Title: Energie-Grundlagen
1Energie-Grundlagen
Sonntagsvorlesung der Physikalischen Institute am
27. November 2005 Prof. Dr. Dieter Freude, Dr.
Jens Gabke und Axel Märcker
2Was ist Energie?
3Energie im Altertum
- Aristoteles lebte 384-322 v. Chr. Den Begriff
"Enérgeia", zu deutsch "Wirksamkeit" verwendete
er als - Wirkkraft, durch die Mögliches in Seiendes
übergeht. - Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts ist
"Energie" im Conversationslexikon (Leipzig, 9.
Auflage 1844) nicht zu finden.
4Wissenschaftliche Fundierung in der Neuzeit
- Gottfried Wilhelm von Leibniz (1646-1716), der
berühmte Student der Universität Leipzig, hat
bereits 1686 Vorstellungen entwickelt, die
unseren heutigen Begriffen von kinetischer und
potenzieller mechanischer Energie weitgehend
entsprechen. - Das Wort "Energie" verwendete er aber nicht.
5Der Energiesatz
Julius Robert von Mayer (1814-1878)
James Prescott Joule (1818-1889)
Hermann von Helmholtz (1821-1894)
- Energie kann nicht erzeugt, sondern nur von der
einen Form in die andere umgewandelt werden.
Diese Erkenntnis etablierten in den Jahren
1842-1847 (mit Gebrauch des Wortes "lebendige
Kraft" für das was erst zehn Jahre danach als
Energie bezeichnet wurde) die WissenschaftlerJuli
us Robert von Mayer, James Prescott Joule und
Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz.
6Einführung des Begriffs "Energie"
Thomas Young (1773-1829) Lord Kelvin
(1824-1907) William J. M. Rankine
(1820-1872)
- Thomas Young hat 1800 erstmals das Wort "Energie"
in der Physik verwendet. Die Einführung des für
alle Bereiche der Physik gültigen Begriffs
"Energie" erfolgte 1851-1852 durch William
Thomson (Lord Kelvin) und William J. M. Rankine.
Thomas Young wurde eher dadurch bekannt, dass er
durch Interferenzversuche mittels Beugung am
Spalt die noch heute gültigen Auffassungen über
die Wellennatur des Lichtes begründet hat.
7Energie um 1900
- Im Brockhaus-Konversations-Lexikon von 1898 gibt
es schon eine halbe Seite über "Energie", die so
beginnt
Im 1893 gedruckten Lehrbuch "Chemische Energie"
von Wilhelm Ostwald (Bilder rechts) werden die
Formen der Energie in fünf Gruppen eingeteilt
- Mechanische Energie,
- Wärme,
- Elektrische und magnetische Energie,
- Chemische und innere Energie,
- Strahlende Energie.
8Einsteins Äquivalenz von Energie und Masse
- Bewegt sich ein Körper, der im Ruhezustand die
Masse m0 hat, mit einer sehr hohen
Geschwindigkeit v, die mit der Lichtgeschwindigkei
t c vergleichbar ist, dann wirkt anstelle der
Ruhemasse m0 die relativistische Masse m (v)
Ist v/c ltlt 1, kann man die Wurzel im Nenner
obiger Gleichung in eine Reihe entwickeln und
nach dem zweiten Glied abbrechen. Man erhält
Albert Einstein (1879-1955)
Der Quotient m0v2/2 im rechten Summanden
entspricht der durch die hohe Geschwindigkeit
gewonnenen kinetischen Energie ?E. Die zur
Ruhemasse zusätzliche Masse ?m ist also gleich
?E/c2.
Solche Überlegungen führten Einstein 1905 zu
einem Postulat, das einen Grundpfeiler seiner
speziellen Relativitätstheorie darstellt
E m c2
9Das Maß für die Energie
- Die internationale Einheit der Energie ist nach
James Prescott Joule benannt - 1 Joule J 1 Wattsekunde Ws 1 VAs 1 Nm
1 kg m2/s2. - Die Energieeinheiten und die elektrische Leistung
Watt haben als Faktoren Kilo (k103), Mega
(M106), Giga (G109), Tera (T1012), Peta
(P1015), Exa (E1018). - Die Leistung Watt wird Energie durch
Multiplikation mit Sekunde s, Stunde h oder
Jahr a .
Mit 1 J kann man auf der Erde einen 102 g
schweren Apfel um 1 m anheben.
Zum Beispiel ist 1 kWh Kilowattstunde 3,6 MJ.
Mit 1 kWh kann man etwa 10 Liter Wasser von 20
C auf den Siedepunkt erhitzen. In der
Energiewirtschaft werden Steinkohleeinheiten
(SKE) verwendet. 1 kg SKE entspricht gemäß
Definition 8,141 kWh. Verbrennung von 1 kg
Steinkohle erzeugt die gleiche Wärmemenge wie
Heizung mit 8,141 kWh. Oder 1 kWa (ein Jahr lang
mit 1 kW heizen) entspricht der Verbrennung von
1,075 t Steinkohle.
10Täglicher Energiebedarf des Menschen
- Etwa 3 kWh verbraucht der Mensch seit jeher durch
seine Nahrung. Heizung erhöht den Tagesbedarf auf
6 kWh. Mitteleuropäer brauchten vor 500 Jahren
schon 24 kWh und sind jetzt im täglichen Mittel
bei 150 kWh angelangt.
Der durchschnittliche tägliche Energieverbrauch
eines Inders liegt heute noch unter 10 kWh. China
bemüht sich um den Anschluss an Mitteleuropa
innerhalb der nächsten fünfzig Jahre. Zur
Jahrtausendwende war der jährliche
Weltenergiebedarf etwa 400 EJ 4 ? 1020 Joule,
d.h. bei einer Weltbevölkerung von etwa 6
Milliarden etwa 18,5 kWh pro Mensch und Tag. Wenn
die Weltbevölkerung erwartungsgemäß auf 10
Milliarden ansteigt und alle Länder wunschgemäß
zu den Industriestaaten aufrücken, würde sich der
Weltenergiebedarf verzehnfachen.
11Die mechanische Energie
- Mechanische Energie ist einerseits potenzielle
oder Lageenergie, z. B die Energie Epot einer
Masse m, die im Schwerefeld der Erde gegen die
Fallbeschleunigung g um die Höhe h angehoben
wurde, - Epot m g h.
- Kinetische Energie oder Bewegungsenergie enswteht
durch eine Bewegung der Masse m mit der
Geschwindigkeit v - Ekin ½ m v2.
- Potenzielle Energie steckt auch in der
elastischen Verformung eines Körpers und
kinetische Energie enthält auch ein rotierender
Körper. - Wenn keine mechanische Energie in eine andere
Energieform umgewandelt wird, gilt der
mechanische Energieerhaltungssatz - Epot Ekin Egesamt konstant.
12Perpetuum Mobile erster Art
- Ein experimenteller Beweis des mechanischen
Energieerhaltungssatzes ist die Unmöglichkeit,
ein Perpetuum Mobile (lat. "dauernd beweglich")
erster Art zu bauen, das heißt eine Maschine, die
ohne Energiezufuhr von außen dauernd Arbeit
verrichtet.
Links ist das etwa tausend Jahre alte Prinzip zur
Konstruktion eines sich ständig drehenden Rades
durch einen Nachbau dargestellt, der sich in dem
Museum des Instituts für Geschichte der
Arabisch-Islamischen Wissenschaften an der
Universität Frankfurt a.M. befindet. Die rechts
abgebildete nachgebaute Uhr (Quelle unbekannt)
ist 1815 von David Geiser in Neuchatel als
Perpetuum Mobile vorgeführt worden.
13Optische Täuschung
Wasserfall, Lithographie von M.C. Escher, 1961,
Escher Foundation, Haags Gemeentemuseum
14Wärmenergie
- In der Wärmelehre entspricht die Wärmemenge Q
einer Energieform, die als thermische oder
Wärmeenergie der ungeordneten Bewegung
mikroskopischer Teilchen zuzuordnen ist und mit
zunehmender Temperatur T steigt. R. Mayer fand
1842 den 1. Hauptsatz der Thermodynamik, der
heute so formuliert wird Führt man einem System
die Wärmemenge dQ zu und verrichtet die äußere
Arbeit dW, so nimmt die Zustandsgröße innere
Energie U um dU zu, und es gilt - dU dQ dW.
Die Umsetzung thermischer Energie in Arbeit wird
durch den 2. Hauptsatz der Thermodynamik
eingeschränkt, den Sadi Carnot bereits im Jahre
1824 gefunden hatte. In der heutigen Formulierung
kann die Entropie S in einem abgeschlossenen
thermodynamischen System nur zunehmen oder (bei
reversiblen Prozessen) höchstens gleich bleiben
dS ? dQ/T. Demnach kann man keine Maschine
bauen (Perpetuum Mobile zweiter Art), die
kontinuierlich Arbeit leistet, indem sie einem
System Wärme entzieht.
Sadi Carnot (1796-1832)
15Elektrische Energie
- Jährlich schicken die Kraftwerke in der Welt etwa
50 EJ bzw. etwa 14 Billiarden kWh an die
Verbraucher. Etwa ein Achtel der eingesetzten
Primärenergie (400 EJ) kommt also aus der
Steckdose. Der größte Teil davon geht an
Industrie und Dienstleister. Zwischen Kraftwerk
und Steckdose sind Übertragungsleitungen und
Umspanner, z. B. von 10 kV beim Erzeuger auf 400
kV für die Übertragung und runter auf 230 V für
die Verbraucher.
- Die elektrische Leistung ist das Produkt aus
Spannung und Stromstärke - Pel U I.
- Für die ohmschen Verluste der Übertragungsleitunge
n mit dem Widerstand R gilt - PVerlust R I2.
- Die wichtigsten vermeidbaren elektrischen
Verluste in der Wohnung sind aber - "stand-by" (3 Milliarden Stromkosten in
Deutschland) und - "Glüh"-lampen.
16Elektromagnetische Energie
- In der Elektrizitätslehre ist die
- elektrische Feldenergie durch das Volumenintegral
seiner Energiedichte wel ½ E D gegeben. Die
in einem auf die Spannung U aufgeladenen
Kondensator der Kapazität C gespeicherte Energie
beträgt Eel ½ C U2. Die - magnetische Feldenergie ist wmag ½ H B bei
der magnetischen Feldstärke H und der Induktion
D. Für eine vom Strom I durchflossene Spule mit
der Selbstinduktivität L gilt Emag ½ L I2 .
Haben wir ein System bewegter elektrischer
Ladungen, entsteht eine - elektromagnetische Feldenergie wel-mag ½ ED ½
HB, die auch bei allen Lichterscheinungen
auftritt. Eine Ausbrei-tung von Feldenergie ist
auch ohne Trägermedium möglich.
Polarlicht von Harald Wochner www.nachtwunder.de
17Chemische Energie
Die in chemischen Verbindungen gespeicherte
chemische Energie ist die bei einer Reaktion der
Verbindungen frei werdende Bindungsenergie. Beim
Akkumulator wird die zugeführte elektrische
Energie in chemische Energie umgewandelt,
gespeichert und wieder in elektrische Energie
zurückverwandelt.
Bilder aus Energiewelten
18Kernenergie
Bei Kernfusion und Kernspaltung ergibt sich ein
Massendefekt ?m. Der Energiegewinn ist E ?m c2
mit c als Lichtgeschwindigkeit.
Kernspaltung
Kernfusion
Bilder aus Brockhaus Multimedia
19Energietechnik
In der Technik der Energieerzeugung und
Energieversorgung ist Ausgangspunkt die
- Primärenergie, die in natürlichen Energieträgern
wie Kohle, Erdöl, Erdgas, Kernbrennstoffen u.a.
deponiert ist und in Sonnenstrahlung, Wasser,
Wind u.a. ständig angeboten wird. Durch
technische Umwandlung wird daraus mit
unterschiedlichen Wirkungsgraden - Sekundärenergie gewonnen, die in erster Linie als
elektrische, aber auch als mechanische,
thermische oder chemische Energie vorliegt.
Abbildung aus K. Heinloth Die Energiefrage,
Vieweg 2003
20Primärenergie in Deutschland 2004
21Dampfmaschine und Stirlingmotor
James Watt (1736-1819)
Robert Stirling (1790-1878)
- James Watt baute 1782 die erste zweiseitig
betriebene Niederdruckdampfmaschine mit
Drehbewegung und Robert Stirling patentierte 1816
und baute 1818 den Heißgasmotor.
22Stirlingmotor
Der Heißgasmotor arbeitet ohne Ventile mit einer
konstanten Gasmenge (Helium). Auf der unteren
Zylinderseite wird das Gas erwärmt, auf der
oberen gekühlt. Dazwischen bewegt sich ein
voluminöser (den Zylinder nicht dicht
abschließender) Kolben als Wärmespeicher
(Regenerator), der dem hoch strömenden Gas Wärme
entzieht und an das rückströmende Gas wieder
abgibt. Der Arbeitskolben schließt dicht
ab. Vorteil des Stirlingmotors ist die äußere
Wärmezufuhr, die Erwärmung durch Sonnenlicht oder
kontinuierliche Verbrennung von Brennstoffen bei
hohem Luftüberschuss möglich macht. Wesentlicher
Nachteil ist das ungünstige Leistungsgewicht.
Koicho Hirata, see http//www.bekkoame.ne.jp/khir
ata/indexe.htm
BSRsolar's low-temperature Stirling engine is
powered by unconcentrated solar radiation. The
first application is the solar-thermal pumping
system SUNPULSETM water from Lörrach . The
displacer moves with a frequency of 0.5 to 1.0
Hz the pressure inside the engine fluctuates
between 100 mbar exerting a force of 1,000 kg
on the 1 square meter power piston. The absorber
surface of about 3 square meters converts the
solar radiation into heat of about 100 C inside
the engine at the hot end whereas the temperature
at the cold side is kept at about 30C. Thus,
according to the Law of Carnot, the engine can
ideally achieve the efficiency of 19 of which it
realizes about 70, thus achieving an efficiency
of 13. See http//www.bsrsolar.com/brochures/
23Deutschland ist Windkraft-Weltmeister
- Von der 2003 in der Welt installierten Leistung
von 40 GW Windkraftanlagen entfielen 38 auf
Deutschland. Ende 2004 waren 48 GW installiert,
für 2005 wird ein Zuwachs auf 60 GW erwartet.
Danach wird die Leistung in Europa langsamer
ansteigen.
In Deutschland hat Ende 2004 die Windenergie
einen Anteil von über 4 an der
Elektroenergie-erzeugung und hat damit die
Wasserkraft überholt.
Bild aus M. Heimann, Handbuch der Regerativen
Energiequellen in Deutschland
Bilder aus Energiewelten
24Die jährliche Neuinstallation
25Wo weht der Wind wie stark?
- Die Karten zeigen die in 50 m Höhe gemessenen
Windstärken links an Land und rechts auf See. Im
gelben Bereich ist die Aufstellung von
Windkraftanlagen unter gegenwärtigen Bedingungen
wirtschaftlich. Für rot und lila wird es deutlich
besser.
Karten des Wind Energy Department at Risø
National Laboratory in Roskilde, Denmark, see
http//www.windatlas.dk/
265-MW-Windkraftanlage
- Pressemitteilung, Hamburg, 02. 11. 2005 In
Cuxhaven erhält das Windenergie-Unternehmen
REpower Systems AG im DEWI-OCC-Testfeld einen
Standort für den Betrieb ihrer Windkraftanlage
des Typs REpower 5M. Die 5M-Anlage, deren Rotor
einen Durchmesser von 126 Metern hat, wird in
Cuxhaven mit einer Nabenhöhe von 117 Metern
errichtet werden. Bisher steht in Brunsbüttel
(Schleswig-Holstein) ein Prototyp dieser für den
Offshore-Betrieb konzipierten Anlage. Die 5M in
Cuxhaven wird voraussichtlich im Oktober 2006
errichtet sein und im November ans Netz gehen.
Text, Bilder ubnd Video von http//www.repower.de/
27Vestas V 66 1,75 MW
- Im Jahre 2004 wurden in Deutschland 1156
Windkraftanlagen in Betrieb genommen, die eine
mittlere Leistung von 1,75 MW hatten.
Rotordurchmesser 66 m Betriebsintervall
10,5-24,4 U/min Turmnabenhöhe 70?10 m
Einschaltwindgeschwindigkeit 4 m/s
Nennwindgeschw. (1.750 kW) 16 m/s
Abschaltwindgeschwindigkeit 25 m/s
entnommen aus http//www.vestas.de/pdf_ls/V66_UK.
pdf
28Windenergiegehalt
entnommen aus Energiewelten
29Windleistung, Windgeschwindigkeit
entnommen aus Energiewelten
30Windenergienutzung
entnommen aus Energiewelten
31Nutzleistung
entnommen aus Energiewelten
32Leistungsbeiwert
entnommen aus Energiewelten
33Das Windproblem
Der Wind weht oft zu schwach. Im Jahresmittel
wird auf dem Land kaum 20 der installierten
Leistung erreicht. Dieses Problem hat bereits
Busch beschrieben
Abbildung aus K. Heinloth Die Energiefrage,
Vieweg 2003
entnommen aus Energiewelten
34Energie aus Kernspaltung
- 440 Kernkraftwerke mit 362 GW gab es Ende 2004
(30 waren im Bau) 1031 in USA, 59 in
Frankreich, 533 in Japan, 306 in Russland, 27
in GB, 191 in Südkorea, 18 in Deutschl., 149 in
Indien, 92 in China. Der in Deutschland
verbrauchte Strom wird zu etwa einem Drittel aus
Kernspaltung gewonnen.
Kernspaltung hat überschaubare Rohstoffprobleme,
ist relativ billig und ergänzt sich mit Windkraft
bei einer emissionsarmen Stromproduktion. Zwei
Risiken haben die friedliche Nutzung der
Kernspaltung unbeliebt gemacht.
Beim Betrieb eines 1-GW-KKW fallen pro Jahr
einige radio-aktive Abfälle an, darunter 300 kg
des a-Strahlers Plutonium, der eine Halbwertszeit
von ca. 24 000 Jahren hat.
Das kann schmelzen!
Alternativen zur Endlagerung in Gorleben wie
Wiederaufarbeitung und Transmutation (Beschuss
mit Neutronenstrahlen) langlebiger Spaltprodukte
sind noch in der Entwicklungsphase.
Die zwei Blöcke des KKW Gundremmingen decken etwa
30 der Stromerzeugung in Bayern und haben der
Atmosphäre seit Inbetriebnahme im Vergleich zur
Stromerzeugung in Kohlenkraftwerken rund 400
Millionen Tonnen Kohlendioxid erspart.
35Radioaktiver Zerfall
- Die Halbwertszeit T1/2 eines radioaktiven
Zerfalls gibt die Zeit an, in der sich die Hälfte
der Kerne durch Kernreaktion umgewandelt hat.
Eine Supernova-Explosion vor knapp 6 Milliarden
Jahren hat die Isotope Uran-238 (T1/2 4,5?109
Jahre), Uran-235 (T1/2 0,7?109 Jahre) und
Plutonium-239 (T1/2 24?103Jahre) zu etwa
gleichen Anteilen erzeugt. Pu-239 war bald
zerfallen, vom U-235 sind heute 0,3 und vom
U-238 sind 40 übrig geblieben.
Uran-Brennelemente erfordern eine
U-235-Anreicherung auf mindestens 3 . Gute
Gesteinslagerstätten enthalten 0,3 Uran und
werden mit ca. 50 pro kg Uran gefördert, die
Weltreserven liegen bei 10 Mio Tonnen Natururan.
Weitere 100 ?106 t werden im Gestein mit
Abbaukosten bis 300/kg vermutet. Sicher sind 4,2
?109 t Natururan im Meerwasser mit
Gewinnungskosten von 500/kg.
Eine natürliche radioaktive Zerfallsreihe geht
vom Uran über Protactinium und Radium zum
stabilen Blei.
T1/2 4,5 Milliarden Jahre ?-Strahler, 4,27 MeV
T1/2 24,1 Tage ?-Strahler, 273 keV
T1/2 1,2 min
0,16 g-Strahlung 74 keV
99,84 ?-Strahler, 2,271 MeV
T1/2 245 Millionen Jahre ?-Strahler, 4,59 MeV
36(No Transcript)
37Kernschmelzen bei Leichtwasserreaktoren
Nach Abschalten oder Havarie plus Ausfall der
Nachwärmeabfuhr kommt es bei Leichtwasserreaktoren
zum Verdampfen des Restwassers im Kernbereich
sowie zum Aufheizen des Brennstoffs und der
Kernstrukturen bis zum Schmelzen. Gleichzeitig
bilden sich durch Reaktion des Zirkons der
Brennstabhüllen mit Wasserdampf große
Wasserstoffmengen unter Freisetzung von
zusätzlicher exothermer Reaktionswärme. Nach etwa
einer Stunde kann unter ungünstigen Bedingungen
der Kern zerstört sein und sich ein 2500 C
heißes sog. Corium-Gemisch (geschmolzenes UO2,
ZrO2, Stahl, Spaltprodukte) in der Bodenkalotte
des Reaktordruckbehälters ansammeln. Kurz danach
würde dann auch der Boden des Reaktordruckbehälter
s durchschmelzen und das heiße Corium - bis zu
300 t - ins Reaktorgebäude abstürzen. Danach kann
eine Beschädigung des Reaktor-Containments
eintreten. Hier baut sich ein hoher Störfalldruck
auf, der nach etwa vier Tagen zum
Überdruckversagen führt. In deutschen Anlagen ist
inzwischen für diesen Fall die Öffnung eines
Entlastungsventils mit Abgabe über ein
Filtersystem und den Kamin vorgesehen. Feste
Spaltprodukte und Aerosole würden hier
weitestgehend zurückgehalten, nur die gasförmigen
Spaltprodukte würden entweichen. Der entstandene
Wasserstoff könnte nach Zündung und evtl.
Detonation ebenfalls zur Beschädigung des
Containments führen. Inertisierung sowie
Wasserstoffabbau über geeignete Rekombinatoren
sind gezielte Gegenmaßnahmen. Die heiße
Kernschmelze mit Nachwärmeerzeugung kann nach
rund vier Tagen den Betonboden des Containments
durchdringen und eine Grundwasserverseuchung
bewirken.
Aus K. Kugeler Physikalische Blätter 57 (2001)
Heft 11, 33-38
38Der unschmelzbare Hochtemperaturreaktor
Helium dient als Kühlgas, Graphit als Moderator
und alleiniges Strukturmaterial im Kernbereich.
Der Kernbrennstoff wird in Form sehr kleiner
UO2-Partikeln (0,5 mm Durchmesser), die mit
mehreren Schichten aus pyrolytischem Graphit und
Silizumcarbid umgeben sind, eingesetzt. Die
Heliumtemperaturen erreichen 700 C. Die
Leistungsdichte des Cores ist aus
Sicherheitsgründen mit 3 MW/m3 relativ gering.
Die Leistung modularer HTR beträgt 200 bis 400 MW
thermisch. Im angeschlossenen Dampferzeuger wird
Heißdampf (530 C bei 200 bar) erzeugt, der
Dampfturbinenprozess arbeitet mit einem
Wirkungsgrad von über 40 . Bei
Gasturbinenprozessen und Anhebung der
Heliumtemperatur auf 900 C werden Wirkungsgrade
von 45 möglich.
Aus K. Kugeler Physikalische Blätter 57 (2001)
Heft 11, 33-38
39Wieso unschmelzbar?
Die 8 angereicherten Brennstoffkerne (? 0,5 mm)
sind mit drei Schichten ummantelt, die ein extrem
großes Rückhaltevermögen für Spaltprodukte bis zu
sehr hohen Temperaturen (1600 C) haben. Die
coated particies sind in eine Brennelement-Graphit
matrix eingepresst (Kugeln ? 6 cm). Dieses
Brennmaterial kann nach Verlust der Kühlung
niemals schmelzen.
Aus K. Kugeler Physikalische Blätter 57 (2001)
Heft 11, 33-38
40Fusionskraftwerk?
Keine Probleme mit Besorgung und Entsorgung von
Brennstoffen, jedoch
Durch Neutronenbestrahlung umgeben-der Metalle
fällt nach Betriebsende eine gleiche Menge
radioaktiver Abfälle an wie bei konventionellen
Kernkraftwerken. Davon haben aber 99 eine
Halbwerts-zeit von weniger als 10
Jahren. Turbulente Vorgänge im Plasma führen zu
Energie- und Teilchenverlusten und verringern die
Energieeinschlusszeit ?, in der das Plasma
stabil gehalten werden kann. Deshalb sind
optimistische Voraussagen der 60er Jahre über
Fusionskraftwerke noch nicht realisiert.
T ? 108 K Welches Material hält das aus?
Abbildung aus H.-S. Bosch und A. Bradshaw
Physikalische Blätter 57 (2001) Heft 11, 55-60
41Magnetischer Einschluss im Tokamak
???????????? ?????? ? ????????? ????????
Das Tokamak-Experiment JET (Joint European Torus)
des gemeinsamen Europäischen Fusionsprogramms,
darunter auch dem Max-Planck-Institut für
Plasmaphysik ist seit 1983 in Culham, England im
Betrieb. Heute ist das JET-Plasma nur noch um den
Faktor sechs von der Zündbedingung entfernt .
Untenstehendes Bild vom Juli 2005 zeigt Octant 2
Port, die neuen Poloid-Teile.
- Überlagerung dreier Felder
- Magnetfeld des rosa Plasmastroms,
- Magnetfeld der blauen Toroidspule
- Rote Transformatorspulen in der Mitte
stabilisieren Plasmastrom
42Stellarator im Vergleich zu Tokamak
Magnetspulen und Plasma von Wendelstein 7-X,
derzeit bis 2011 in Greifswald im Aufbau, Bilder
auf dieser Seite von http//www.ipp.mpg.de/
Das Fusionsprodukt nTt bestehend aus Temperatur
T, Teilchendichte n und Energie-einschlusszeit t,
liegt für JET nur noch um einen Faktor 5 unter
dem Zielwert für ein Kraftwerk. 1997 war eine
Fusionsleistung von 12 MW über die Dauer von 1 s
erreicht. Damit wurde etwa die Hälfte der
angewendeten Heizleistung durch die Kernfusion
zurückgewonnen, Q ? 0,5.
43ITER
Das Projekt ITER (International Thermo-nuclear
Experimental Reactor) wird seit 1988 von USA,
Russland, Japan, China, Südkorea und Euratom für
0,5 GW und 500 s Impulslänge entwickelt und wird
jetzt in Cadarache, Frankreich, aufgebaut. Es
soll 2016 in Betrieb gehen, in den Bereich Q gt 1
vordringenund Q ? 10erreichen.
Burning Plasma Bringing a Star to Earth (2004),
http//books.nap.edu/books/0309090822/html/73.html
44Brennstoffzelle
1838
1839
Christian Friedrich Schönbein (1799-1868)
Platinelektroden und verdünnte Schwefelsäure
William Grove (1811-1896)
Wilhelm Ostwald (1853-1932) weist 1894 nach, dass
die Effizienz der Brennstoffzelle nicht durch den
Carnot-Wirkungsgrad begrenzt ist.
Erst in der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhundert kam die Brennstoffzelle wieder in
Mode.
45Prinzip der Brennstoffzelle
Bild von TÜV Süddeutschland Hydrogen a world
of energy
46Aufbau der Brennstoffzelle
Bild von Adam Opel AG
47Elektrolytmaterialien
Unterschiedliche Elektrolyte, Reaktionsgase und
Prozesstemperaturen kommen zur Anwendung, z. B.
- Für Kfz eine Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM),
Wasserstoff und Luft bei Temperaturen um 80 C - In der Raumfahrt Kalilauge (alkaline fuel cell),
Wasserstoff, Sauerstoff und 80 C - In der Kraft-Wärme-Kopplung die Phosphorsäure,
Erdgas und Luft zwischen 160 und 220 C - Für zukünftige Nutzung in Kraft-Wärme-Kopplung
und bei Kfz-Betrieb die oberhalb 600 C
arbeitenden Hochtemperatur-Brennstoffzellen mit
keramischen Festoxidelektrolyten.
Bild von Adam Opel AG
48Festkörper-NMR-Spektroskopie keramischer
Festelektrolytefür Brennstoffzellen im
Mitteltemperaturbereich
Keramik-Komposit aus zwei Material-Komponenten St
ickstoff Phosphor Sauerstoff Silizium
Temperaturzyklische 1H MAS NMR Spektren des oben
dargestellten Komposite zwischen Raumtemperatur
und 530 K. Bei hohen Temperaturen
(Protonenleitfähigkeiten) verschmelzen die beiden
Protonensignale.
Siliciumammoniumpolyphosphat, als
Elektrolytkomponente die für die thermische
Stabilität sorgt.
Ammoniumpolyphosphat, als Elektrolytkomponente
mit sehr hoher Protonenleitfähigkeit.
Mit Hilfe der magnetischen Kernresonanzspektroskop
ie (NMR) mit schneller Probenrotation um den
magischen Winkel (MAS) lässt sich die
makroskopisch beobachtete Protonenleitung mit
Abläufen auf atomarer Ebene korrelieren. Dadurch
wird es möglich dynamische Phänomene, wie
Austausch- und Diffusionsprozesse von
Ladungsträgern, als auch strukturelle
Phasenumwandlungen und chemische Prozesse
temperaturabhängig zu beobachten.
S. Haufe, D. Prochnow, D. Schneider, O. Geier, D.
Freude, U. Stimming Polyphosphate composite
conductivity and NMR studies.Solid State Ionics
176 (2005) 955-963. T. Uma, H.Y. Tu, D. Freude,
D. Schneider, U. Stimming Characterisation of
intermediate temperature polyphosphate
composites.J. Mater. Sci 40 (2005) 227-230. T.
Uma, H.Y. Tu, S. Warth, D. Schneider, D. Freude,
U. Stimming Synthesis and characterization of
proton conducting poly phosphate composites. J.
Mater. Sci 40 (2005) 2059-2063.
49Die Brennstoffzelle auf der Autobahn
Opel / GM erzielten mit Hydrogen (auf
Zafira-Basis) 15 Geschwindigkeits und
Distanz-Weltrekorde für Brennstoffzellen-PKW.
Bild von Adam Opel AG / GM
50Nicht nur Opel-Hydrogen oder Toyota-Prius
Umweltbewusste Bürger fahren auch BMW.
Bild von TÜV Süddeutschland Hydrogen a world
of energy
51Ressourcen fossiler Energierohstoffe
Bild 17.13 aus K. Heinloth Die Energiefrage,
Vieweg 2003
?
von http//www.ifm-geomar.de/
Temperatur-erhöhung durch Treibhauseffekt
52Methanhydrat
Methanhydrat besitzt eine kubische
Kristallstruktur. Die Elementarzelle besteht aus
acht Eiskäfigen, in denen die H2O-Moleküle
(violett) über Wasser-stoffbrücken miteinander
verbun-den sind. In den Eiskäfigen ist je ein
Methanmolekül (grün) ein-gebaut, die
stöchiometrische Formel lautet 8 CH4 46 H2O.
Abbildung und Text aus C. Gutt, W. Press, G.
Bohrmann, J. Greinert, A. Hüller, Brennendes Eis,
Methanhydrat - Energiequelle der Zukunft oder
Gefahr fürs Klima?, Physikalische Blätter 57
(2001) 49-54.
53Brennendes Eis
Abbildung aus C. Gutt, W. Press, G. Bohrmann, J.
Greinert, A. Hüller, Brennendes Eis, Methanhydrat
- Energiequelle der Zukunft oder Gefahr fürs
Klima?, Physikalische Blätter 57 (2001) 49-54.
54Bermuda-Dreieck im Atlantik
Es wird im Norden von den Bermuda-Inseln
begrenzt, im Süden von Süd-Florida und im Osten
von Puerto Rico. In diesem Gebiet sind über 100
Schiffe und Flugzeuge spurlos verschwunden, der
größte Teil davon nach 1945. Es wurden jedoch
niemals Trümmerteile gefunden und auch von den
über 1000 gestorbenen Menschen wurde nie etwas
gefunden. Seinen Namen erhielt das
Bermuda-Dreieck am 5. Dezember 1945, als hier 5
Flugzeuge der Marine und anschließend ein
sechstes, das nach ihnen suchen sollte,
verschwanden. Damals hieß es noch Teufelsdreieck.
Dieser Fall, bei dem gleich eine ganze Gruppe von
Flugzeugen verschwand, die allesamt mit
erfahrenen Piloten besetzt waren, ist sicherlich
einer der spektakulärsten des Bermuda-Dreiecks.
Eine nur unbe-friedigende Erklärung sind die
starken Meeresströ-mungen, die in diesem Gebiet
herrschen. So kommt es leicht zu starken
Strudeln, die durchaus in der Lage sind, kleine
Boote unter Wasser zu ziehen. Aber für größere
Schiffe oder sogar Flugzeuge kommt diese
Möglichkeit nicht in Frage, und sie erklärt auch
nicht das Verschwinden der Wrackteile und der
Besatzung.
55Methanhydrat, Energiequelle oder Umweltrisiko?
Ein Methanmolekül erzeugt den gleichen
Treibhauseffekt wie 30 CO2-Moleküle. Gegenwärtig
ist Methan in der Atmosphäre Klimafeind Nummer 3
(nach CO2 und FCKW) und wird durch Kühe und
Reisanbau vermehrt. Die Atmosphäre enthält rund
3 ? 1012 t CO2 oder rund 1012 t C. Wenn von dem
geschätzten Methanvorkommen in der Erdkruste von
10 ? 1012 t nur ein Prozent in die Atmosphäre
kämen, würde Methan Klimafeind Nummer 1, und wir
brauchten uns keine Sorgen mehr um den
CO2-Ausstoß zu machen.
?
Der Anteil Klima-schädigender Gase am
Treibhauseffekt auf der Erde
Diagramm aus StromBASISWISSEN Nr. 104
56CO2-Emmission pro Kopf und Jahr
57Tendenzen der CO2-Emission
58Klimaänderung
Aus http//www.grida.no/
59Energiepotenziale in Deutschland
Aus M. Heimann, Regenerative Energiequellen in
Deutschland, HEA, 2004
60China im Aufschwung
61Wo können wir Energie sparen?
Durch Sparmaßnahmen lässt sich der
Energieverbrauch eines Menschen in Europa und
Nordamerika auf 1/3 des jetzigen Stands durch
folgende Maßnahmen reduzieren
- Energiesparlampen einsetzen und Öko-Kühlschrank
verwenden, - in Niedrigenergie-Häusern ohne Lift arbeiten und
wohnen, - gemeinsames Bad der Familie nur am Wochenende,
- Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort mit
Fahrrad bewältigen, - Schuhe und Bekleidung "abtragen" bevor neue
gekauft werden, - Urlaub im Naherholungsgebiet verbringen.
62Fazit
- Die verstärkte Ausschöpfung fossiler Brennstoffe
wird schwieriger und riskanter. - Deutschland reduziert die Nutzung der Kernenergie
und verzichtet auf Einhaltung der Versprechung
über CO2-Reduzierung. Neue Techniken bedürfen
einer angemessenen Förderung. Vor allem die
Forschung ist auf allen Gebieten der
Energiegewinnung zu fördern. - Enorme wirtschaftliche und wissenschaft-liche
Anstrengungen sowie ein weltweit geeinter
politischer Wille sind die Voraussetzung, um bis
2050 ein Drittel des Energieaufkommens aus
erneuerbaren Quellen zu gewinnen.
63Überlebensstrategie
- Energieproblem lösen statt verdrängen
- Wissen erweitern, um mit Sachverstand und
Weitsicht engstirnige oder ideologische
Widerstände überwinden zu können - Risiken nicht aus dem Weg gehen, sondern sie
vermindern - Natur erhalten, Kultur pflegen und Wirtschaft
verbessern
64D. Freude, J. Gabke und A. Märcker danken
Dr. B. Adams GEOMAR Norddeutscher Rundfunk Dr. J.
Meusinger, Opel L. Moschkowitz D. Prager Dr. P.
Rieger D. Schneider Dr. H. Weber Dr. J. Witt, HEA
Das Vorlesungsskript ist ab 28.11.2005 erhältlich
bei www.energie-grundlagen.de