Title: Kein Folientitel
1MARIENHAUS KLINIKUM ST. ANTONIUS
Das Persönliche im KonfliktInterventionen in den
unterschiedlichen Eskalationsstufen
partnerschaftlicher und familiärer Konflikte
Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatung
in Hessen e.V.Jahrestagung 2008 28.11.2008
Prof. Dr. med. J. Degenhardt
2Beratung (eher)
Therapie (eher)
Ressourcenorientierung Methodenflexibilität Prozes
sorienterierung Längsschnittsdiagnose
Defizitorientierung Methodenfixierung Ergebnisorie
ntierung Querschnittsdiagnose
3Definition Hochstrittigkeit
- Emotionale Probleme der Eltern stehen im
Vordergrund.
- Partner sind unfähig/unwillens, Konflikte ohne
Gericht zu lösen.
- Einbeziehung Kinder werden in den Paarkonflikt
einbezogen.
- Mehrere Versuche von Beratung und Mediation sind
gescheitert.
1/3 der Fälle ? ein Partner ist als hochstrittig
identifiziert
2/3 der Fälle ? beide Partner sind als
hochstrittig identifiziert
4Entstehungsbedingungen für die Hochstrittigkeit
- emotionale Bindung Lösungsunfähigkeit
- intrapsychische Bewältigungsformen (Projektion,
Spaltung)
- stabile, globale und polarisierende
Attributionsmuster
1. Objekt ? absolut böse, erziehungsunfähig
Subjekt ? gut, bei Verfahrensausgang in
Richtung Objekt wird das Selbst entwertet
2. Dimension der überwertigen Idee
5Deskription der Hochstrittigkeit
- ungelöste Paarkonflikte ? zeitliche Übertragung
- Kommunikationsstil Beziehungsebene ersetzt
Inhaltsebene,
von Paarebene wird auf Elternebene
geschlossen, Autonomie wird als Bedrohung erlebt
- Konflikteskalation zum lose lose, point of no
return, paranoides System
- Einbezug des sozialen Umfeldes (Herkunftsfamilie
als Bollwerk)
- Einfluss der Rechtsdynamik (Belastungsdruck i.
S. belastenden Aussagen)
- Transgenerative Transmissionseffekte (Modelle
aus der Vorgeneration - Enttabuisierung -)
6Regression der Konfliktbewältigungin sechs Stufen
Konsens
Kompromiss
Delegation
Hierarchie-entwicklung
Unterwerfung/Unterordnung
Flucht
Vernichtung
7Dreistufiges Diagnosemodell (n. Alberstötter)
1. Stufe zeitweilig gegeneinander gerichtet
- Eltern wissen, dass es für das Kind gut ist, zu
beiden einen guten Kontakt zu haben
- Eigeninteresse kann zum Kindwohl zurückgestellt
werden
- Trennung von Elternebene und Paarebene ist
stabil, auch die Trennung von Inhalts- und
Beziehungsebene
- Konflikte werden als solche erkannt
81. Stufe psychoanalytische Beschreibung der
psychischen Ressourcen
- Relativierung narzisstischer Bezogenheit
- Integration des Affektes von Traurigkeit
- kognitive Selbstüberprüfung
- Fähigkeit zur Besorgnis um das Kind
92. Stufe Verletzendes Agieren und
Konfliktausweitung
- Mythenbildung zum Bösen des Partners
- aktive Einbeziehung von Dritten
- Degradierungszeremonien (Garfinkel)
- Instrumentalisierung von Dritten
102. Stufe psychoanalytische Beschreibung der
psychischen Verarbeitungsmöglichke
iten
- egozentrische Priorierung
- zunehmende Objektfeindlichkeit
- beginnende Triebentmischung
- Affektdominanz von Wut und Ekel bezogen auf den
Partner
- unsichere Identifikationsfähigkeit
- Instabile Selbstüberprüfung
- Sorge um das Kind wird zur Handlungsbegründung
- Borderline-typisches Angstniveau
113. Stufe Beziehungskrieg
- Gefühle von Hass und Verzweiflung
- Tabuisierung der Liebesgeschichte
- Bedürfnis nach Destruktion / Rache
- Zuschreibung von Unmenschlichkeit
- Schädigung des Partners wird zum Ziel
- Instrumentalisierung des Kindes und der
Herkunftssysteme
123. Stufe psychoanalytische Beschreibung der
psychischen Verarbeitungsmöglichke
iten
- polarisierende Objektfeindlichkeit
- Sorge um das Selbst im paranoiden System
13Angstniveau
Angst im Sinne von Furcht (Phobie)Angst vor
körperlicher Versehrtheit (Hysterie)Angst vor
Autonomie-Verlust (Zwangsneurose)
Angst vor Objektverlust (Allein-Sein als
Einsamkeit)
Angst vor Entwertung (Narzismus)Angst vor dem
Selbstverlust (Angstneurose)Angst vor dem Bösen
(BPS)
Angst vor dem personifizierten Bösen (Paranoia)
14Die depressive und die paranoid-schizoide
Position (n. Melanie Klein)
paranoid-schizoide Position depressive
Position(paranoide Vulnerabilität bei
Hochstrittigkeit)
Fremdüberprüfung Selbstüberprüfung
Sorge um das Selbst Fähigkeit zur Besorgnis
paranoide Angst depressive Angst(Zerstörungswut)
(schlechtes Gewissen)
Erleben von Schuld im Fremd Erleben von Schuld im
Selbst
Streben nach Vergeltung Fähigkeit zur Dankbarkeit
Präambivalenz Ambivalenz
15Gefahren der paranoid-schizoiden Position
- Teile des Selbst werden projiziert, ohne dass das
Projizierte verändert wird. Bei hohem
Affektdruck wird dieses Projizierte nicht
relativiertsondern in Teile gespalten.Diese
Teile werden auf Teile des Objektes projiziert.
Somit ist das Objekt in Teile gespalten.
subjektiver Vorteil das Objekt ist nie
vollständig, es besteht kein Neid
objektiver Nachteil das Erleben des Objektes ist
nicht mehr kohärent, d.h. unrealistisch
16Gefahren der paranoid-schizoiden Position
2. Die zwischen den Objekten wahrgenommenen
Beziehungenwerden sexualisiert. Es entstehen
unbewusst sexuelle Phantasien, die von Sexualneid
geprägt sind.
17Gefahren der paranoid-schizoiden Position
3. Jedes potenzielle Idealobjekt wird beneidet.
Der Neid ist unaushaltbar, weswegen das
potenzielle Idealobjekt über Teilprojektionen
zerteilt und als ganzes nicht mehr wahrgenommen
wird. So entfällt die Möglichkeit der
Identifikation.
18Die depressive Position
- Die libidinösen Strebungen werden als stärker als
die aggressiven erkannt.
- Ein Idealobjekt wird geachtet, nicht mehr
beneidet, vielmehr wird es introjiziert, später
über Identifikation verinnerlicht.
- Böses muss nicht immer projiziert werden, da es
gute Anteile enthält.
- Das Objekt wird realistischer erkannt und mit
guten und bösen Anteilen erlebt.
- Beziehungen werden nicht mehr automatisch
sexualisiert.
19Aus der depressiven Position folgen
- Die eigene Hilflosigkeit wird erkannt,
Hilfesuchkompetenz wird entwickelt.
- Es entsteht Dankbarkeit bei Hilfe und es
entwickelt sich Wiedergutmachungskompetenz.
- Projektionen werden zurücknehmbar und als eigene
Anteile realisiert.
- Es folgt Objektschonung durch Hemmung eigener
destruktiver Impulse.
20Um die depressive Position zu erhalten, braucht
es Zeit für das Überwiegen der guten Erfahrung,
die im Beratungsprozess betont werden muss.
Beratung bei Hochstrittigkeit braucht Zeit,
Mittelfrequenz, Konfrontation mit paranoider
Abwehr sowie realistische Grenzsetzung von Außen.
21Folgen für die Beratung
Stufe 1 - neurotisches Angstniveau und
depressive Position
Methode - systemisch konstruktivistisch
aufdeckend konfliktzentriert
Technik - participant observer
Umfeldbedingungen - freiwillig ohne Berichte
an Behörden sanktionsfrei ohne
Zielvereinbarung und Kontrolle
Ziel - Selbstfindung (Konsensebene)
22Folgen für die Beratung
Stufe 2 - Angst vor Entwertung, Selbstverlust
und dem Gewinn des Bösen (Borderline-Niveau)
Methode - kognitiv-konstruktivistisch
Technik - konfrontierend mit Emotionalisierung,
mit Wechsel von Inhalts- und Beziehungsebene
sowie Wechsel von Paar- und Elternebene,
Verbalisierung der Besorgung um das Kind,
Konfrontation mit der Beziehungsentwicklung
(z. B. Lebensflussmodell nach Spengler)
Umfeldbedingungen - verabredet, Information an
beteiligte Behörden, Definition von
Zielvereinbarungen, Gesprächsprotokoll für
alle Beteiligten
Ziel - Kompromiss
23Folgen für die Beratung
Stufe 3 - Angst vor dem personifiziertem Bösen
(paranoides Niveau)
Methode - re-edukativ informierend
Technik - Verletzungen unterbinden,
Projektionen bremsen, Gutes konkretisieren,
Teilidentifikation mit dem Kind stützen,
Konfrontation mit verleugneten Gemeinsamkeiten,
Regeldefinition bei eingeschränkter
Elternautonomie
Umfeldbedingungen - Schutz des Zieles durch
Begrenzung, gerichtliche Anordnung,
Stundenprotokolle mit Sozialvertrag,
Schlichtung im Einzelfall und Kontrollmechanismen
als Protokoll an Behörden und Gericht,
Absprache der Beratungsfrequenz ohne Eltern
Ziel - Definition von Zielvereinbarung
24Was folgt für den Berater/die Beraterin bei
Hochstrittigen ?
Rollenwechsel
- Auftragserfüller gesellschaftlicher Verantwortung
- Berater als verlängerter Arm des Gesetzes
- Berater nicht mehr partizipierend, sondern hoch
kontrollierend
- weniger Empathie, mehr Struktur und Regelung
25Was folgt für den Berater/die Beraterin bei
Hochstrittigen ?
Methodenwechsel
- Förderung durch Forderung
- Zielvereinbarung, Protokolle
26Gefahren im Umgang mit Hochstrittigen
- Regressionsausbreitung auf Berater
- Annahme subjektiver Realität
- Instrumentalisierung des Beraters
- durch die Gewaltprojektionen wird der Berater
selbst destruktiv und nutzt die Gerichtsmacht
- Regression auf eine sado-masochistische Ebene
27Verständnisgrundsätze
1. Jeder kann regredieren, die
Wahrscheinlichkeit ist höher, wenn die
Persönlichkeit prädisponiert ist.
2. Der Berater wird in den drei Stufen
unterschiedlich erlebt
1. Stufe - kompetenter Helfer, Idealobjekt,
Hilfs-Ich, Über-Ich-Entlaster, im
partnerschaftlichen Dialog
2. Stufe - ambivalent besetzter omnipotenter
Helfer, parteiischer Ratgeber,
Über-Ich-Stärker, im abhängigen Dialog
3. Stufe - Wächter, Kontrolleur,
Machtmissbraucher, im bestimmenden Dialog
28Das Persönliche im Konflikt bei hochstrittigen
Paaren bezieht sich auf deren
Regressionsbereitschaft
Fixierungsstellen im eigenen Lebenslauf
neurotische Bereitschaft
Persönlichkeitsprofil
aber in erster Linie auf deren Bereitschaft, auf
die paranoid-schizoide Position zu regredieren.
29Ziel und Maßnahme
Durch Struktur und Klarheit kann Regression
gebremst, sogar Progression auf die depressive
Position erreicht werden. Dem Misstrauen muss
Klarheit entgegen gebracht werden, den
Unterstellungen relativierende Objektivitäten.
30Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !