Title: Birgit Sauer
1VO Geschlecht und PolitikSitzung
3Intersektionalität, queer und postcolonial
studies
2Gliederung
- Gender trouble
- queer studies
- Begriff und Geschichte des Konzepts
Intersektionalität - Neues oder altes Konzept Whats new?
- Konzeptualisierung der Intersektion
- 5.1 Zentrale Fragen und Konflikte 5.2
Intersektionalität denken - 6. Diversität, Diversitätspolitik, Diversity
Management - 7. Postkoloniale Perspektiven auf
Intersektionalität
31. Gender trouble
- Gender trouble von Judith Butler 1989
- Dekonstruktion und Verkomplizierung von
Geschlecht, d.h. - Infragestellung der Polarisierung von Geschlecht,
also der Zweigeschlechtlichkeit - gt Re-Dimensionierung von Geschlecht in den
1990er Jahren
41. Gender trouble
- Dimensionen von Geschlecht
- Geschlechtsidentität/Identifikation und
Geschlechterstruktur - Unterscheidung von
- biologischem Geschlecht (sex)
- sozialem Geschlecht (gender)
- keine natürliche Verbindung von sex und gender
- Einsatz Judith Butlers
- Auflösung der als natürlich gedachten
Materialität vonsex gt
51. Gender trouble
- Auch der Körper, die Biologie, das was als
natürlich angesehen wird und intelligibel
gemacht wird, ist ein kulturelles Konstrukt
62. Queer studies
- Konzeptualisierung der sexuellen Orientierung
als wissenschaftliche, historische Kategorie - Kritik der natürlichen Verbindung von
Geschlecht und sexueller Orientierung gt Kritik
der Heteronormativität - Kritik der Verwerfung des sexuell Anderen in
der Moderne (Butler)
73. Begriff und Geschichte des Konzepts
Intersektionalität
- Kimberé Crenshaw (1989) (US-amerikanische
Juristin) - Metapher der Kreuzung/Überkreuzung
(intersection) von verschiedenen
Diskriminierungs- und Ungleichheitsachsen - Race, class, gender als klassische Trilogie
von UngleichheitsachsenReisen des Konzepts in
die Welt/deutschsprachigen Raum Problematik des
Begriffs race - Multidimensionale Positionierungen der Menschen
geraten in den Blick (Religion, Alter,
Mutter-/Vaterschaft, Ehestand, sexuelle
Orientierung, körperliche/geistige Fähigkeiten
etc.)
84. Altes oder neues Konzept Whats new?
- Lange Diskussion um die Intersektion von
Geschlecht und Klasse in der deutschsprachigen
Diskussion seit dem 19. Jahrhundert - Kritik der dual-system-Theorie des
marxistischen Feminismus (Heidi Hartmann) - Kapitalismus und Patriarchat sind zwei getrennte
Unterdrückungssysteme, die sich irgendwie
gegenseitig verstärken - Folge des irgendwie Geschlecht als
Nebenwiderspruch
94. Altes oder neues Konzept Whats new?
- Erkenntnisgewinn der derzeitigen Debatte?
- gt Nicht nur die Existenz unterschiedlicher
Diskriminierungslinien anerkennen, sondern
systematische Frage nach dem Zusammenhang der
Unterschiede
104. Altes oder neues Konzept Whats new?
- Was ist das Neue an Intersektionalität?
- Wissenschaft
- Keine isolierte Geschlechteranalyse (ebenso wenig
wie Klassenanalyse) - Politik
- Differenzen zwischen Frauen wahrnehmen um für
alle Frauen emanzipative Strategien entwickeln zu
können - gt Frage nach politischen Bündnissen
115. Konzeptualisierung der Intersektion
- 5.1 Zentrale Fragen und Konflikte Wie
arbeitet/funktioniert Intersektionalität? - Verstärkung von Diskriminierung und Ungleichheit
(double/triple jeopardy), Einfach- oder
Mehrfachdiskriminierung - Privilegierung spezifischer (Frauen-)Gruppen
(weiße Frauen) - Addition oder Multiplizierung von
Diskriminierungsstrukturen (Klasse Geschlecht
Ethnizität)? - gt Kritik Unzulänglichkeit arithmetischer
Ansätze (Braukje Prins)
125. Konzeptualisierung der Intersektion
- 5.1 Zentrale Fragen und Konflikte
- Schwerpunkt auf Identitätsbildung oder
Schwerpunkt auf Strukturen der Ungleichheit? - Kritik am Intersektionalitätsansatz (Axeli
Knapp/Cornelia Klinger) - nur an Identitätsbildung/individuellem Handeln
orientiert - Vernachlässigung der Strukturen von
Diskriminierung - Gibt es wichtige und weniger wichtige
Differenzen? gt - Ist Geschlecht wichtiger als Nationalität oder
sexuelle Orientierung? - Oder ist Klasse wichtige als Geschlecht (alte
Frontlinie in der deutschsprachigen Debatte)?
135. Konzeptualisierung der Intersektion
- 5.1 Zentrale Fragen und Konflikte
- Gibt es ein Raster strukturierter
Ungleichheit/eine Ursache von Diskriminierung
(Knapp/Klinger), die alle Ungleichheiten
strukturiert (z.B. Arbeit/Arbeitsteilung zwischen
den Geschlechtern/Patriarchat, internationale
Arbeitsteilung? Biologie/Körper?
Geld/Kapitalismus?) - gt Konsens in der Forschung
- Es existiert kein universeller Mechanismus der
Unterdrückung, der alle Ungleichheitsachsen
bewegt/antreibt. - Die Ungleichheitsdimensionen haben je eigene
Ursachen und je eigene Begründungsmuster
(Yuval-Davis)
145. Konzeptualisierung der Intersektion
- Die Ungleichheitsdimensionen/-achsen sind nicht
je aufeinander reduzierbar, also auch nicht
hierarchisierbar - gt
- Schnittstelle/Intersektion ist komplex und
diskursiv konstruiert, zeit- und raumabhängig
155. Konzeptualisierung der Intersektion
- 5.2 Intersektionalität denken
- a. Differenzierung von Leslie McCall
- Interkategorial
- Überschneidung von verschiedenen
Ungleichheitsachsen wird nur für eine Kategorie
untersucht, z.B. weiße Frau an der Schnittstelle
zu Religion, Sexualität, Alter, Klasse
165.2 Intersektionalität denken
- intrakategorial
- Komplexität aller Überschneidungen in den Blick
nehmen Intersektion zwischen Kategorien und
innerhalb von Kategorien - Antikategorial
- dekonstruktivistischer Intersektionalitätsansat
z - radikale Kategorienkritik/Kritik
Dekonstruktion von Kategorien wie Geschlecht,
Ethnizität
175.2 Intersektionalität denken
- b. Konzept der Interdependenz (Katharina
Walgenbach et al.) -
- Struktur wird nicht als Achse, die sich an einem
Punkt kreuzen gedacht, sondern Struktur wird als
Prozess, Praxis, Diskurs gedacht - Geschlecht, Ethnizität, Klasse etc. sind keine
feststehenden Strukturen, sondern unfixierte
Machtformen, die diskursiv und performativ
hergestellt werden Überkreuzung geschieht in
dieser Herstellung (Walgenbach)
185.2 Intersektionalität denken
- c. gleichursprüngliche Entstehung von
Geschlecht und Ethnizität - gt Kategorien können nicht mehr bipolar gedacht
werden, z.B. nicht mehr Man/Frau, Weiß/schwarz - Beispiele
- Die Entstehung von Zweigeschlechtlichkeit kann
historisch nicht ohne die Herausbildung von
Heteronormativität gedacht werden - Die Entstehung von Klassen kann im 19.
Jahrhundert nicht ohne die Herausbildung von
Ethnizität/Nationalität verstanden werden
195.2 Intersektionalität denken
- d. Diskursorientiertes, materialistisches Konzept
von Intersektionalität - Konstitution und Interdependenz von Differenz und
Ungleichheit sind Ergebnisse von sozialen und
politischen Prozessen und Auseinandersetzungen
(B. Sauer/S. Wöhl) gt - Interdependente Ungleichheitsstrukturen und
Kräfteverhältnisse, die sich im Staat
verdichten, also verknüpft und wahrnehmbar (
wichtig) werden gt - Konzept der Subjektivierungsweisen (Foucault,
Butler) - (Ungleichheits-)Strukturen sind soziale
Positionen und Effekte von Verhaltensweisen/Praxen
205.2 Intersektionalität denken
- Analyse von Intersektionalität erfordert
Strukturanalyse, um Macht- und Herrschaftsaspekte
in den Blick zu bekommen (keine Auflösung in
Performativität), z.B. Laurel Weldon Patricia
Hill Collins (matrix of domination) - e. Intersektionalität ist ein konstitutiver
Prozess, an dem Individuen beteiligt sind und an
dem Subjektivität hergestellt wird - gt doing intersectionality (Staunaes)
- Strukturen werden flexibel verkoppelt gt
- Überdeterminierung der Verkoppelungen
- gt Freiheitsgewinne möglich
216. Diversität, Diversitätspolitik, Diversity
Management
- Das semantische Begriffsfeld
- Differenz, Unterschiedlichkeit, Heterogenität
(Tatsachenbeschreibung/Tatsachenfeststellung), - Ungleichheit, Hierarchie (negative Konnotation,
etwas, das beseitigt werden soll) - Diversität (positive Konnotation gt Potenzial),
Diversity ist die systematische
Auseinandersetzung mit Heterogenität.
226. Diversität, Diversitätspolitik, Diversity
Management
- Zwei Entstehungszusammenhänge des Konzepts
- Management Begriff Diversity und Diversity
Management entstanden Ende der 1990er Jahre in
den USA als Konzept der Unternehmensführung - Anti-Diskriminierungs-Richtlinien der EU seit
2000 big six gt Ziel Diskriminierungsschutz
am Arbeitsmarkt und beim Zugang zu Gütern und
Dienstleistungen
236. Diversität, Diversitätspolitik, Diversity
Management
- Kriterien zur Einordnung von Diversitätspolitik
- a. regulierend (z.B. Maßnahmen zur Förderung
bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, aber auch
Diskriminierungs- und Privilegierungsverbote)
oder - b. (re)distributiv (umverteilend), z.B.
Sozialpolitik. - c. hierarchisch, das heißt etwas per Gesetzvon
oben regeln (Verbote-Gebote) (hard law), oder - d. selbst-steuernd Governance, also
Selbstverpflichtung von betroffenen/beteiligten
Organisationen (soft-law, also ohne staatliche
Sanktionen)
246. Diversität, Diversitätspolitik, Diversity
Management
- Kritik eine Politik der Differenz/Diversity-Politi
cs - Fokus auf multiple Diskriminierungsstrukturen
entsorgt Geschlecht als ein alle Gesellschaften
strukturierendes Dominanzverhältnis, sidelining
von Geschlecht (Ohms/Schenk) - Diversität als neue Regierungsrationalität des
Managements von Ungleichheit bei gleichzeitiger
Reproduktion von (sozialer) Ungleichheit,
neoliberale Pluralisierung - Marketing-Strategie, lediglich rhetorische
Modernisierung ohne nachhaltige Effekte der
Gleichstellung und Anti-Diskriminierung,
Legitimationsfassade - Problem der Stigmatiserung durch
Diversity-Management Frauen, Alte als Problem,
aber auch von Frauen werden bestimmte
Fähigkeiten erwartet, die den wirtschaftlichen
Erfolg von Diversity Management ausmachen, z.B.
Emotionalität
257. Postkoloniale Perspektiven der
Intersektionalität
- Kritische Weißseinsforschung/critical whiteness
studies - Kritik Black feminism an der weißen
Frauenbewegung - gegen Hegemonie des weißen Feminismus
- Kritik an den Begriffen des weißen Feminismus
(Hazel Carby 1982), z.B. Familie - Perspektivenwechsel weg von den armen schwarzen
Frauen - weiße Privilegien vergegenwärtigen (Ann Russo
1991, Ruth Frankenberg 1997)
267. Postkoloniale Perspektiven auf
Intersektionalität
- 2. Postkoloniale Kritik
- Kritik des Euro-/Ethnozentrismus des
US-amerikanischen und europäischen Feminismus - Chandra Talpade Mohanty (Under western eyes,
1984) - reduktionistische, viktimisierende Sicht der
Dritte-Welt-Frauen - Satt dessen Beachtung lokaler Spezifika und
Differenzen von Frauen - Beachtung verwobener Machtverhältnisse
(antikapitalistische, transnationale,
feministische Sicht) - epistemisches Privileg für marginalisierte Frauen
(Frauen des Südens als Avantgarde des Feminismus)
277. Postkoloniale Perspektiven auf
Intersektionalität
- Gayatri Chakravorty Spivak (Can the subaltern
speak?, 1996) - kritisiert romantisierenden Blick auf
Dritte-Welt-Frauen - Subalterne sind keine homogene Gruppe (können
nicht für sich/alle sprechen und sie werden
nicht gehört) - gt Kritik von Repräsentationspolitik
- Aber Strategischer Essentialismus
287. Postkoloniale Perspektiven auf
Intersektionalität
- 3. Kritik des Okzidentalismus
- Perspektivenwechsel weg vom Orientalismus (Edward
Said) - Kritik der Konstruktion eines Wir
- Kritik einer okzidentalistischen Dividende
(Gabriele Dietze) - Kritik eines okzidentalistischen
Geschlechterpakts (Gabriele Dietze)