Title: Lexical pragmatics meets embodied cognition
1 Pragmatik und FossilisierungReinhard
Blutnerdepartment of philosophy UvA2006
21 Einleitung
- Fossilien sind die mineralisierten Ãœberreste von
Tieren oder Pflanzen oder hinerlassene Spuren wie
Fußabdrücke. Fossilien werden unterteilt in - Körperfossilien Als solche bezeichnet man
vollständig erhaltene Körper von Lebewesen, sowie
auch deren teilweise erhaltenden
Hartteile/Weichteile. - Steinkerne Diese entstehen, wenn Lebewesen einen
Hohlraum im Sediment hinterlassen, der später
ganz oder teilweise mit Sediment verfüllt wird. - Spurenfossilien Spurenfossilien enthalten alle
Hinweise auf Leben, die nicht das Lebewesen
selbst betreffen. Beispielsweise Fußabdrücke,
Bewegungs- und Grabspuren, Ernährungsspuren (Fraß
oder Kot), Fortpflanzungs- und Wohnspuren (Eier,
Nest). wikipedia.org/fossilien
3Fossilisierung in L2
- Warum erreicht kaum ein Erwachsener beim Lernen
einer Zweitsprache eine Sprachbeherrschung, die
der seiner Muttersprache ähnelt? - Antwort Fossilisierung
- Fossilisierung ist allgemein definiert als
Tendenz zum vorzeitigen und dauerhaften Abbruch
der grammatikalischen Entwicklung trotz (a)
kontinuierliches Angebot an L2-Äußerungen, (b)
adäquater Lernmotivation, (c) hinreichend
Gelegenheit die L2 unter realen Bedingungen zu
gebrauchen. - Der Mann verlor die Melone und zerbrach (cf. La
Polla 1997)Dyirbal-Hörer (Konjunktionsreduktion
wie im dt. nicht vorhanden)
4Fossilisierung und Pragmatik
- Sprachen unterscheiden sich darin, welche Aspekte
der Interpretation durch die Grammatik bestimmt
sind und welche der Pragmatik überlassen bleiben - Sprachwandel besteht oft in der einseitigen
Verschiebung dieser Grenze Implikaturen frieren
ein/fossilisieren. - Invited Inferences (Geis Zwicky 1971).
Mechanismus zur Konventionalisierung von
Implikaturen (s. a. Traugott) - Levinson (2000) und Mattausch (2004) im
Zusammenhang mit der Entwicklung von
Bindungsprinzipien
5Fossilisierung und OT
Fossilisierung in der Pragmatik L
L' c1 c1' c2 c2' cn cn'
- Fossilisierung in L2
- (DuBravac 2001)
- L1 L2
- c1 c1'
- c2 c2'
-
- cn cn'
62 Pragmatik und Polysemie
- Lexikalische Pragmatik
- Phänomene
- Semantik und Pragmatik
7Lexikalische Pragmatik
- Lexikalische Pragmatik Beruht auf der
Beobachtung, dass die im Gebrauch kommunizierten
Begriffe sich oft von den durch Wörter kodierten
Begriffen unterscheiden. Untersuchungsgegen-stand
sind die Prozesse, welche die sprachlich
spezifizierten Wort-bedeutungen bei ihrem
Gebrauch modifizieren (Interpretation). - Lexikalische Semantik Beschreibung der
sprachlich kodierten Verbindung zwischen Wörtern
und Begriffe. - Für verschiedene Zugänge s. Grice (1967 1989)
Ducrot (1972 1973 1980 1984) Searle (1979
1993) Lakoff Johnson (1980) Sperber Wilson
(1986 1998) Cruse (1986) Hobbs Martin
(1987) Lakoff (1987) Merlini Barbaresi (1988)
Lahav (1989) Sweetser (1990) Horn (1992 2000)
Aitchison (1994) Bach (1994 2001) Gibbs
(1994) Copestake Briscoe (1995) Franks
(1995) Recanati (1995 forthcoming) Rips
(1995) Bertuccelli Papi (1997) Carston (1997
1999 2002) Noveck, Bianco Castry (2001)
Blutner (1998 2002) Lascarides Copestake
(1998) Ruiz de Mendoza(1998) Lasersohn (1999)
Fauconnier Turner (2002) Wilson Sperber
(2002 2004) Merlini Barbaresi (2003)." (Deirdre
Wilson Relevance and Lexical Pragmatics, p. 1)
8Phänomene
- Bedeutungseingrenzung
- Alle Manager trinken
- Please smoke inside
- Approximative Bedeutungsausweitung
- Dieser Laptop kostet 1000
- Der Mann rennt um das Haus (Barriere, Ecke)
- Metaphorische Bedeutungsausweitung
- Ich sehe den Baum
- Ich sehe was Du meinst
- Ich schmecke/rieche was Du meinst
- Zwarts 2003
- Sweetser 1990
9Semantik und Pragmatik
- Sprachliche (semantische) Unterspezifizierung
- Pragmatischer Interpretationsprozess
- konversationale Implikaturen
- optimalitätstheoretische Behandlung
- Woher kommen die Beschränkungen?
- semantische Beschränkungen sind (teilweise)
pragmatisch motiviert - Pragmatik beeinflusst das semantische System
(Fossilisierung von Implikaturen)
103 Pragmatik in OT
- Konversationelle Implikaturen
- Bidirectionale OT
- Ein Problem für Neo-Grice
- Bidirektionale Optimierung und online
Sprachverarbeitung
11Konversationale Implikaturen
I-principle (termed R by Horn) Q-principle
Quantity 2, Relation Say no more than you must (Horn 1984) Read as much into an utterance as is consistent with what you know about the world Levinson 1983 146f. Quantity 1 Say as much as you can (Horn 1984). Do not provide a statement that is informationally weaker than your knowledge of the world allows, Levinson 1987 401
Conditional perfection, neg-raising, bridging Seeks to select the most harmonic interpretation Interpretive Optimization Scalar implicatures Can be considered as a blocking mechanism Expressive Optimization
(given Q)
(given I)
(bearing
the Q-principle in mind).
unless providing a stronger
statement would contravene the I-principle
12Unidirektionale OT
Contraint-HierarchyC1 gtgt C2 gtgt C3
13Bidirektionale OT
- Betrachte zwei Richtungen der Optimierung
- Hörer-orientiert Expressive Optimierung
- Sprecher-orientiert Interpretative Optimierung
- Gebrauche die gleiche Menge der Constraints und
die gleiche Rangordnung für beide Perspektiven - Somit bewertet der Evaluator Paare von
Repräsen-tationen (z.B. Form-Bedeutungs-Paare) - Starke Bidirektion ein Form-Bedeutungs-Paar
heisst optimal falls es Hörer- und
Sprecher-optimal ist
14Ein Problem für Neo-Grice
- Skalare Implikaturen sind online und
automatisiert verfügbar. (Tanenhaus, Noveck,
Breheny,) - Inkrementalität Natürlichsprachliche Äußerungen
werden inkrementell verarbeitet (z.B.
Pluralinterpretation in Sprachen mit Dual) - Bidirektionale Optimierung nur offline und nicht
inkrementell möglich. - Fossilisierung formt das Kenntnissystem so um,
dass die Lösungen der globalen Optimierung online
und verfügbar sind und inkrementelle Verarbeitung
unterstützen. - Das geschieht dadurch, dass ein bidirektionales
System in ein äquivalentes unidirektionale System
transformiert wird
15Einige und Alle
Erwachsene
10 -11
- Experimentelle Pragmatik Noveck u.a.
- Einige Elefanten leben im Zoo (passend) ja
90 99 - Alle Elefanten leben im Zoo (unpassend) nein
99 99 - Einige Elefanten haben Rüssel (unpassend) ja
85 41 - Alle Elefanten habe Rüssel (passend)
ja 99 96 - Einige Elefanten haben Flügel (absurd) nein
99 98 - Alle Elefanten haben Flügel (absurd) nein 99
99 - Warum denken Kinder logischer als Erwachsene?
- Zwei mögliche Antworten
- Bidirektionales Denken noch nicht entwickelt
- Fossilisierung noch nicht fortgeschritten
16Antwort 1 Erwachen von Bidirektion
- Lexikalische Constraint A alle ?
Mengeninklusion - Referentielle Ökonomie bevorzugt alle gegenüber
einige - Bidirektionale Lösungen
einige
alle
einigealle
17Antwort 2 Fossilisierung
- Lexicalische Constraint A alle ?
Mengeninklusion - Referentielle Ökonomie bevorzugt alle gegenüber
einige - Potentielle lexikalische Constraint B einige ?
Mengenkonsistenz .
einige
alle
einigealle
Constraint B verstärkt
18Erklärungsansätze
Functional Formal
Genetische Evolution Evolutionäre Psychologie (Pinker) Minimalistisches Programm (Chomsky)
Kulturelle Evolution Rekrutierungstheorie (Steels) Iteriertes Lernen (Kirby, Hurford, Jäger)
194 Fossilization in lexical pragmatics Om and
rond
- Jost Zwarts round
- Die Hypothese der stärksten Bedeutung
- om and rond im Niederländischen
- Fossilisierung
20Joost Zwarts round (Englisch)
- a. The postman ran round the block (in a circle)
- b. The burglar drove round the barrier (to the
opposite side) - c. The steeplechaser ran round the corner (to the
other side) - d. The captain sailed round the lake
- e. The tourist drove round the city centre
21Die Hypothese der stärksten Bedeutung
- Dalrymple, M., M. Kanazawa, S. Mchombo S.
Peters (1994). What do reciprocals mean?
Proceedings of SALT 4. - HSB Wähle die logisch stärkste Interpretation,
die bekannten Eigenschaften der assoziierten
(relationalen) Konzepte nicht widersprechen - Die Mädchen kennen einander ? Jedes Mädchen
kennt jedes (andere) Mädchen. - Die Wagen hängen an einander ? Jeder Wagen hängt
an jedem (anderen) Wagen. - Zwarts verwendet diese Idee für die Beschreibung
der Interpretationen von round.
22Die Erzeugung der Kandidatenmenge
- Kernbedeutung von round entspricht dem Konzept
eines Kreises - Damit verbunden ist ein System von möglichen
Bedeutunsg-abschwächungen (diese sind partiell
geordnet)
- vector space semantics
- constancy all vectors have the same length
- completeness there is a vector pointing in every
direction - loop Starting point and end point of the path
are identical - inversion at least a half circle
- orthogonality at least a quarter-circle
- detour any path that does not describe a
straight line
23Anwendung von OT
- Constraints
- FIT Interpretationen sollten dem
konzeptuel-len/linguistischen Kontext nicht
widersprechen - STÄRKE logisch stärkere Interpretationen sind
besser als schwächere.
round the door FIT STÄRKE
completeness
? inversion
orthogonality
detour
24Formvariation im Niederländischen om, rond,
rondom
They sat round the television A man put his head round the door The drove round the obstacle the area round the little town Ze zaten rond (?om) de televisie Een man stak zijn hoofd om (?rond, ?rondom) de deur De auto reed om (?rond, ?rondom) het obstakel heen het gebied rondom (?om) het stadje
- Umweg -------------------------------------------
--------------- Kreis - om Verstärkung ? ? Abschwächung
rond/rondom
25Predikativer Gebrauch von om und rond
- Zwarts (2005) finding using minimal pairs
- rond hat Interpretation m ? rond hat auch jede
stärkere Interpretation - om hat Interpretation m ? om hat auch jede
schwächere Interpretation - Es gibt eine gewisse Überlappung zwischen om and
rond
- Ein Rätsel
- die markierte Form (rond) realisiert die stärkere
( bevorzugte) Interpretation - die unmarkierte Form (om) realisiert die
schwächere Interpretation - Dies widerspricht dem Prinzip der Ikonizität
(Bidirektion)
26Anwendung von Fossilisierung
- Stärke präferiert Kreis gegenüber Umweg
- Lexical constraint A rond ? Kreis
- Markiertheitskonvention präferiert om gegenüber
rond - Potential lexical constraint B om ? Umweg .
om
rond
omrond
Constraint B verstärkt
274 Schlussfolgerungen
- Fossilisierung erklärt wie konversationale
Implikaturen konventionalisiert werden können - Grammaticalization the harnessing of
pragmatics by a grammar (Haiman 1985) - In Rahmen der bidirektionalen OT kann der
Mechanismus der Fossilizierung als kultureller
Lernmechanismus gefasst werden. - Vereinigung von neo-Griceschen und
relevanztheore-tischen Ansätzen. - Neo-Grice Globale Beschreibung der
diachronischen Kräfte - Relevanztheorie Beschreibung einer
synchronischen Theorie der Interpretation (online
inkrementell)