Title: Pharmakologie der HAART im zentralen Nervensystem
1Pharmakologie der HAART im zentralen
Nervensystem
PD Dr. med. Nils von Hentig HIVCENTER,
Medizinische Klinik II Klinikum der Johann
Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
2HIV Neuroinvasion
González-Scarano Martin-Garcia. Nature Rev.
Immunol. (2005)
3Epidemiologie der HANDHohe Prävalenz im Jahr
2008
HAND HIV associated neurocognitive disorder
45
21
Anteil betroffener Patienten
16
13
4
lt 1
CNS HIV AntiRetroviral Therapy Effects Research
Project, Years 2003-2007
4Epidemiologie des HAND Hohe Prävalenz in
Entwicklungsländern
56
47
37
33
31
Anteil betroffener Patienten
12
5
Yepthomi, J International Neuropsychological
Society, 2006 Unpublished Data, NARI-UCSD
Collaboration, 2006 Unpublished Data, China
CDC-UCSD Collaboration, 2007 Wong et al,
Neurology, 2007 Wright et al, XVI International
AIDS Conference, 2006 Valcour et al, 15th CROI,
2008 Robertson et al, 15th CROI, 2008
5Das Problem vor der HAART-Ära
- Vor der HAART-Ära entwickelten 20 30 aller
HIV-1 infizierten Patienten eine Vielzahl
kognitiver und motorischer Symptome, mit
dokumentierter moderater bis schwerer
Beeinträchtigung in zwei oder mehr kognitiven
Bereichen mit deutlicher Verminderung
alltäglicher Leistungen, inklusive
beeinträchtigtem Kurzzeit-Gedächtnis, reduzierter
Konzentration und motorischer Bein-Schwäche,
benannt als HIV-assoziierte Demenz (HAD oder AIDS
Demenz-Komplex) - Oftmals einhergehend mit Verhaltensauffälligkeiten
, wie z.B. Persönlichkeitsveränderungen, Apathie
und sozialem Rückzug kann HAD in ausgeprägten
Formen zu nahezu vegetativem und willenlosem
Verhalten führen.
González-Scarano Martin-Garcia. Nature Rev.
Immunol. (2005)
6Konsequenzen von HANDKürzeres Überleben bei
HIV-Infektion
1.0
MCMI minor congnitive motor disorder NPI
neuropsych. Impaired
0.8
NPI (n109)
MCMD (n49)
0.6
Überlebensrate
0.4
0.2
0.0
8
0 (n414)
2 (n274)
4 (n66)
6 (n17)
Jahre seit Baseline der Evaluation
Ellis RJ et al, Arch Neurol, 1997
7Das Problem in der HAART-Ära
- Mit HAART entstanden subtilere Formen der
ZNS-Dysfunktion Mild neurocognitive disorder
(MND) oder minor cognitive motor disorder (MCMD)
traten in den Vordergrund oder wurden erst
wahrgenommen, weil HAD selbst kaum noch vorkommt. - Gedächtnisverlust bzw. Verlust rechenbetonter
Fähigkeiten und anderer höherer kortikaler
Funktionen sind heute weniger stark ausgeprägt. - 10 aller HIV-infizierten Erwachsenen haben HAD,
wobei MCMD noch wesentlich häufiger vorkommen
kann (bis zu 30) - Eine potentielle Erklärung für die Ausprägung von
MCMD ist, daß die virale low-level Replikation zu
langsam progredienter Neurodegeneration führt. - Diese Entwicklung passt zur wesentlich längeren
Lebenserwartung mit HIV unter HAART sowie der
möglicherweise schlechteren ZNS-Penetration
moderner HAART-Regime
González-Scarano Martin-Garcia. Nature Rev.
Immunol. (2005)
8- Welche Patienten benötigen eine Neuro-effektive
HAART?
9CD4-Zellzahlen beeinflussen das Verhältnis
zwischen Viruslast im Blut bzw. Im ZNS
- Among 1,201 cross-sectional pairs, viral loads
in CSF and blood were strongly correlated - r 0.70, p lt 0.001
- Among 355 cross-sectional visits not taking ART
- r 0.60, p lt 0.001
- Interaction between blood viral loads and CD4
counts (? 0.35, p 0.001)
nach S. LeTendre 2008
10Antiretrovirale NeuroeffektivitätKonzeptionelles
Modell nach S. LeTendre
HIV Proteine Pro-inflammatorische
Zytokine Oxidativer Stress Exzitotoxine
Antiretrovirals
Antioxidantien Wachstumsfaktoren Neurale
Vorläuferzellen
11Die Blut-Hirn-Schranke
- Das ZNS ist vom Rest des Organismus durch die
Blut-Hirn-Schranke getrennt (BHS) - Die BHS ist eine selektiv durchlässige,
zusammenhängende Zellschicht, welche aus
mikrovaskulären endothelialen Zellen besteht,
welche untereinander durch sog. tight junctions
verbunden sind - In dieser Zellschicht finden sich eine Anzahl
transmembranärer Transproter, welche bei Influx
und Efflux von Substanzen eine wichtige Rolle
spielen, z.B. ABCB1 (P-gp) und SLC (OATP) - In dem die Kapillaren umgebenden Gewebe finden
sich Astrozyten und perivaskuläre Makrophagen - Eine andere Barriere ist die Blut-Liquor-Schranke,
welche sich an den Plexus choroidei befindet
12Die Blut-Hirn-Schranke
SLC OATP1A2
ABC P-gp
ABC BCRP
González-Scarano Martin-Garcia. Nature Rev.
Immunol. (2005)
13Die Substanzcharakteristikbeeinflusst
Verteilung/Wirksamkeit im ZNS
- Proteinbindung
- Molekülgewicht
- Lipophilität
- Ionisation/Ladung
- Transmembranäre Transporter
- Großes therapeutisches Fenster
- NNRTIs gt PIs gt NRTIs
- Pis gt NNRTIs gt NRTIs
- NNRTIs gt PIs gt NRTIs
- Tenofovir
- PIs, IIs P-glycoproteinNRTIs Organic anion
transporters - LPV/r gt DRV/r gt IDV/r gtFPV/r
Eine hohe Plasmaeiweißbindung, hohes
Molekülgewicht, niedrige Lipophilität, starke
Ionisation/Ladung, Affinität zu Transmembranären
Effluxpumpen wie P-Glykoprotein vermindern die
ZNS-Gängigkeit Ein großes therapeutisches
Fenster (z.B. Lopinavir/Ritonavir) erhöht die
Wirksamkeit im ZNS, auch bei verhältnismäßig
schlechter ZNS-Gängigkeit
14Abacavir-Pharmakokinetik im Liquor
Abacavir (ng/mL)
Time After Dose (Hours)
Extent of CSF penetration was 36 of plasma
concentrations
Capparelli et al, Antimicrob Agents Chemother
2005, 49 2504-6
15Tenofovir-Pharmakokinetik im ZNS
Extent of CSF penetration was 5 of plasma
concentrations
Best et al, 15th CROI 2008, Abstract 131
16Atazanavir-Pharmakokinetik im ZNS
Atazanavir (ng/mL)
Extent of CSF penetration was 1 of plasma
concentrations
Best et al, 13th CROI 2006, Abstract 576
17Lopinavir/r-Pharmakokinetik im ZNS
Lopinavir (ng/mL)
IC50 2ng/mL
Extent of CSF penetration was 0.27 of plasma
concentrations, but exceeds IC50
18Lopinavir/r-Pharmakokinetik im ZNS Lopinavir
Levels in CSF Commonly Exceed IC50
Lopinavir/r Alone Reduces HIV RNA in CSF
Lopinavir (ng/mL)
Letendre SL et al. Clin Infect Dis 2007, Oct
45(11)
19Efavirenz-Pharmakokinetik im ZNS
IC50 0.51 ng/mL
Levels of EFV in CSF Were 0.5 of Blood
20Pharmakodynamik im ZNSReduktion der HI-Viruslast
im ZNS
4 3 2 1 0 -1
Plasma
Liquor
Reduktion der HIV-RNA PCR Zu Woche 12 (log10
kop/mL)
P 0.04
P gt 0.10
0 1 2
3
0 1 2
3
Anzahl der ZNS-gängigen Substanzen
Letendre SL et al. Ann Neurol 2004 Sept, 56 (3)
416-23
21Antiretrovirale Neuro-EffektivitätStudien der
Effektivität der HAART im ZNS
FS Fallserie P Prospektive Studie Effekt
Viruslast im Liquor
22CNS Penetration-Effectiveness Score (CPS)Welche
Faktoren gehen in den Score ein?
Modifiziert nach Letendre et al, 13th CROI, 2006,
Abstract 74
23CNS Penetration-Effectiveness Score (CPS)
Letendre S. Invited Lecture Distribution and
effectiveness of antiretrovirals in the central
nervous system. Oral presentation. 9th HIV
Pharmacology Workshop. 7.-9. Apr 2008. New
Orleans, USA.
24Antiretrovirale Neuro-Effektivität CNS
Penetration-Effectiveness (CPE) Rank
- Höhere CPE korrelliert mit niedrigerer
HI-Viruslast im ZNS (r -0.12, p 0.008) - Nach der Korrektur für die Plasma-Viruslast war
jede Einheit der Verminderung des CPE assoziiert
mit einer 2,43-fachen Steigerung der OR für eine
nachweisbare HI-Viruslast im ZNS
Daten von 10/2003 01/2006
Letendre S, et al. Arch Neurol 20086565-70
25Höhere CPS waren assoziiert mit
- Neuropsychologischer Verbesserung nach 12 bzw. 24
Wochen ART (Letendre SL et al, CROI 2008,
Abstract 68) - Verbesserter neuropsychologischer Performance
nach einer mittleren HAART von 1,5 Jahren (Tozzi
et al, CROI 2008, Abstract 391 - Niedrigerer Prävalenz pathologischer
HIV-assoziierter Befunde in ZNS-Gewebeproben von
392 Autopsien (Everall et al. CROI 2008, Abstract
67) - Besserem Überleben in Patienten mit PML (Gasnault
et al. CROI 2008, Abstract 386) - Niedrigerer Liquor-Viruslast und verbesserter
kognitiver Funktion in der ACTG 736-Studie (Marra
C. et al, CROI 2009, Poster 361) - einer Verschlechterung der kognitiven Funktionen
und messbarer Viruslast im Liquor (Letendre et
al. CROI 2009, Poster 484b
Niedrige CPS korrellieren mit
26Charakteristiken neuer Substanzen
Unbound freier Anteil im Plasma MW
Molekülgewicht (Dalton) Cmin minimale
Plasmakonzentration im Dosisintervall IC50
50 Hemmkonzentration Est. (CminUnbound)/IC50
P-gp P-Glykoprotein-Substrat s. Kommentar
LeTendre SL, 10 Oct 2008, British HIV Association
Meeting, London, UK
27Welche Patienten benötigen eine Neuro-effektive
HAART?
- niedriger CD4-Zell Nadir
- hohe HI-Viruslast im Blut
- erhöhtes Risiko für HAND
- vorherige ZNS-Ereignisse
- hohe HI-Viruslast im Liquor
- Alter (?)
- weitere Faktoren (?)
Erhöhter Bedarf für N-e HAART
28Therapien mit einem CPR 2.0
- Für naive Patienten, z.B.
- LPV/r KVX (PR 2.5) NVP KVX (PR 2.5)
- LPV/r COV (PR 2.5) EFV KVX (PR 2.0)
- ATV/RTV oder FPV/RTV COV (PR 2.0)
- Für vorbehandelte Patienten
- Entsprechend Resistenz aus Darunavir/r, LPV/r,
FPV/r, ATV/r, EFV, MVC, Abacavir, Retrovir,
Epivir selektieren - Neue Substanzen? Vielfach vorbehandelte
Patienten? HIV-Subtypen? Virale Resistenz im ZNS ?
29Zusammenfassung
- HAND hat nach wie vor eine hohe Prävalenz in
vielen Ländern - HAND reduziert ART Adhärenz und Überlebenszeit
- Die Penetration der ARVs ins ZNS variiert
substanziell zwischen Substanzen und Individuen - Die Gründe sind unterschiedliche
Arzneimittelcharakteristiken, Wirksamkeit im ZNS
und genetische Prädisposition für z.B.
P-Glykoprotein-Expression and der
Blut-Hirn-Schranke - Eine ART mit einer höheren ZNS-Gängigkeit
- reduziert die HI-Viruslast im ZNS
- verbessert oder verhindert HAND
- kann helfen, andere ZNS-Komplikationen zu
vermeiden - Die Optimierung der ZNS-Gängigkeit einer Therapie
sollte in Zukunft in die HIV-Behandlung als
Faktor einer erfolgreichen Therapie mit
einbezogen werden
30Danksagung und Financial Disclosure
- Ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei allen
Kolleginnen und Kollegen, welche mir Folien für
diesen Vortrag überlassen haben bzw. deren Folien
im Internet frei zugänglich gewesen sind. Die
Verwendung solcher Folien ist jeweils
gekennzeichnet. - Ich habe in den vergangenen Jahren
Forschungsförderung durch die Firma Abbott GmbH,
sowie Reiseunterstützung durch Abbott GmbH,
Boehringer Ingelheim, BMS und Tibotec erhalten.
Desweiteren habe ich Vorträge und Fortbildungen
auf Einladung der Firmen Roche, BMS, Abbott, GSK,
Gilead, Tibotec sowie Boehringer Ingelheim
gehalten.
31Fallbeispiel 1
- 60-jähriger männlicher Patient, Erstaufnahme
nach stationärem Aufenthalt - Progrediente Gangstörung mit Fallneigung nach
hinten, kleinschrittiges Gangbild, Meningismus,
ASR bds. Positiv, rez. Aphasie, zeitliche
Desorientierung und psychomotorische
Verlangsamung, Konzentrationsstörungen - Liquordiagnostik Zellzahl 2/3, Liquoreiweiß 41
mg/dL, lymphomonozytäres Zellbild ohne
Aktivierungszeichen, Quotientenschema unauffällig - EEG Langsames EEG vom Alpha-Typ an der Grenze
zur leichten Allgemeinveränderung, Verlangsamung
links temporal, keine epileptischen potenziale - cCT Kein Hinweis auf Infarkt, Blutung oder Tumor
- Vorbestehende Depression
32Fallbeispiel 1
- Erste Therapie in Klinik und Labor bei Aufnahme
- Aufgrund einer Pansinusitis behandelt mit
Rocephin 2g 1/d für 2 Tage i.v. anschließend
Cefuroxim 500mg 2/d p.o. für 10 Tage. - Weitere Medikation Mirtazapin 15mg 2/d
- Anschließend veranlasster 1. HIV-Ak-Test positiv,
HIV-RNA PCR 766 x 10³ kop/mL, CD4 25/µL bei
5.21 - CMV IgG pos, IgM neg., HAV/HBV-Ak pos. Nach
Impfung, HCV-Ak neg., Lues-Serologie Elisa pos.,
TP-PA neg, VDRL-Mf neg., Immunoblot pos.,
Toxoplasmose neg. - Werte außerhalb der Norm Hb 12,6 g/dL Hk 36,2
Harnsäure 7,0 mg/dL Gesamteiweiß 9,3 mg/dL GGT
70 U/I.
33Fallbeispiel 1
- Behandlungsbeginn 10/2009 mit
- Darunavir 400mg 0 0 2
- Ritonavir 100mg 0 0 1
- Emtricitabine 200mg 0 0 1
- Tenofovir-DF 245mg 0 0 1
- NRTI Umstellung auf COV 1 0 1 nach 4 Wochen
- Komedikation
- Mirtazapin 15mg 1 0 1
- Cotrimoxazol forte 960mg Mo/Mi/Fr
34Fallbeispiel 1
- Ergebnis 12/2009
- Labor CD4 468/µL, HIV-RNA PCR 590 kop/mL
- Keine Gangstörungen mehr, neurokognitiv deutlich
gebessert, keine Aphasie, leichte
Konzentrationsstörungen, voll orientierter
Patient, Rückkehr ins Arbeitsleben - Kommentar
- Nach Feststellung eines HAND mit fehlendem
Hinweis auf infektiöses ZNS-Geschehen Beginn
einer ART mit einem ZNS-Penetrations-Score von
1.5, später Umstellung auf eine ART mit einem
Score von 2.5 (Behandlungsdauer insges. 10
Wochen) - Hierunter deutliche Besserung aller
neurologischen und neurokognitiven Beschwerden - Liquor-Diagnostik bei erneuter Verschlechterung
des HAND
35Fallbeispiel 2
- 33-jährige Patientin, HIV-Erstdiagnose 04/2002
- Labor und Diagnosen bei Aufnahme
- CD4 82/µL, HIV-RNA PCR 187.000 kop/mL
Lues-Serologie neg., Toxo- und CMV-Serologie pos.
- HIV-Infektion CDC C3 Lymphknoten-Tuberkulose,
Soorösophagitis, Condyloma acc. - Therapiebeginn
- Ababacavir 300mg 1 0 1
- Epivir 150mg 1 0 1
- Retrovir 300mg 1 0 1
- Komedikation
- Rifampicin 450mg, EMB 1000mg, INH 250mg, Pyrafat
1250mg, Vit B6 100mg täglich, Streptomycin 0,75g
3x/w, Cotrim forte 960 mg 3x/w.
36Fallbeispiel 2
- Anamnese
- Tuberkulose heilt im weiteren Verlauf folgenlos
aus. - 06/2006 CD4 Abfall auf 125/µL, HIV-RNA PCR
6640 kop/mL - 06/2006 ART Therapiewechsel aufgrund
Therapieversagen und Resistenzen im NRTI-Bereich
auf - Fosamprenavir 700mg 1 0 1
- Saquinavir 500mg 2 0 2
- Ritonavir 100 mg 1 0 1
- Cotrim forte 960 mg Mo/Mi/Fr
- Loperamid bei Bedarf
- Im Verlauf Anstieg der CD4 381/µL, HIV-RNA PCR
bleibt nach initialem Abfall niedrig replikativ
bei 717 kop/mL (10/2007)
37Fallbeispiel 2
- Verlaufsdiagnosen
- 01/2008 entwickelt Patientin HIV-Enzephalitis mit
holocephalen bitemporal und frontal betonten
fluktuierenden Kopfschmerzen, Schüttelfrost,
Muskelschmerzen und Übelkeit mit Erbrechen. - In der neurologischen Untersuchung fand sich kein
fokal-neurologisches Defizit, das cCT zeigte
einen unauffälligen Befund. Im Liquor fand sich
ein entzündliches Liquorsyndrom mit 50 Zellen/µL.
Weitere Diagnostik im Liquor HSV-, CMV-, VZV-
und EBV neg., Kultur steril. - HIV-RNA PCR im Liquor 20.400 kop/mL bei 6640
kop/mL im Plasma. - Sonstige Laborwerte außerhalb der Norm
- Hb 0 11,4 mg/dL Hk 32,4 , Ery 3,52 /pL, Leuko
4,01 /nL.
38Fallbeispiel 2
- 01/2008 Therapiewechsel
- Intensivierung der ART
- Fosamprenavir 700mg 1 0 1
- Saquinavir 500mg 2 0 2
- Ritonavir 100 mg 1 0 1
- Retrovir 300 mg 1 0 1
- Epivir 150 mg 1 0 1
- Verlauf
- 03/2008 CD4 257/µL, HIV-RNA PCR 70 kop/mL
- 11/2009 CD4 345/µL, HIV-RNA PCR lt 20 kop/mL
- Verschwinden der neurologischen Symptomatik 4
Wochen nach Therapie-Intensivierung, seither
keine weiteren neurokognitiven Probleme.
39Fallbeispiel 2
- Diskussion
- Auftreten einer HIV-bedingten Enzephalitis mit
hoher Viruslast im Liquor (3x gt Plasma) als
Ausdruck einer kompartimentellen Virusreplikation
im ZNS unter Therapie mit unzureichend
Liquor-gängiger ART (ZNS-Penetrations-Score 1). - Intensivierung der ART mit Liquor-gängigen
Substanzen (ZNS-Penetrations-Score 2,5),
analgetische und entiemetische Therapie bei
stationärer Aufnahme führte zu anhaltender
Besserung der neurologischen Symptomatik. - Nach einer Rehabilitation im Anschluss und
Compliance-Schulung konnte die Patientin Ihren
Alltag wieder aufnehmen. - Von einer Kontrollpunktion des Liquor im konnte
bei negativer HI-Viruslast im Plasma und
Verschwinden der neurologischen Symptomatik bis
heute Abstand genommen werden.
40Fallbeispiel 3
- 60-jähriger, lange vorbehandelter Patient
- HIV-Erstdiagnose 03/1991, HAV-Ak pos., HBsAG
neg., HCV-AK neg., Toxo-, Lues-, CMV-Serologie
negativ. - HAART - Anamnese
- 8 ART-Vortherapien bis 10/2005. Aus historischen
gründen zu Beginn der 1990er Jahre v.a. mit NRTI
Mono- bzw. Dual-Therapien. 1996 Ergänzung der ART
durch Indinavir für 5,5 Jahre. Patient entwickelt
leichte Niereninsuffizienz und toxisch bedingte
Leberfibrose bis 2002. - 07/2002 Therapiewechsel auf LPV/RTV DDI TDF
- 10/2002 Einschluss in die ESPRIT-Studie
- Zunächst virologisch problemlose Behandlung bis
2005 -
41Fallbeispiel 3
- Diagnosen im Jahr 2005
- Hypertensive Gastropathie, Niereninsuffizienz
Grad 1, Toxische Leberfibrose ohne
Leberinsuffizienz, CHILD-PUGH Grad A, diskrete
COPD, PNP. CD4 151/µL, Resistenzen im
NRTI/NNRTI-Bereich, HIV-RNA PCR 250 kop/mL -
- 09/2005 Therapiewechsel
- Lopinavir 400mg 2 0 2
- Ritonavir 50mg 2 0 2
- Saquinavir 500mg 2 0 2
- Komedikation
- Proscar 5mg/d, Spasmolyt 20mg/d, Furosemid
40mg/d, Spironolacton 12,5 mg/d, K Brause 1x/d,
Cotrim forte 960 mg 3x/w - Anschließend Abfall der Viruslast auf HIV-RNA PCR
lt40 kop/mL, Anstieg der Helferzellen auf bis zu
220/µL.
42Fallbeispiel 3
- 12/2007 Patient hat V.a. einen Grand-Mal-Anfall
- Neurologisch und bildgebend (cMRT) kein Anhalt
für Infektion, Tumor oder Infarkt. 01/2008
Transaminasen, Harnstoff, Kreatinin im Serum im
Normbereich keine Gerinnungsstörung, CHE i.S.
3.9 kU/l, NH3 266 µg/dL LDH i.S. 238 U/l.
Endogene Kreatinin-Clearance im Sammelurin 58
mL/min. - V.a. auf eine HIV-assoziierte Enzephalopathie.
03/2008 HIV-RNA PCR lt40 kop/mL, CD4 220/µL,
Komedikation idem, zusätzlich Omeprazol 40mg/d. - Ergänzung der Therapie trotz vorbest.
Resistenzen mit COV - Deutliche Besserung der neurologischen
Symptomatik. Keine weiteren epileptischen
Anfälle. - 06/2009 Deeskalation der ART (Absetzen von SQV).
- 07/2009 HIV-RNA PCR lt 20kop/mL, CD4 156/µL
43Fallbeispiel 3
- Diskussion
- Trotz einer toxisch-bedingten Leberfibrose
besteht der Verdacht auf eine HIV-assoziierte
Enzephalopathie, die sich zunächst auch bei
normalisierten NH3-Werten kaum bessert. - Auch bei negativer HIV-RNA PCR im Plasma kann die
Viruslast im Liquor nachweisbar sein. Eine HAE
war bei einer langjährigen Therapiegeschichte die
letztlich verbleibende Ausschluss-Diagnose. - Ein Therapiewechsel bzw. eine Ergänzung der
Therapie durch Liquor-gängige Substanzen
(ZNS-Penetrations-Score 2,5) verbesserte die
neurokognitive Situation des Patienten deutlich. - Nach wie vor ist jedoch die Rolle der resistenten
Viren im Liquor für die weitere
Resistenzentwicklung unter Therapie unklar.
Deshalb sollten normalerweise auch Liquor-gängige
Medikamente unter diesem Gesichtspunkt ausgewählt
werden.