Title: Kritik am Konzept Pol. Kultur Gliederung
1Kritik am Konzept Pol. KulturGliederung
- Inhaltliche Kritik
- - Normative Implikationen
- - Definition von Politischer Kultur
- - Typologie
- Formale Kritik
- - Aggregation der empirischen Daten
- - messtheoretische Probleme
- Karl Rohe
- Politische Kulturforschung untersucht die
Einstellungen - im Sinne von Almond Verba -
zugrunde liegenden Wahrnehmungsmuster und
Beurteilungsmaßstäbe.
2Kritik am Konzept Pol. KulturGliederung
3Kritik am Konzept Pol. KulturVorwurf impliziter
Wertung
- Normativer Bias
- Hinter den Schlagwörtern Ethnozentrismus oder
Ideologieverdacht steckt der Vorwurf einer
Verherrlichung der anglo-amerikanischen
Politischen Kultur. - Konservativer Bias
- Insofern die Theorie der Systemstabilität
verpflichtet und partizipationsskeptisch ist,
wurde ihr ebenfalls Konservativismus vorgeworfen
(Reichel). - ? Einwand Systemtheorie, keine normative
Besetzung - Vernachlässigung von Heterogenität
- - Zentrierung auf weißen, männlichen Mittelstand
- - Vernachlässigung von Farbigen, Frauen,
ethnischen, klassenspezifischen und - regionalen Merkmalen (Pateman, Lijphart)
- - notwendige Reproduktion überholter
Nationalcharakterstereotype - ? Einwand dominante Ordnungsmuster
4Kritik am Konzept Pol. KulturDefinition
- Definition von Politischer Kultur
- The political culture of a nation is the
particular distribution of patterns of
orientation toward political objects among the
members of the nation. - Almond, Gabriel/Verba, Sidney The Civic
Culture. Boston 1963. Seite 14f. - Kritik
- - Zu enges Verständnis von konkreten
Orientierungen. Abstrahierend sollten - Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster der
politischen Welt untersucht werden - (Rohe).
- - die so genannte new cultural theory
berücksichtigt darüber hinaus auch - Verhalten, soziostrukturelle Merkmale,
Institutionen und Situationen (Matjan). - ? Einwand catch-all-Problem
5Kritik am Konzept Pol. KulturTypologie
- Kernproblem
- Die Kernproblematik der etablierten
Politischen-Kultur-Forschung liegt in der Frage,
welche politischen Einstellungen denn konkret
eine oder die politische Kultur ausmachen. - Kaase, Max Sinn oder Unsinn des Konzepts
Politische Kultur für die Vergleichende
Politikforschung. In Kaase, Klingemann Wahlen
und politisches System. Opladen 1983 144-171.
Seite 157. - Fehlen einer Theorie der politischen Kultur
- Damit wird es nahezu beliebig, welche Elemente
individueller Überzeugungs-systeme als
konstitutiv für eine nationale oder subnationale
politische Kultur herangezogen werden. - ? da Almond/Verba keinerlei theoretisch
begründete Aussagen über - den Prozess der Typologiebildung und den
verwendeten Reduk- - tionsalgorithmus machen, entbehrt ihre
Typologie jeglicher - Plausibilität.
6Kritik am Konzept Pol. KulturFazit der
inhaltlichen Kritik
- Das Pudding-Problem
- Das Problem der inhaltlichen Unbestimmtheit
dessen, was zentrale Elemente der politischen
Kultur ausmachen soll, ist neben den
messtechnischen Problemen der schwerwiegendste
Einwand gegen die analytische Fruchtbarkeit des
Ansatzes. - Kaase, Max Sinn oder Unsinn des Konzepts
Politische Kultur für die Vergleichende
Politikforschung. In Kaase, Klingemann Wahlen
und politisches System. Opladen 1983 144-171.
Seite 161.
7Kritik am Konzept Pol. KulturGliederung
8Kritik am Konzept Pol. Kulturzentrale Hypothese
- Grundgedanke der Civic Culture
- Die subjektive Dimension von Politik kann einen
eigenständigen Erklärungsbeitrag für Prozesse der
Kontinuität und der Veränderung politischer
Systeme leisten. - Kaase, Max Sinn oder Unsinn des Konzepts
Politische Kultur für die Vergleichende
Politikforschung. In Kaase, Klingemann Wahlen
und politisches System. Opladen 1983 144-171.
Seite 153. - Bewertung
- Auch wenn die Arbeit heutigen methodischen
Standards bei Weitem nicht genügt, ist ihr
Grundgedanke doch plausibel und in anderen
Arbeiten hinreichend bewiesen. - ? Dies mag als Grund für die anhaltende
Beliebtheit des Konzeptes - trotz erheblicher methodischer Mängel
angesehen werden.
9Kritik am Konzept Pol. KulturErklärungsmodell
- Abhängige Variable
- The dependent variable is the stability and
effectiveness of democratic government. - Lijphart, Arend The Structure of Inference. In
Almond, Verba The Civic Culture revisited. - Bosten 1980 37-56. Seite 37.
- Unabhängige Variablen
- This is a study of the political culture of
democracy and of the social structures and
processes that sustain it. - Almond, Gabriel/Verba, Sidney The Civic
Culture. Boston 1963. Seite 3.
10Kritik am Konzept Pol. KulturErklärungsmodell
Aus Lijphart, Arend The Structure of Inference.
Seite 37f.
11Kritik am Konzept Pol. KulturKonzeptionalisierung
- Definition von Politischer Kultur
- The political culture of a nation is the
particular distribution of patterns of
orientation toward political objects among the
members of the nation. - Almond, Gabriel/Verba, Sidney The Civic
Culture. Boston 1963. Seite 14f. - Operationalisierung
- - Die ind. Orientierungen wurden mit den Mitteln
der Umfrageforschung ermittelt. - - Durch die Aggregationsregel one man one vote
wurde daraus auf die - Politische Kultur des betreffenden Landes
geschlossen.
12Kritik am Konzept Pol. KulturKritik der
Konzeptionalisierung
- Probleme
- Angemessenheit der Def. Politischer Kultur
- ? Verhalten
- ? Dimensionen
- Angemessenheit der Operationalisierung
- ? Institutionelle
- Einflüsse
- ? Interaktions-
- prozess mit PK
13Kritik am Konzept Pol. KulturProzessmodell
- Untersuchungsebenen
- - Insofern Politische Kultur Aussagen über
Nationen macht, ist sie als - Makrophänomen anzusehen.
- - Die Messung findet nach der Aggregationsregel
one man one vote auf der - Mikroebene statt.
14Kritik am Konzept Pol. KulturProzessmodell
- Sozialisation
- Die Beeinflussung des Individuums durch
Sozialisationsprozesse ist unkontrovers und bei
Almond/Verba hinreichend berücksichtigt. - one man one vote
- - wird von Almond/Verba ohne theoretische
Begründung angenommen - - Problem des individualistischen Fehlschlusses
(Scheuch) - - zirkuläre Argumentation (Lijphart)
- ? durch komplexeres Prozessmodell zu ersetzen
Einfluss von - Institution als Grenze ind.
Handlungsspielraums
15Kritik am Konzept Pol. KulturProzessmodell
- Komplexeres Prozessmodell
- Dennoch erscheint es für eine Strukturanalyse
von Gesellschaft sinnvoll, die Dimensionen von
Kultur als geronnenen Wert- und
Überzeugungssystemen, Individuen als Trägern von
Handlungen, und Institutionen als organisatorisch
und normativ verfestigten Handlungskodifizierungen
, systematisch zu trennen. - Kaase, Max Sinn oder Unsinn des Konzepts
Politische Kultur für die Vergleichende
Politikforschung. In Kaase, Klingemann Wahlen
und politisches System. Opladen 1983 144-171.
Seite 156.
16Kritik am Konzept Pol. KulturMesstheoretische
Probleme
- Verzerrende Kontexteffekte
- Die unterschiedliche Häufigkeit von
Unterhaltungen über Politik wurde auf die
unterschiedlichen Politischen Kulturen, statt auf
den Politisierungsgrad der Länder im Hinblick auf
die zeitliche Nähe von Wahlen, zurückgeführt. - Nationalstaaten als Träger von politischer
Kultur - - internationale Verflechtung
- - innergesellschaftliche Verteilung der
Orientierungen/Partizipation - (Einkommen Geschlecht, siehe Pateman
Subkulturen, Institutionen)
17Kritik am Konzept Pol. KulturGliederung
- Karl Rohe
- Politische Kulturforschung untersucht die
Einstellungen - im Sinne von Almond Verba -
zugrunde liegenden Wahrnehmungsmuster und
Beurteilungsmaßstäbe.
18Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe -
Literatur
- Politische Kultur und der kulturelle Aspekt von
politischer Wirklichkeit. In Sonderheft 18 der
PVS Politische Kultur in Deutschland. Opladen
1987 39-48. - Politische Kultur Zum Verständnis eines
theoretischen Konzepts. In Niedermayer, von
Beyme Politische Kultur in Ost- und
Westdeutschland. Opladen 1996 1-21.
19Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe
Definition
- Definition von Politischer Kultur
- In einer ersten Annäherung sollen unter
politischer Kultur die für eine soziale Gruppe
maßgebenden Grundannahmen über die politische
Welt und damit verknüpfte operative Ideen
verstanden werden, soweit sie sich mental
und/oder habituell auskristallisiert haben.
(1996, 1) -
- Politische Kultur besteht aus einem Muster von
Vorstellungen und nicht von Einstellungen - In jedem Fall gilt, dass politische
Kulturforschung im hier verstandenen Sinn nicht
nach Einstellungen gegenüber konkreten
politischen Regimen zu fragen hat, sondern nach
den Wahrnehmungsmustern und Beurteilungsmaßstäben,
die solchen Einstellungen zugrunde liegen.
(1996, 1)
20Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe -
Kulturwandel
- Maßstäbe und Kategorien
- Einstellungswandel ist mithin nicht
gleichbedeutend mit Kulturwandel. Von einem
politisch-kulturellen Wandel kann nur dann
gesprochen werden, wenn sich die Maßstäbe und
Kategorien gewandelt haben und nicht automatisch
schon dann, wenn sich die Einstellungen gegenüber
einem politischen Regime, geschweige denn
gegenüber einer Regierung, verändern. (1996, 2) -
- Operative Ideen
- Mit bestimmten Grundannahmen über die
politische Welt sind nicht zufällig auch eine
Reihe mehr instrumentell zu verstehender
operativer Ideen verbunden, also ein zu Denk- und
Handlungskonventionen geronnenes Wissen darüber,
wie Probleme angegangen werden, welche Antworten
sich in der Vergangenheit bewährt haben und
welche nicht und wie man öffentlich auftreten
muss, wenn man politische erfolgreich sein will.
Auch solche operativen Ideen sind ein
konstitutiver Bestandteil von politischer
Kultur. (1996, 2)
21Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe Kritik
an Almond/Verba
- Grundannahme Politischer Kulturforschung
- Stillschweigende Annahme aller politischen
Kulturforschung ist, dass jene Phänomene, die
unter der Rubrik politische Kultur versammelt
werden, für das politische Leben eines sozialen
Verbandes irgendwie von Bedeutung sind. - (1996, 4)
- ? ungeschriebene Verfassung einer Gesellschaft
- ? sozialer Verpflichtungscharakter (informelle
Sanktionierung) -
- Politische Kultur ist ein überindividuelles
Phänomen - Da ist zunächst das Problem, dass Kultur,
ebenso wie Sprache, sinnvoller Weise nicht als
bloß individuelles, sondern nur als ein soziales
Phänomen begriffen werden kann, auch wenn sie
ohne Individuen als Träger nicht existieren
könnte. In der Unfrageforschung werden jedoch die
Einstellungen von Individuen abgefragt. (1996, 4)
22Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe Kritik
an Almond/Verba
- Abfragbarkeit von Politischer Kultur
- Ein weiteres Problem besteht darin, dass gerade
der harte Kern von Politischer Kultur aus
Selbstverständlichkeiten besteht, die dem
Einzelnen oft gar nicht bewusst sind, bestenfalls
halb bewusst sind und deshalb auch nicht einfach
abgefragt werden können. (1996, 4) -
- Historische Genese von Politischer Kultur
- Vergleiche in der politischen Kulturforschung
sollten darüber hinaus nach Möglichkeit stets
auch eine diachrone Perspektive enthalten, auch
deshalb, weil ohne einen Vergleich in der Zeit
gar nicht geklärt werden kann, ob es sich bei den
erfassten Orientierungen um relativ
situationsgebundene Auffassungen handelt, oder
aber um langfristige und historisch tief
gestaffelte Überzeugungen und Praktiken. (1996,
5) - ? Unzulänglichkeit des Instrumentariums der
Umfrageforschung
23Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe
Orientierungsdimensionen
- Grundlegende Übereinstimmung mit der
Unterscheidung von kognitiver und evaluativer
Dimension - Es besteht wenig Anlass, die Unterscheidung von
kognitiven und evaluativen Orientierungen in
Frage zu stellen. (1996, 5) -
- Kritik an affektiver Dimension
- Die zentrale Frage, die auf dieser Ebene zu
stellen ist, ist nicht die nach dem Vorhandensein
oder nicht Vorhandensein von affektiven
Systembindungen. Ausgangsfrage muss vielmehr
sein, ob und in welchem Maße die auf der
kognitiven und evaluativen Ebene gespeicherten
Maßstäbe und Werte einer politischen Kultur
affektiv verankert sind oder nicht. (1996, 6) - ? Ebenenproblem bei Almond/Verba
24Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe
Orientierungsdimensionen
- Berücksichtigung einer ästhetischen Dimension
- Auf gleicher Ebene anzusiedeln wären dagegen
ästhetische Maßstäbe und Prinzipien, die in der
politischen Kulturforschung bislang stark
vernachlässigt worden sind. (1996, 6) -
- Erweiterung der Definition Politischer Kultur
- Für die Konzeptualisierung von politischer
Kultur heißt das, dass sie stets in ihrem
subjektiven und objektiven Doppelcharakter, dass
sie als Ideensystem und gleichzeitig als Zeichen-
und Symbolsystem gesehen werden muss. (1996, 7) -
- Operationalisierung
- - kognitive und evaluative Dimension (subjektiv)
? Umfrageforschung - - Zeichen- und Symbolsystem (objektiv) ? ??
25Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe
Zeichen- und Symbolanalyse
- Grundannahme
- Jedenfalls ist eine politische Kultur auf die
regelmäßige Erneuerung und Verlebendigung des in
ihr gespeicherten politischen Sinns angewiesen,
wenn sie nicht Gefahr laufen will, dass ihre
sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichen nicht
mehr verstanden werden und ihre Rituale zu leeren
Formen erstarren. (1996, 8) - ? Funktion der ästhetischen Dimension
- Zeichen und Symbole
- Anders formuliert heißt das, dass sie
kulturelle Regeln auf zeichenhafte
Verdeutlichung angewiesen sind und immer wieder
durch Wort, Bild, Schrift und Tat in Erinnerung
gerufen werden müssen. Das kann in sehr
unterschiedlicher Weise geschehen, über
historische Mythen, Standbilder, Rituale, Fahnen
und Feiern. Im Grunde kann alles zu einem
politischen Symbol werden. (1996, 7)
26Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe Arten
politischer Kultur
- Politische Deutungskultur
- Politische Deutungskultur ist gleichsam eine
Kultur der Kultur, eine Metakultur, deren
Funktion nicht zuletzt auch darin besteht, die
auf der Ebene der Soziokultur gespeicherten, mehr
oder minder unbewussten Denk-, Rede- und
Handlungs-gewohnheiten zu thematisieren. (1996,
8) - Politische Soziokultur
- Politische Soziokulturen sind zwar niemals nur
das Kunstprodukt intellektueller Interpreten und
Designer, oder das Ergebnis von gezielten
Sozialisations-bemühungen eines politischen
Systems, sondern das kollektive Ergebnis von
Prozessen, an denen viele mitgewirkt haben.
(1996, 8f.)
27Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe
Prozessmodell
28Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe
Typologie
- Problem
- Gesellschaften unterscheiden sich hinsichtlich
der Funktion ihrer politischen Kultur. - ? Typologiebildung anhand der Funktion von
Politischer Kultur - Idealtypen
- 1) handlungsnormierende Kultur Sinnstiftung
durch Gewohnheiten - 2) organisationslegitimierende Kultur
ideologische Sinnstiftung
29Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe
Typologie
- Annahme
- Die beiden Idealtypen unterscheiden sich in je
spezifischen - - kognitiven Grundannahmen über die Welt
- - normativen Grundannahmen
- - politischen Praktiken
- - politischen Deutungskulturen
- Konsequenz
- Wenn diese Annahmen zutreffen, dann heißt das
zugleich, dass die Methoden und Instrumentarien,
die zur Analyse von politischer Kultur verwandt
werden, je nach vorherrschenden Typus von
politischer Kultur unterschiedlich greifen. Sie
bedürfen deshalb der Historisierung und einer
typologisierenden Gegenstands-reflexion. (1996,
13)
30Kritik am Konzept Pol. KulturKarl Rohe Fazit
- Vorteil
- Die größere Komplexität des Erklärungsmodells
ermöglicht eine plausible Modellierung des
Prozessmodells.
- Nachteil
- Die gegen unendlich gehende Merkmalsmenge im
Rahmen der Zeichen- und Symbolanalyse macht eine
Operationalisierung des Modells nahezu unmöglich. - ? catch-all-Problem