!
5Kulturwissenschaftliche Evolutionstheorie
- übernimmt NICHT die biologische
Evolutionstheorie in die Kultur- und
Sozialwissenschaften - sondern
- arbeitet den Theoriekern von Evolutionstheorie
aus deren bislang erfolgreichster Anwendung der
biologischen durch Abstraktion heraus (vgl.
strukturalistische Wissenschaftstheorie und
non-statement view von Theorien im Anschluß an
J.D. Sneed, 1971) - verwendet das durch Richard Dawkins und Susan
Blackmore erschlossene Konzept des Mems (
kopierbares kulturelles Muster) ganz parallel
zum Begriff des Gens ( kopierbares chemisches
Muster) in allen evolutionstheoretischen
Aussagen (? Info) - erfaßt über Theorien zur Konstruktion sozialer
Wirklichkeit (v.a. aus der Ethnomethodologie,
anschließend verbunden mit dem Dresdner Ansatz
institutioneller Analyse) die
Eigentümlichkeiten der Hervorbringung und
Stabilisierung sozialer Strukturen, die ja von
ganz anderer und viel komplexerer Beschaffenheit
sind als biologische oder gar anorganische
Strukturen - wendet schließlich auf den gemäß (3)
konzeptualisierten Gegenstand soziokultureller
Wirklichkeit zur Analyse von dessen Wandel die
gemäß (1) gewonnenen und gemäß (2)
operationalisierten evolutionstheoretischen
Konzepte an. - Obendrein werden die Gegenstände der Kultur- und
Sozialwissenschaften im Schichtenbau der
Wirklichkeit verortet und insofern AUCH doch
nicht reduktionistisch! von ihren rein
biologisch zu erklärenden tiefenstrukturellen
Prägefaktoren her verstanden.
6Memetik
- Ist die Weiterführung der Einblicke in den (rein
chemisch ablaufenden) genetischen
Replikationsmechanismus ins Verständnis
kultureller Replikationsmechanismen - deren Grundeinheit kulturelle Muster, die
nachgeahmt und auf diese Weise tradiert werden
können (Verhalten, Reden, Denken Begriff Mem
bzw. Memplex), und zwar - entweder unmittelbar durch Nachahmung, z.B. durch
Nachsingen einer Melodie oder Befolgen eines
Rollenmodells - oder mittelbar durch Erlernen von Regeln, bei
deren Anwendung das zu tradierende Muster neu
entsteht, z.B. durch Erlernen der Notenschrift
und der Fähigkeit, die in Notenschrift codierte
Melodie auf einem Instrument zum Klingen zu
bringen, oder durch Erlernen und Befolgen jener
Regeln, die eine soziale Rolle konstituieren - Meme/Memplexe sind die Durchführungsmittel
sämtlicher Prozesse sozialer Struktur-, Rollen-,
Organisations- und Institutionenbildung. - begriffliche Schnittstelle
- biologische Evolutionstheorie Weitergabe jener
Informationen, aus welchen Strukturen
reproduziert werden, in chemisch codierter Form,
nämlich in Genen - soziologische Evolutionstheorie Weitergabe jener
Informationen, aus welchen Strukturen
reproduziert werden, in kulturell codierter Form,
nämlich in Memen - Es zeigt sich Alle Theoreme der
Evolutionstheorie, in denen der Begriff des
Gens bzw. dessen Derivate (Genpool und Genotyp
sowie Phän, Phänpool und Phänotyp) eine Rolle
spielen, bleiben empirisch sinnvoll, wenn in sie
der parallele Begriff des Mems und dessen
Derivate eingesetzt werden (Mempool und Memotyp
sowie Phäm, Phämpool und Phämotyp).
7Schichtenbau sozialer Wirklichkeit
- (Mit-) Prägung von Systemen auf allen
Wirklichkeitsschichten durch die Wirkung jeweils
höherer und (!) niedrigerer Schichten doch
keinerlei Determination und somit auch
keinerlei Reduktionismus - Entstehen von neuartigen Systemeigenschaften auf
den jeweils höheren Schichtebenen (Emergenz)
doch keineswegs unabhängig von jenen
Voraussetzungen, welche das Milieu der
niedrigeren und höheren Schichten dem jeweiligen
Sys- tem bietet
? neue Systeme entstehen jeweils zwischen
zwei schon bestehenden Schichten
globale natürliche Umwelt
internationales System
supranationale Systeme
Makroebene
nationalstaatliche politische Systeme
Organisationen / Institutionen
bieten die Bestandteile (constituents)
Mesoebene
setzen Rahmenbedingungen (constraints)
Rollen, Rollengefüge, Kleingruppen
hier und jetzt lebende Einzelmenschen
Mikroebene
(kulturspezifische) Wissensbestände,
Deutungsroutinen, Normen
genetisch verankerte Repertoires von
Wahrnehmung, Informationsverarbeitung,
Empfindung und Verhalten
molekulare und (sub-) atomare Umwelt
8politikwissenschaftliche Anschlußstellen der EvTh
- Politik Zusammenwirken von
- policy politische Inhalte
- politics politische Prozesse
- polity politische Strukturen
- Für politische Systembaukunst ( political
engineering) von jeher wichtig und interessant - polity dauerhafte politische Strukturen (v.a.
Institutionen), die ihrerseits zu den
Rahmenbedingungen aller im System ablaufenden
politics und implementierbaren policies
werden und weiterer Systementwicklung ihre
Voraussetzungen abgeben. - Bei näherer Betrachtung ist leicht zu erkennen
- längerfristig bestandsfähige politische
Strukturen (Institutionen, Organisationen), die
immer wieder neue Mitglieder anziehen,
sozialisieren, zu ihren Trägern machen und
ihrerseits selbst dann weiterbestehen, wenn die
Mitglieder sie durch Austritt oder Tod verlassen,
haben sehr viel gemein mit jenen biologischen
Arten (z.B. dem Menschen selbst), die einmal
geprägt weiterbestehen, selbst wenn die jeweils
die Art gerade tragenden Individuen sterben. - Also liegt die Frage nahe, ob jene Theoreme,
welche uns das Entstehen, Bestehen, sich Wandeln
und Vergehen von biologischen Arten erklären,
wohl auch nützlich wären, um uns das Entstehen,
Bestehen, sich Wandeln und Vergehen von
(politischen) Institutionen bzw. Organisationen
erklären könnten. - falls ja, wäre für die Analyse der (politischen)
Struktur- und Institutionengeschichte ein überaus
nützlicher Ansatz gewonnen, der über die
Möglichkeiten reiner Historiographie weit
hinausgeht. - Eben dieser Vermutung geht mit sich
abzeichnender großer Rendite der Evolutorische
Institutionalismus nach. - Ihn gälte es darum der Politikwissenschaft als
neuen Ansatz der Parteien-, Verbände-,
Verwaltungs-, Regierungs- und Parlamentarismusfors
chung zu erschließen.
9Leitgedanken des Evolutorischen Institutionalismus
- Fragestellung
- Wie entstehen, stabilisieren und wandeln sich
institutionelle Strukturen? - Wie lassen sich die dabei ablaufenden komplexen
historischen Prozesse über eine Beschreibung
ihrer Faktizität hinaus erfassen? - D.h. Welche im Hintergrund geschichtlicher
Prozesse wirkenden Regelmäßigkeiten lassen sich
auf Theorieebene erkennen und somit allen
konkreten Analysen geschichtlicher Prozesse
zunächst heuristisch-hermeneutisch, sodann
analytisch-explanatorisch zugrunde legen? - Grundrichtung der Antwort
- Wenn die biologische Evolutionstheorie diese
Fragen hinsichtlich der Entstehung,
Stabilisierung und des Wandels biologischer
Strukturen erfolgreich und offenbar empirisch
wahr beantwortet warum sollten dann ihre
Kategorien und Theoreme nicht auch hilfreich sein
für die Beantwortung der ganz parallelen Frage
nach der Entstehung, Stabilisierung und dem
Wandel sozialer bzw. institutioneller Strukturen? - Ausprobieren!
- Allerdings
- Soziale/institutionelle Strukturen sind etwas
ganz anderes als biologische Strukturen, so daß
eine simple Parallelisierung von Begriffen und
Theoremen allenfalls heuristisch interessant sein
kann, doch weit hinter dem zurückbleibt, was
anzustreben ist.
10Die Theoriestruktur des Evolutorischen
Institutionalismus
kognitive Landkarte zum gesamten
Forschungsfeld Schichtenbau der Wirklichkeit
Theorie- und Forschungsbereiche, aus denen
analytisches Werkzeugzu gewinnen war
Ausgangs- und Zentralfrage Wie entstehen,
stabilisieren und wandeln sich institutionelle
Strukturen?
- Theoriekandidaten mittlerer Reichweite v.a.
- Historischer Institutionalismus
(Pfadabhängigkeit ) - Rational choice-Institutio- nalismus
(Stabilitäts- bedingungen ) - ökonomische Populationsöko- logie
(strukturelle Trägheit )
konkretisierende Anschlußfragen
- Was sind institutionelle Strukturen als
sozialer Aggregatzustand zwischen Wandel und
Dauer?
- Wie kommen soziale Strukturen als Ausgangs-
material institutioneller Strukturen überhaupt
zustande?
- Allgemeine Evolutionstheorie
- Bindeglied zur institutionellen Analyse
Memetik - Bindeglied zu praktischen Fragen des
Institutionen- wandels Evolution als
evaluierbarer Lernprozeß
- Wie wandeln sich (insti- tutionelle)
Strukturen?
- Erklärung geschichtlicher Verlaufsmuster -
Institutionenmorphologie - Evaluation
institutioneller Lernprozesse
? Wie über derlei hinausgelangen?
? enge, noch näher zu erkundende Verwandtschaft
mit der Evolutorischen Ökonomik
11Gewinnung und Anwendung der Allgemeinen
Evolutionstheorie
? Übersetzungstabelle
Allgemeine Evolutionstheorie
gegenstandsspezifische Konkretisierung durch
gegenstandsangemessene Anwendung ihrer Konzepte
und Theoreme auf nicht-biologische empirische
Referenten
Sozialwiss. Evolutionstheorie
KEINE bloße Heuristik oder Analogie !!
Entwicklung von Institutionen( sozialer
Strukturen)
erfaßt durch die biologische Evolutionstheorie
von Darwin über die Synthetische Theorie
weiterentwickelt zur Systemtheorie der Evolution
kulturwissenschaftl. Evolutionstheorie
Entwicklung von Kompositions- und Maltechniken,
Baustilen, Dichtungsformen, Denkgebäuden (
kultureller Strukturen)
Entwicklung der Arten ( biologischer Strukturen)
12Übersetzungstabelle (Auszug)
biologische Evolutionstheorie
soziologische Evolutionstheorie
- Gen, Genom
- epigenetisches System
- Phän
- Art
- Grundbauplan
- Generation jeweils neue Organismen der Art,
geschaffen über genetische Replikation
- Mem, Memplex
- epimemetisches System
- Phäm
- Institution
- Grundbauplan, institutionelle Form
- Generation jeweils neue Mitglieder einer
Institution, geschaffen über memetische
Replikation ( institutions-spezifische
Sozialisation)
gleiche Begriffe Variation, Mutation,
Rekombination innere und äußere
Selektionsfaktoren Passung und Fitneß
13Evolutionstheorie I
biologische Basis allen sozialen Handelns und
somit auch der Institutionenbildung
aber nicht der zentrale Anwendungs- bereich der
Evolutionstheorie im Evolutorischen
Institutionalismus!
- (Human-) Ethologie zeigt Vieles Verhalten, das
auch Menschen an den Tag legen, taucht schon im
Tierreich auf und wird folglich eine nicht allein
kulturelle, sondern bereits kreatürliche
(biologische) Grundlage haben. - darunter Territorialität, Possessivität,
Rangstreben, Kooperationsfähigkeit,
Bestrafungsbereitschaft - dieser Befund ist sozialwissenschaftlich
fruchtbar zu machen über eine Theorie des
Schichtenbaus sozialer Wirklichkeit - Spieltheorie und Populationsökologie zeigen
Nicht alle Verhaltensweisen sind auf Dauer gleich
stabil, weswegen sich in lange bestehenden
Systemen unterschiedliche Handlungsstrategien in
unterschiedlichen Häufigkeiten finden werden und
es höchst plausible Muster im Auf und Ab ihrer
jeweiligen Häufigkeiten gibt - darunter Habicht/Taube-Relation, do ut
des-Muster von Kooperation (tit for tat-
cooperation), reziproker Altruismus - sozialwissenschaftlich fruchtbar zu machen durch
Einbau solcher Einsichten in Theorien nachhaltig
stabilen sozialen Handelns und der
Institutionenbildung - Soziobiologie erklärt Die grundlegende
Fähigkeit, so zu handeln und derlei
Handlungsstrategien auch wechselseitig zu
unterstellen, wird zwar zufällig entstanden sein,
hat sich aber deshalb so weit verbreitet, - weil Populationen mit anderen Handlungsstrategien
nicht nachhaltig stabil waren bzw. - weil Populationen mit selbstverständlicher
Fähigkeit sowohl zur Kooperation als auch zur
Bestrafung kooperationsverweigernden Verhaltens
in der Konkurrenz um knappe Ressourcen immer
wieder gewannen und sich samt ihren Eigenschaften
somit stärker verbreiteten als ihre Konkurrenten.
14Soziale Strukturen
Keineswegs sind soziale Strukturen
Naturtatsachen wie chemische oder
physiologische Strukturen. Sie sind vielmehr
höchst störungsanfällige Kulturtatsachen, die
einer gesonderten theoretischen Erfassung und
Erklärung bedürfen.
- sind fragile, stets der Reproduktion bedürfende
Prozeßprodukte - Ordnung ein Prozeß !
- entstehen, werden reproduziert, modifiziert
- anhand von ethniespezifischen (kulturspezifischen
) Wissensbeständen, also auch geprägt von deren
Ordnung (? Kanonisierung) - mittels wirklichkeitskonstruktiver Methoden
(Interpretationsverfahren, Darstellungstechniken,
szenischen Praktiken), deren formalpragmatische
Merkmale sich präzis beschreiben lassen und
welche darum als tertium comparationis
weitgespannter Vergleichsstudien verwendet werden
können - im Rahmen von Machtbeziehungen, deren Macht oft
kunstvoll verdeckende Methodik (politics of
reality) ebenfalls formalpragmatisch präzis zu
beschreiben ist - letztlich auf kreatürlicher (biologischer)
Grundlage - Forschungen von (Human-) Ethologie,
Soziobiologie, Populationsökologie - bilden die zentrale konzeptuelle Schnittstelle
zwischen institutioneller Analyse und - Ethnomethodologie Wie entstehen soziale
Strukturen im Alltagsleben immer wieder neu, und
wie werden sie, trotz aller Störungen des
alltagspraktischen reality work, oft so
verläßlich aufrechterhalten? - Evolutionstheorie Wie werden soziale Strukturen
weitergegeben und dabei bei welchen
Voraussetzungen und Folgen selektiert,
modifiziert oder beibehalten?
15Reproduktion sozialer Strukturen
Leitgedanken der Verbindung von
institutioneller Analyse mit einesteils
Ethnomethodologie und andernteils
Evolutionstheorie
- Zwei Aufgaben der Reproduktion sozialer
Strukturen - lokal-situative Geltungssicherung durch reality
work - Beispiel Sicherung der normalen
Alltagswirklichkeit in einem Parlament oder
Kloster - vergleichender Forschungsansatz
ethnomethodologische Studien zu Wissensbeständen,
Interpretationsverfahren, Darstellungstechniken
und szenischen Praktiken - Weitergabe an solche Personen,
- die neu in ein bereit bestehendes Gefüge sozialer
Strukturen eintreten (Novizen) und - von denen dessen bisherige Träger wünschen, sie
möchten dieses Gefüge später als kompetente
Mitglieder ihrerseits weitertragen - Beispiel Sozialisation neuer Abgeordneter oder
von Novizen eines Ordens - vergleichender Forschungsansatz
evolutionstheoretische Studien zur Weitergabe von
Wissensbeständen, Deutungsmusternund kompetent
beherrschten szenischen Praktiken
Analyse von Institutionalität
Analyse von Geschichtlichkeit
16Weitergabe von sozialen Strukturen an Novizen
z.B. Man erlernt ein Amt durch Nachahmung seines
Vorgängers oder spielt ein Musikstück nach Gehör
- weiterzugeben sind
- Wissensbestände
- Deutungsmuster
- kompetent beherrschteszenische Praktiken
- zwei Weitergabeweisen
- nicht in allen Fällen gleichermaßen (gut)
anwendbar! - Weitergabe von Wissensbeständen, Deutungsmustern,
Handlungskompetenzen und szenischen Praktiken
durch Lehren und Lernen, durch Vormachen,
Nachahmen und Einüben, d.h. durch Kopieren - Vermittlung jener Regeln und regelanwendenden
Kompetenzen, anhand welcher die weiterzugebenden
- Wissensbestände persönlich neu aufgebaut werden
können, - Deutungsmuster persönlich angemessen
zusammengestellt - einschlägige szenischen Praktiken persönlich
ausfindig gemachtund kompetent an den Tag gelegt
werden können - d.h. durch Zurkenntnisnahme und Anwenden einer
Regel
- kulturelle Muster
- in der Sprache der Allgemeinen Evolutions-
theorie Meme, bzw. (als Konfiguration
miteinander verbundener Meme) Memplexe
kombinierbar!
voraus-setzungs-arm fehler-trächtig
voraussetzungs-reich wenig fehlerträchtig
- Die weiterzugebenden Meme bzw. Memplexe
brauchen Trägermedien, z.B. Papier für Text,
CDs für Musik, Menschen für Handlungsmuster,
Institutionen für Rituale.
zusammenfassender Begriff memetische
Replikation
Name Vehikel (des Mems oder Memplexes)
z.B. Man erlernt ein Amt durch Studium und
Befolgung der Geschäftsordnung oder spielt ein
Musikstück nach Noten
17Memetische Replikation
? Dawkins (1976) und Blackmore (2000) haben
gezeigt Die Mechanismen (nicht die Biologie,
die Chemie !) memetischer Replikation und
genetischer Replikation sind gleich.
Evolutionstheorie II
- Mem / Memplex eine Informationseinheit, die
weitergegeben (repliziert) werden kann - Beispiele
- Wissensbestände Wörter einer Sprache,
Information über Sachverhalt, Argument, Gedicht,
Melodie - Deutungsmuster Wie versteht ein kompetentes
Mitglied der Gruppe X den Sachverhalt Y? - szenische Praktiken Leiten einer Sitzung,
Dirigieren eines Chors, Durchführung eines
religiösen Ritus - Hinsichtlich ihrer Replikationsfähigkeit
unterscheiden sich Meme u.a. in ihrer - Einfachheit und Plausibilität In beiden Fällen
größere Repliktionschancen! - Wiedergabetreue große oder geringe
Übereinstimmung des durch Kopieren oder
Regelanwendung übernommenen kulturellen
Musters mit dem Original (? Variation,
Rekombination, Mutation ) - Langlebigkeit Wie lange wird ein kulturelle
Muster als solches erkannt und durch
Kopierenoder durch Anwendung einer es
reproduzierenden Regel weitergegeben? (?
Retention) - Fruchtbarkeit Wie oft wird mehr oder minder
wiedergabetreu, gleich ob durch Kopieren oder
reproduzierende Regelanwendung ein kulturelles
Muster repliziert? (? Durchsetzung in der
Konkurrenz mit anderen Memen) - Auf die Replikationsfähigkeit haben die
Eigentümlichkeiten der Vehikel Einfluß - Wiedergabetreue meist groß, wenn z.B. ein
komplexes Musikstück von einem Orchester
nachNoten gespielt wird meist gering(er), wenn
es vom Orchester einer CD nachgespielt wird - Langlebigkeit meist groß, wenn das Vehikel
dauerhaft ist (z.B. Steintafeln für einen
Berichtüber eigene Taten) meist gering(er),
wenn das Vehikel vergänglich ist (z.B. Regiestile
vor der Erfindung von Film und Video) - Fruchtbarkeit meist groß, wenn das Vehikel weit
verbreitet ist (z.B. Bilder als Dateien im
JPG-Format) meist gering(er), wenn kaum einer
mehr das Vehikel kennt (z.B. Gedanken in einem
vergriffenen und vergessenen Buch)
? Selektion setzt an sowohl bei den Memen als
auch bei deren Vehikeln
Achtung Die Evolutionsmechanismen sind ausgelegt
auf die Weitergabe von Genen / Memen, nicht aber
auf die Erhaltung der Vehikel von Genen / Memen
wie etwa Menschen und Institutionen !
18Evolutionstheorie II
Schnittstelle biologische Art ? Institution
Organismus ? Mitglied
einer Institution
Vokabellernen
Memetik (hier bezogen auf institutionelle
Analyse)
Genetik
- Gen Abschnitt auf der DNS, von dem aus in
vielen Zwischenschritten der Gewebe-aufbau von
Zellen gesteuert wird - Genpool Gesamtheit der Gene einer Art
- Genotyp spezielle Konfiguration der Gene in
einem Organismus einer Art - Phänotyp die konkrete Gestalt, die auf der
Grundlage seines Genotyps ein Orga-nismus einer
Art im Lauf seines Lebens unter dem Einfluß
seiner Umwelt (Nische) annimmt - Phänpool Gesamtheit der phänotypi-schen
Variationen der Organismen einer Art - genetische Replikation Kopieren eines
DNS-Abschnitts - Gendrift Veränderung des Genpools einer Art
- Mem kulturelles Muster (geborgen in einem
Vehikel) von dem aus der Aufbau sozialer
Strukturen gesteuert wird (? Ethnomethodologie) - Mempool Gesamtheit der kulturellen Muster
einer Institution - Memotyp spezielle Konfiguration der
kulturellen Muster, welche sich ein
(kompetentes) Mitglied einer Institution
angeeignet hat - Phämotyp der konkrete Habitus, den auf der
Grundlage seines Memotyps ein Mitglied einer
Institution in Lauf seiner Mitgliedschaft in der
Institution unter dem Einfluß seiner Umwelt
(Nische) annimmt. - Phämpool Gesamtheit der phämotyp-ischen
Variationen der Mitglieder einer Institution,
d.h. ihrer konkreten Wissens-bestände,
Deutungsroutinen und szenischen Praktiken - memetische Replikation Weitergabe eines
kulturellen Musters - Memdrift Veränderung des Mempools einer
Institution
? Der genetische Replikationsmechanismus ist nur
ein Sonderfall eines allgemeinen
Replikationsmechanismus, der seinerseits nicht
bloß auf molekularer Ebene, sondern ebenso auf
neuronaler und sozialer Ebene abläuft.
19basaler kultureller Evolutionsmechanismus
Generation bei Institutionen die Kohorte der
zu einem gemeinsamen Zeitpunkt eintretenden
Novizen mit den gleichen Überlappungen, wie sie
sich bei einer biologischen Art im Zusammenleben
von Großeltern, Eltern und Kindern ergeben.
? keinerlei Biologismus oder Reduktionismus!
- Eine Institution zieht neue Mitglieder an
(Novizen) und sozialisiert sie (memetische
Replikation). - Dabei kommt es zu Variation im Mempool Die
Novizen haben unterschiedliche Hintergründe,
weswegen sie die vermittelten kulturellen
Muster nicht völlig identisch, sondern auch mehr
oder minder unterschiedlich auffassen und sich
variantenreich anverwandeln. - Immer wieder kommt es auch zu Mutationen
(Weitergabefehlern) bei der memetischen
Replikation - Meme werden auch aufgrund von Problemen mit
ihren Vehikeln fehlerhaft weitergegeben - Meme werden kreativ neu- oder mißverstanden bzw.
in neue, anderen Sinn stiftende Kontexte gerückt - Meme werden in bisher unbekannter Art neu
kombiniert - neue Meme werden aus Negationen oder Abwandlungen
bisheriger Meme erzeugt. - Viele Memvariationen oder Memmutationen
(Memvarianten) werden - folgenlos sein
- nicht zu nachhaltig stabilen Verhaltensmustern
und sozialen Strukturen führen, da sie nicht zu
den handlungsleitenden Selbstverständlichkeiten
in der Institution oder zu den zu erfüllenden
funktionellen Anforderungen passen (Fitness
innere Selektionsfaktoren vs. äußere
Selektionsfaktoren). - Manche Memvarianten werden aber so gut zu den
bisherigen handlungsleitenden Selbstverständlichk
eiten ( inneren Selektionsfaktoren) in der
Institution und zu den von der Institution zu
erfüllenden Funktionen ( äußere
Selektionsfaktoren) passen, daß ihre Träger (
entsprechend sozialisierte Mitglieder) in
Konkurrenz mit anders sozialisierten
Institutionsmitgliedern größere Durchsetzungs-
und Karrierechancen haben ( memetische
Reproduktionsvorteile). - Diese Memvarianten werden dann auch besonders
große Chancen weiterer Weitergabe haben, womit
sich im Lauf der Zeit der Mempool der Institution
verändert und es zur Memdrift kommt. Diese mag im
Nachhinein wie ein logischer oder notwendiger
Prozeß anmuten, verdankt ihre Richtung aber nur
dem Wechselwirken von zwei Faktoren - zufällige Memvariationen und Memmutationen (?
Kontingenz) - größere Durchsetzungschancen solcher
Memvarianten, die (1) zu den wirksamen
kulturellen Mustern einer Institution und (2)
zu den von ihr zu erfüllenden funktionellen
Anforderungen passen, also die Filterwirkung
sowohl der inneren (1) als auch der äußeren (2)
Selektionsfaktoren überstehen. - Auf genau diese Weise sind die kulturellen
Voraussetzungen ( intern) einer Institution
sowie die funktionellen Anforderungen an sie (
extern) höchst folgenreich für institutionelle
Evolutionsprozesse.
Kerngedanken der Syntheti-schen Theorie der
Evolution
? kann unabsichtlich oder absichtlich geschehen,
letzteres etwa bei Reformen
Kerngedanken der Systemtheorie der Evolution
20Steuerungsmuster von Replikationsprozessen
- Bildung und Reproduktion von Institutionen
vollziehen sich auf der Grundlage vieler an sich
verfügbarer kultureller Muster ( Meme,
Memplexe), von denen meist nur ein Teil jenem
Handeln zugrunde gelegt wird, das seinerseits
soziale Strukturen produziert, stabilisiert,
modifiziert usw. - Beispiel Binnen weniger Jahrzehnte ließ sich in
Deutschland der so unterschiedliche
Parlamentarismus Weimars, des III. Reiches, der
Bundesrepublik Deutschland und der DDR aufbauen
und stabilisieren, ohne daß die in Deutschlands
politischer Kultur verfügbaren Muster ( Meme,
Memplexe) sich grundsätzlich verändert hätten. - Frage Wie wird gesteuert, welche der an sich
verfügbaren Meme jeweils in welcher Weise und
Reihenfolge handlungsleitend verwendet und
institutionenbildend kombiniert werden? - Antwort aus der Systemtheorie der Evolution
- Reformulierung der Frage Wie wird gesteuert,
welche Elemente des Mempools einer Institution
aktiviert, in einer bestimmten Hierarchie und
zeitlichen Abfolge kombiniert, dergestalt bei der
Sozialisation von Novizen zu Bestandteilen von
deren Memotyp gemacht werden, anschließend deren
Phämotyp (mit-) prägen und somit den Phämpool der
Institution (mit-) erzeugen? - Antwort
- Es sind zwei Schichten von Memen zu
unterscheiden (1) die an sich verfügbaren
kulturellen Muster, und (2) solche Baupläne
(auch Meme!), welche geleitet von den
Interessen und getragen von den
Machtmöglichkeiten ihrer Träger/Verfechter
festlegen, welche der Meme/Memplexe aus (1) auf
welche Weise dem tatsächlichen Handeln und dessen
institutionell korrekten Deutungen zugrunde
gelegt werden. - Beispiel In NS-Diktatur bzw. DDR setzten NSDAP
bzw. SED durch, daß die für Parlamentarismus
typischer-weise verfügbaren Handlungsweisen und
Deutungsmuster nur in einer sehr besonderen
Auswahl, Überformung und Handhabung beim
institutionellen Handeln verwendet wurden ?
Leitidee. - Name für diese steuernden Baupläne (2)
epimemetisches System (? epigenetisches
System)
- Achtung Das epimemetische System unterliegt
dem gleichen basalen Evolutions- mechanismus
wie alle Meme nur haben Variation und Selektion
im epimemetischen System wesentlich größere
Hebelwirkungen insbesondere dann, wenn es um
die Reproduktion von Trägern struktureller
oder funktioneller Bürden geht!
21Zentralaussagen der Systemtheorie der Evolution
- Grundlage aller Evolution sind rein zufällige
Variation, Mutation oder Rekombination von Genen
/ Memen, die ihrerseits Programme zur Bildung
biologischer / sozialer Strukturen sind. - Im Lauf von Generationenfolgen werden, über
Mutationen und Rekombinationen, Gene / Meme
miteinander gekoppelt, wobei Gene / Meme höherer
Ordnung (in der Fachsprache der biologischen
Evolutionstheorie Strukturgene,
Regulatorgene) ihrerseits für solche Kopplungen
sowie für den Einbau der verkoppelten Meme / Gene
in komplexe Programmsequenzen sorgen
(epigenetisches System / epimemetisches
System). - Auch an den Struktur- und Regulatorgenen setzt
das Spiel des Zufalls in Form von Variation,
Mutation und Rekombination an, diesmal aber
gleich ganze Baugruppen von biologischen /
sozialen Systemen betreffend. - Nur solche Variationen, Mutationen und
Rekombinationen von Genen / Memen aller Art
werden sich durchhalten und verbreiten, welche zu
den funktionellen Anforderungen aus der Umwelt an
das mittels ihrer produzierte biologische oder
soziale Gebilde passen ( äußere
Selektionsbedingungen). - Folge Bleibt die Umwelt stabil, so werden über
viele Generationen bestehende Arten und
Institutionen die funktionellen Anforderungen
ihrer Umwelt gleichsam in ihrer eigenen Gestalt
abbilden so wie die Flosse des Fisches die
hydrodynamischen Eigenschaften des Wassers
abbildet oder Microsoft die Nachfragewünsche
von PC-Benutzern ( Kerngedanke der Evolutionären
Erkenntnistheorie siehe Lorenz 1973). - Im Vorfeld dessen werden nicht alle beliebigen
Variationen, Mutationen und Rekombinationenvon
Genen / Memen zu einem lebensfähigen biologischen
oder sozialen Gebilden führen, sondern nur
solche, die dessen Grundbauplan nicht zerstören.
Dieser setzt dem Spiel des Zufalls somitinnere
Selektionsbedingungen. - Folge Biologische und soziale Gebilde entwickeln
sich in Form von immer weiterer Überschichtung
und Modifikation ihres einst entstandenen
Grundbauplans bzw. durch funktionell äquivalente
Ersetzung und anschließende Verkümmerung ihrer
einst tragenden Elemente. - Eben macht ihre Entwicklung zu einer gerichteten,
pfadabhängigen und dennoch ergebnisoffenen. - Anders formuliert Die Geschichte sedimentiert
sich in einem Geschichte.
22Einführung II
- vertiefendes Nacharbeiten zentraler
evolutionstheoretischer Konzepte - zentrale Theoreme der biologischen
Evolutionstheorie (Synthetische Theorie,
Systemtheorie der Evolution) - Was ist und wie entsteht die Allgemeine
Evolutionstheorie?
23Einführung III
- Vertiefende Einführung in den Evolutorischen
Institutionalismus - Was ist eine Institution?
- Wie wandeln sich Institutionen?
- Was ist und bringt Institutionenmorphologie?
24Institutionenbildung
Dresdner institutionelle Analyse
- (2) Es ist möglich, daß Menschen ein
gemeinsames Ziel verfolgen oder sich
gemeinsam abgrenzen - Leitidee (LI), Leitdifferenz (LD)
- Leitideenbündel, Leitdifferenzenprofil
- Dabei Wechselwirkungen von vorgeblen-deter und
real befolgter Leitidee möglich!
(3) Dann entstehen von dieser Leitidee usw.
geordnete Strukturen, nicht selten in hier-
archischer Schichtung, und sorgen für Hand-
lungssicherheit / erwartbare Handlungsmuster
(4) Menschen können die Ordnungsvorstellun-gen
und Geltungsansprüche dieser Leitidee usw. auch
noch für sich und andere symbolisch zum Ausdruck
bringen (Ästhetisierung) und so in der
Tiefenschicht emotionaler Bindung verankern.
(5) Genau dadurch entsteht eine Institutionund
wird möglicherweise verfestigt durch eine
Reihe von Mechanismen
? Info
(1) Menschen
beziehen ihre Handlungen sinnhaft
aufeinander und bauen Rollenstrukturen auf
Grundlage natürliche Sozialität (d.h.
ange- borene Kompetenzen)
(6) Anschließend prägt eine Institution
(teilweise) einesteils die sie tragenden
Menschen (Subjektformierung), andernteils die
Umwelt der Institutionen / der sie tragenden
Menschen
25institutionengenerierende und institutionenverfest
igende Mechanismen
? Was dazu beiträgt, die Stabilisierung eines
Sozialarrangements um eine Leitidee/Leitdifferenz
zu för-dern bzw. zu sichern, ist ein
institutionengenerierender bzw.
institutioenverfestigernder Mechanismus.
? institutionelle Mechanismen
- institutionelle Mechanismen, z.B.
- Wiederwahlmechanismus
- Mehrheitsmechanismus
- Kontrasignaturmechanismus
- Verantwortlichkeitsmechanismus
- Koppelungsmechanismus
- Gegenseitigkeitsmechanismus
- Mannschaftsmechanismus
- Übersteuerungsmechanismus
- institutionengenerierende bzw.
institutionenverfestigende Mechanismen, z.B. - symbolische Selbstrepräsentation
- Ästhetisierung
- Enthistorisierung
- Stabilitätsfiktionen
- Machtverdeckung
- Subjektformierung
- Kanonisierung
? Info
Achtung institutionengenerierende und
institutionenverfestigende Mechanismen heißen
bei Rehberg Göhler sowie im Projekt TAIM
institutionelle Mechanismen ein Begriff, der
im Evolutorischen Institutionalismus eine andere
Bedeutung hat, nämlich
Institutionelle Mechanismen sind verläßlich
auslösbare und zielgerichtet einsetzbare
Handlungsketten, die angeleitet von Interessen,
entlang von Regeln und beruhend auf Positionen
sowie auf den mit diesen Positionen verbundenen
Ressourcen in und zwischen Sozialorganisationen
zur Erfüllung von Funktionen genutzt werden
können, sofern Interessen-, Struktur- und
Verhaltensstabilität für Erwartungssicherheit und
verläßlich wirkende Antizipationsschleifen sorgen.
26Beispiele für politisch wichtigeinstitutionelle
Mechanismen
- Gegenseitigkeitsmechanismus
- Verantwortlichkeitsmechanismus
- Gegenzeichnungsmechanismus
- Mannschaftsmechanismus
- Kopplungsmechanismus
- Übersteuerungsmechanismus
- Kommissionsmechanismus
27Gegenseitigkeitsmechanismus
- Funktion Sorgt für Geben und Nehmen mit
Erwartungssicherheit einer fairen
Leistungsbalance - Beispiel Budgetrecht von Ständevertretungen im
dualistischen Fürstenstaat - Mechanismus
- Regel Monarch bekommt gesellschaftliche
Ressourcen (Geld, Naturalien, Dienstleistungen,
Soldaten) nur gegen Zweckbindung oder gegen die
Zusicherung von Gegenleistungen. - Positionen und Ressourcen
- Monarch Hat Vollmacht und Aufgabe zu regieren
kann das aber mit Eigenmitteln nicht leisten. - Ständevertreter Verfügen über jene Ressourcen,
die der Monarch benötigt als Vertreter bzw.
Besitzer reicher Städte, Stifte oder Herrschaften - Interessen
- Monarch Will in der Regel seine auch
selbstdefinierten! Aufgaben erfüllen, dafür
nötige Ressourcen, doch möglichst wenige
Konflikte mit seinen Ständen. - Ständevertreter Wollen die unverzichtbaren
öffentlichen Aufgaben zwar erfüllt sehen, doch
den Monarchen nicht übermächtig machen, vielmehr
ihre eigene Machtstellung sichern oder ausbauen
und im Grunde von den von ihnen kontrollierten
Ressourcen möglichst wenig abgeben. - Allgemeine Anwendung Etablierung von Kontrolle
über ressourcenschwache (!) Machtinhaber wobei
Ressourcenschwäche relativ ist
28Verantwortlichkeitsmechanismus
- Funktion Sorgt für Einfluß von Regierten auf
Regierende - Beispiel Verantwortlichkeit eines
Regierungschefs vor dem Parlament - Mechanismus
- Regel Parlament (möglicherweise auch dessen
Minderheit!) darf Regierungschef auch gegen
seinen Willen zur Rede stellen, dessen Antworten
politisch bewerten und an die Bewertung
Konsequenzen knüpfen. - Positionen und Ressourcen
- Regierungschef Kann kritischen Nachfragen nach
seinen Handlungen nicht entgehen und muß darum
entweder schwer verteidigbares Handeln
unterlassen oder vertuschen, was letzteres mit
einem großen Risiko verbunden ist - Parlament Hat die Möglichkeiten (ggf. als
Minderheitenrechte ausgestaltet), den
Regierungschef zur öffentlichen
Rechenschaftslegung zu zwingen und kann ihn
kritisieren, seinen Rücktritt fordern, sein
Budget kürzen, seine Gesetzesvorlagen ablehnen
oder ihn gar abwählen - Interessen
- Regierungschef Will in der Regel Amt behalten
und öffentlich angesehen sein. - Parlament Wünscht entweder gute Arbeit des
Regierungschefs oder dessen Sturz. - Allgemeine Anwendung Etablierung von Kontrolle
über Amtsinhaber
29Gegenzeichnungsmechanismus
- Funktion Institutionalisiert Kontrolle
(Zwei-Schlüssel-System) - Beispiel Kontrasignatur in konstitutioneller
Monarchie ( Erster Minister unterzeichnet
Rechtsakte des Monarchen und übernimmt die
Verantwortung) - Mechanismus
- Regel Rechtsakt des Monarchen braucht
Gegenzeichnung durch Ersten Minister - Positionen und Ressourcen
- Monarch materielle Herrschaftsbefugnis,
symbolische Macht - Parlament Seine Zustimmung für Haushaltsvorlagen
ist sowohl nötig als auch aus rein politischen
Motiven verweigerbar - Erster Minister stets suspensives Veto-Recht
dann ein quasi-absolutes Vetorecht, wenn er sich
auf eine Parlamentsmehrheit stützen kann, mit der
sich im Wahlkampf anzulegen der Monarch scheut - Interessen
- Monarch Will seine Wünsche von Erstem Minister
durchgesetzt sehen, aber Streit mit Ersten
Minister / Parlament vermeiden - Erster Minister Will seine Wünsche vom Monarchen
durchgesetzt sehen, aber Streit mit ihm vermeiden - Parlament Mehrheit will ihre Wünsche
durchgesetzt sehen, scheut aber meist Neuwahl - Allgemeine Anwendung Institutionalisierung eines
Veto-Spielers den man dann seinerseits mit
weiteren institutionellen Mechanismen
kontrollieren kann
30Mannschaftsmechanismus
- Funktion Sorgt für die Bildung stabiler,
konkurrenzfähiger politischer Kampfgemeinschaften
- Beispiel Fraktionenbildung im parlamentarischen
Regierungssystem - Mechanismus
- Regel Parlamentsmehrheit kann Regierungschef
abwählen - Positionen und Ressourcen
- Parlament Bei Mehrfraktionenparlament in der
Regel parteipolitische Konkurrenz um die
Regierungsrolle also Auseinandertreten von
Regierungsmehrheit und Opposition - Regierungschef Kann sich schadlos mit Opposition
anlegen, nur unter großem Risiko aber mit
Regierungsmehrheit - Regierungsmehrheit Kann jederzeit Regierungschef
auswechseln - Opposition Kann Ansehen des Regierungschefs zu
mindern versuchen und so Druck auf
Regierungsmehrheit ausüben - Interessen
- Regierungsmehrheit und Regierungschef Wollen an
Macht bleiben - Opposition Will die politische Stellung des
Regierungschefs und seiner Mehrheit schwächen - Allgemeine Anwendung Sicherung eines
Gefolgschaftsverhältnis und von
Mannschaftsdisziplin unter einem als stark
geltenden politischen Führer
31Kopplungsmechanismus
- Funktion Sorgt für die Verkoppelung ansonsten
getrennter Handlungs- und Verantwortungsketten - Beispiel Selektion von auch informellen
Parteiführern für Abgeordnetenmandate - Mechanismus
- Regel Nur der erlangt eine aussichtsreiche
Kandidatur, der sich zuvor als Parteiführer
durchgesetzt hat. D.h. Parteiamt und
Parlamentsmandat werden faktisch gekoppelt - Positionen und Ressourcen
- Abgeordneter-Parteiführer Hat als Abgeordneter
ein freies Mandat, braucht als Parteiführer aber
innerparteiliche Unterstützung - Partei / Selektorat Kann zwar nicht auf den
Abgeordneten Einfluß nehmen, sehr wohl aber auf
den Parteiführer - Interessen
- Abgeordneter-Parteiführer Will in der Regel
Abgeordneter bleiben und kann darum als
Parteiführer nicht die Grenzen der
Zustimmungsbereitschaft seiner Partei ignorieren - Partei / Selektorat Wünscht Einfluß auf das
parlamentarische Verhalten des eigenen
Abgeordneten weiß es aber zu schätzen, wenn
dieser unpopuläre Entscheidungen in Ausübung
seines freien Mandats auf die eigene Kappe
nimmt - Allgemeine Anwendung Etablierung von effektiven
principal-agent-Verhältnissen, wo rechtlich
Unabhängigkeit besteht u.a. Verbindung von
Repräsentation mit Demokratie
32Übersteuerungmechanismus
- Funktion Sorgt für die starke Führung hinter
den Kulissen oder in Abweichung von formalen
Normen - Beispiel Führung des politischen Systems der DDR
durch die SED - Mechanismus
- Regel Entscheidungen formal zuständiger
Institutionen oder Amtsträger bedürfen der
Bestätigung durch einen Hintergrundakteur
(herrschende Partei oder graue Eminenz,
Pate) - Positionen und Ressourcen
- formaler Akteur entscheidet gemäß formalen
Normen - Hintergrundakteur hat jederzeit
Veto-Möglichkeit, die ihrerseits durch
Antizipation vorauswirkt - Interessen
- formaler Akteur Will seine Aufgaben erfüllen,
ohne sich vom Hintergrundakteur Ärger
einzuhandeln - Hintergrundakteur Will seine Ziele durchsetzen
bisweilen ganz offen, bisweilen ohne erkannt zu
werden - Allgemeine Anwendung Sicherung von erwünschten
realen Machtverhältnissen selbst dann, wenn aus
gleich warum ins Gewicht fallenden Gründen
andere Machtverhältnisse simuliert werden sollen
/ müssen.
33Kommissionsmechanismus
- Funktion Sorgt für das Versickern von
Verantwortung - Beispiel Berufung einer Expertenkommission, wenn
ein politisches Problem akut wird, aber nicht
sofort nach einer Führungsentscheidung verlangt - Mechanismus
- Regel Es ist möglich, Kommissionen zur
Vorbereitung von Entscheidungen zu bilden - Positionen und Ressourcen
- Einberufender Legt Personenkreis,
Beratungsgegenstand und Zeitrahmen für Kommission
fest - Kommissionsmitglieder Können beraten und die
(Zwischen-) Ergebnisse ihrer Beratungen ggf. an
die Öffentlichkeit tragen - Interessen
- Einberufender Kann Handlungserwartungen an ihn
verringern, Zeit gewinnen, Versuchsballons
starten (lassen) und Politikvorschläge vorlegen
lassen, beim Umgang mit welchen ihm eine Reihe
von Handlungsoptionen bleibt - Kommissionsmitglieder Selbstbestätigung,
Einflußmöglichkeit, loyales Mannschaftsspiel - Allgemeine Anwendung Zeitgewinn oder Verwischung
von Verantwortlichkeitsspuren oder Arbeit mit
Testballons
34Institution und Umwelt (Nische)
Leistungsanforderungen, welche die Umwelt
(Nische) einer Institution dieser stellt (
funktionelle Anforderungen)
? Nischenanpassung, d.h. der Nische an die
Institution!
Leistungen, welche die Institution für ihre
Umwelt (Nische) erbringt
? Funktionen
rekursive Wirkung der Funktionserfüllung einer
Institution über ihre Umwelt (Nische) auf die
Bedingungen ihrer Reproduktion
Institution
Selbstsymbolisierung
Hierarchieebenen von Positionen und von
Regeln
formale und informale Regeln, welche Positionen
aufeinander beziehen
Positionen
Elemente institutioneller Mechanismen
Umwelt (Nische) der Institution
Ressourcen, welcher die Institution aus ihrer
Umwelt (Nische) bedarf
gegeben / geformt Wissensbestände und
Kompetenzen (samt ihren Kanonisierungen) bei
den Akteurenund Adressaten der Institution
gegeben / geformt Interessen der Akteureund
Adressaten der Institution
35Umwelt und (ökologische) Nische einer
Institution
- Umwelt alles, was nicht zur Institution A
gehört - Nische jener Teil der Umwelt einer Institution
A, der für die Institution A wichtig ist - finanzielle, personelle, materielle und
informationelle Ressourcen, welche die
Institution A für ihre Existenzsicherung und
Funktionserfüllung benötigt - Personen oder andere Institutionen (Akteure),
die bei der Entscheidung über die Zuteilung
dieser Ressourcen eine Rolle spielen - andere Systeme oder Institutionen, für welche die
Institution A Leistungen erbringt und dafür
Ressourcen erhält - jene Personen oder Institutionen, die mit der
Institution A um gleiche Ressourcen konkurrieren
oder ähnliche Funktionen erfüllen wie die
Institution A. - analytische Folgen
- Die Nische einer Institution ändert sich darum
nicht nur gemeinsam mit Veränderungen der Umwelt,
sondern auch gemeinsam mit Veränderungen im
Funktionsspektrum der Institution A. - Während die Institution A auf ihre Umwelt keinen
nennenswerten Einfluß haben mag, kann sie sehr
wohl nennenswerten Einfluß auf ihre Nische haben
etwa indem sie andere Teile ihrer Umwelt als
bislang durch Modifikation ihrer Leitidee oder
Verlagerung ihres Funktionsspektrums für sich
relevant macht. - Beispiel Ein Unternehmen weicht auf neue
Produkte oder Märkte aus.
36Funktion
Funktionen sind nicht vorgegeben, sondern
entstehen gemeinsam mit einem neuen
System(elementen) zwischen dessen Sub- und
Suprastrukturen !
? Weiteres zu Funktionen
Suprasystem(hier Umwelt, Nische)
System
setzt dem Subsystem Rahmenbedingungen
Funktion eine Leistung, die ein (Sub-) System
für ein (Supra-) System (d.h. für seine Umwelt,
Nische) erbringt
erbringt Leistungen für das Suprasystem (für die
Umwelt, Nische)
Träger der Leistungserbringung Strukturen
? Info
Weise der Leistungserbringung Initiierung
institutioneller Mechanismen
37Arten von Funktionen
Beispiele
manifest
latent
beabsichtigt,leicht erkennbar, in der
Leitidee verankert
(ursprünglich) unbeabsichtigt,nur mit
analytischer Anstrengung erkennbar
instrumentell
wirksam über technische institutionelle
Mechanismen
wirksam über institutionelle Mechanismen der
Kommunikations- und Interpretationsbeeinflussung
symbolisch
38ausgewählte Parlamentsfunktionen Beispiele für
Arten von Funktionen
- manifest Gesetzgebung
- latent Sicherung von Kommunikation zwischen
gesellschaftlicher Peripherie und zentralem
politischen Entscheidungssystem - instrumentell-manifest Wahl der Regierung
- instrumentell-latent Anreiz für Schaffung
organisationsstarker Parteien - symbolisch-manifest Widerspiegelung der im Volk
vorhandenen politischen Ansichten - symbolisch-latent Hervorhebung der Grenzlinie
zwischen vernünftigerweise akzeptablen und
vernünftigerweise nicht akzeptablen politischen
Ansichten
39Multifunktionalität von Strukturen
- dieselbe Struktur erfüllt mehrere Funktionen
- (d.h. erbringt mehrere, verschiedene Leistungen
für ihr umbettendes System) - Beispiele
- Straße dient der Aufnahme sowohl von Verkehr als
auch von Versorgungsleitungen - Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs dient
der Entlastung des Ministers, der politischen
Ausbalancierung einer Regierung und der
Beförderung verdienter Abgeordneter
40funktionale Äquivalente von Strukturen
- verschiedene Strukturen erfüllen die gleiche
Funktion - (d.h. sie erbringen wenn oft auch mit
unterschiedlichen Nebenwirkungen die gleichen
Leistungen für ihr umbettendes System) - Beispiele
- Ein Staatspräsident ist einem König funktional
äquivalent in der Rolle des Staatsoberhaupts - Ein wirksam aufklärender Geheimdienst ist freier
politischer Kommunikation funktional äquivalent
bei der Information der Regierung über die
Volksmeinung
41Institutionelle Mechanismen
- sind verläßlich auslösbare und zielgerichtet
einsetzbare Handlungsketten, die - angeleitet von Interessen
- entlang von Regeln
- beruhend auf Positionen und den mit diesen
verbundenen Ressourcen - in und zwischen Sozialorganisationen zur
Erreichung von Zielen genutzt werden können, - sofern Interessen-, Struktur- und
Verhaltensstabilität für - Erwartungssicherheit
- und verläßlich wirkende Antizipationsschleifen
sorgen.
42Weitere evolutionstheoretische Begriffe zur
Institutionenanalyse
- institutionelle Form jene Regeln (Meme),
welche zu einem normativ spezifischen
strukturellen Arrangement führen - individueller Memotyp das, was an solchen
Regeln / Memen das Verhalten eines kompetenten
Mitglieds der Institution prägt - praktizierte institutionelle Form die auf der
Grundlage (a) jener Regeln, (b) spezifischer
Nischenbedingungen und (c) individueller
Besonderheiten der Institutionsmitglieder
tatsächlich zustande kommende Praxis der
Institution - individueller Phämotyp das, was (a) spezifische
Nischenbedingungen und (b) indviduelle
Besonderheiten auf der Grundlage eines
individuellen Memotyps tatsächlich an Praxen
zeitigen - Fazit
- die institutionelle Form prägt über gelingende
Sozialisationsprozesse die individuellen
Memotypen der Mitglieder dieser Institution - aus dem Zusammenwirken der individuellen
Phämotypen der Mitglieder einer Institution
resultiert deren praktizierte institutionelle
Form
43Die Architektur einer Institution
Institution, d.h. ein verfestigter
Aggregatzustand sozialer Wirklichkeit, der
dauerhaft sein, sich wandeln oder wieder
entfestigen kann.
Systemaufgabe A Aufbau und Sicherung tragfähiger
Strukturen dabei Unten müssen sehr
belastungsfähige grundlegende Regeln und
Positionen bestehen, da ihr Wegbrechen ihren
ganzen Überbau ebenfalls wegbrechen ließe
44Die Architektur einer Institution
Achtung Laut Ethnomethodologie kommen Strukturen
nur auf der Grundlage von kulturellen
Selbstverständlichkeiten (d.h.