Title: Kein Folientitel
1 4. INFORMATIONSBÖRSE SCHIZOPHRENIE
Medizinische Herausforderung Doppeldiagnose Sibyl
le Hornung-Knobel
Ein integriertes Behandlungskonzept auf der
Doppeldiagnose-Station des Bezirkskrankenhauses
Haar
Einführung In der medizinischen Fachwelt ist man
sich einig, dass Patienten mit der Doppeldiagnose
schizophrene Psychose und Suchtmittelkonsum
eine wissenschaft-liche, therapeutische und
gesundheitspolitische Herausforderung
darstellen. Wir sehen unsere Aufgabe als
behandelnde Klinikärzte darin, diese
Herausforderungen therapeutisch-adäquat
umzusetzen. Jeder spezialisierte Nervenfacharzt
ist in der Lage, einerseits einen Suchtkranken
entsprechend zu therapieren, als auch einen
Patienten mit einer Psychose zu behandeln.
Treffen diese beiden Indikationen jedoch
zusammen, ergibt sich eine neue Situation und
dadurch bedingt die genannte therapeutische
Herausforderung.
- Probleme des Doppeldiagnose-Patienten
- Der Doppeldiagnose-Patient gerät in eine
Behandlungslücke, sowohl organisatorisch als auch
inhaltlich. - Organisatorisch dadurch, dass er entweder in
einer Suchtabteilung oder auf einer
allgemeinpsychiatrischen Station aufgenommen
wird und so eine gewisse Ausgrenzung erfährt, da
auf seine Behandlungsbedürfnisse in beiden Fällen
nicht optimal eingegangen - werden kann.
- Inhaltlich durch das Fehlen eines integrativen,
bewältigungsorientierten Konzeptes bzw. durch die
- Tatsache bedingt, dass ein solches integratives
Konzept auf einer reinen Suchtstation oder
allgemeinpsychiatrischen Station nicht
durchführbar ist. - Die Gründe dafür liegen wie allgemein bekannt
in der Tatsache begründet, dass auf einer
Suchtstation in der Regel konfrontativ, Gruppen
orientiert, Abstinenz fordernd und realitätsnah
gearbeitet werden muss und sich eine
Psychosebehandlung an folgenden Kriterien
orientiert Fürsorgliche Ausrichtung, Schutz vor
Überforderung, einzelorientiert, langfristige
Neuroleptika-therapie.
Folgen für den Behandlungsprozess Eine
unzureichende Behandlung eines Patienten mit
Komorbidität oder eine suboptimale Therapie
führen dazu, dass der Behandlungsprozess sich
erheblich verlängert, die medizinische und
psychotherapeutische Betreuung erschwert ist und
das therapeutische Team in nicht unerheblichem
Maße belastet wird, was dann im Sinne einer
negativen, sich verstärkenden Rückkopplung dazu
führt, dass der Patient sich noch stärker
ausgegrenzt fühlt, die Suchtmittelrückfälle
signifikant zunehmen, das therapeutische Setting
sich dadurch verschlechtert und somit eine
erneute Belastung für das multiprofessionelle
Team entsteht. Selbstverständlich häufen sich
dann auch Therapieabbrüche mit oft keiner
Remission der psychotischen Symptomatik.
Integrierter Ansatz
Die wichtigsten Merkmale dieses integrierten
Ansatzes sind
Niederschwelliges Konzept mit besonderer
Berücksichtigung der geringen Abstinenz- und
Therapiemotivation
Individuelle Behandlung (Flexibilität des
Programms)
Abstinenz- orientierung
Verknüpfung von sucht- und psychosespezifischen
Behandlungsstrategien
Behandlung beider Erkrankungen durch ein Team
Seit 1997 wird dieses integrierte
Behandlungskonzept auf der Doppeldiagnose-Station
des Bezirkskrankenhauses Haar angeboten. Ziel der
therapeutischen Interventionen ist es, den
Patienten zu bewegen, mit beiden Erkrankungen
konstruktiv und Rückfall verhütend umzugehen.
Kurzfristig zur Schadensbegrenzung und
längerfristig, um mehr Lebensqualität und
psychische Stabilität zu entwickeln. Wie auch bei
anderen Spezialkliniken für Doppeldiagnose-Patient
en ist das psychotherapeutische Programm auf der
Doppeldiagnose-Station des Bezirkskrankenhauses
Haar verhaltens- und soziotherapeutisch
ausgerichtet. Die Basis, die alle
Behandlungselemente trägt, ist jedoch die
Milieutherapie, die durch Empathie, Transparenz
und engagierte Gelassenheit gekennzeichnet sein
sollte.
- Gruppentherapie
- Gruppentherapeutische Angebote sind
- Verbesserung sozialer Kompetenzen
- Erarbeitung von Stressbewältigungsmechanismen
- Copingstrategien bzgl. Sucht und Psychose
- Verminderung der dysfunktionalen Kognition
- Eine weitere wichtige Säule ist das
Abstinenzmilieu mit der Suchtmittel bezogenen
Rückfallprävention, die auf der Basis der
motivierenden Gesprächsführung erfolgt
(5-stufiges Motivationsmodell zur Abstinenz nach
Prochaska und Diclemente, 1992).
Weitere Behandlungsmodule Weitere wichtige
Module sind kognitives Training und
Gruppenstunden, die die Bereiche Wohnung/Arbeit
und Freizeit thematisieren. Dies ist besonders
wichtig, da gerade hier psychosoziale Probleme
entstehen und Defizite bestehen.
Pharmakotherapie Die psychopharmakologische
Behandlung ist deswegen bedeutsam, da besonders
bei den komorbiden Patienten die
Medikamenten-Compliance ausgesprochen mangelhaft
ist und eine medikamentenwirkungsreiche
Neuroleptika-Medikation die Noncompliance noch
weiter verstärkt. Recht früh in die Behandlung
sollten die Familienangehörigen einbezogen
werden, die ebenfalls durch die entsprechende
spezielle Psychoedukation Psychose und Sucht
geschult werden sollten.
Psychoedukation Auch die Psychoedukation geht
auf die Besonderheiten der Doppeldiagnose-Patiente
n ein. Auf der Doppeldiagnose-Station wird eine
spezielle modifizierte Psychoedukation, die sog.
I-M-S-Gruppe durchgeführt (Information-Motivation-
Skill-Gruppen).
Erfolge Das integrierte Behandlungskonzept mit
u.a. Schwerpunkten in der Optimierung der
medikamentösen Therapie, der Psychoedukation und
Intensivierung einer ambulanten Betreuung zeigt
bei Patienten mit der Diagnose Psychose und
Sucht eine durchaus beeindruckende
Erfolgsbilanz. So konnte eine Reduktion von
Konsummengen (Drake et al., 1993) weniger
Hospitalisierungen (Godley) und niedrige
Drop-out-Raten (Bartels et al., 1995)
festgestellt werden.