Title: Analyse und Interpretation von Schriften der Questione della lingua
1Analyse und Interpretation von Schriften der
Questione della lingua
2Programmübersicht
3Die Vorläufer der Questione della lingua
- Die Diskussionen im 15. Jahrhundert
4Die Situation im 15. Jahrhundert
- Rückwendung zur Antike
- Wiederentdeckung von antiken Quellen und
klassischen Schriften in Bibliotheken - z.B. entdeckte Poggio Bracciolini in St. Gallen
Quintilians Ausbildung des Redners
51. Die Situation im 15. Jahrhundert
- Humanisten meist als Philologen, Lehrer oder
Gründer von neuen Schulen aktiv - Ausrichtung gegen Scholastik, Logik und Theologie
-
- Ideal der humanae litterae studia humanitatis
als Mittel zur Bildung - Verbreitung der klassischen Literatur durch
Neuerung des Buchdrucks in Italien - ? Erstes gedrucktes Buch war Quintilian (1470)
6Die Situation im 15. Jahrhundert
- Schärfung des historischen Denkens
- Neue philologische Mentalität Anwendung der
Geschichtsforschung auf die Philologie und
objektive Untersuchungen - Mittelalterliche Philologie vs. humanistische
Philologie - klassisch-lateinische Sprachstufe vs. aufkommende
Volkssprachlichkeit
71. Die Situation im 15. Jahrhundert
- erste volkssprachliche Grammatiken in Anlehnung
an Lateingrammatiken - eher inhaltsbezogener als formaler Charakter
- 1. italienische Grammatik Leon Battista Albertis
Grammatichetta vaticana (1435)
8Die Situation im 15. Jahrhundertumanesimo latino
vs. umanesimo volgare
- Ausgangspunkt der questione della lingua
- Dantes De vulgari eloquentia (1304, bzw. 1529)
- 15. Jh. Debatte umanesimo latino vs. umanesimo
volgare - ? Auslöser der Romanität in Europa?
- ? Entstehung des Italienischen?
- ? Gleichwertigkeit des Italienischen mit dem
Lateinischen? - ? Eignung als Kultur- und Wissenschaftssprache?
91. Die Situation im 15. Jahrhundert1.4 umanesimo
latino vs. umanesimo volgare
- Latein als Privileg,
- elegante Sprache einer besseren, gelehrten
Gesellschaftsschicht - Volkssprache Italienisch galt als minderwertig
102. Der metasprachliche Diskurs des 400
2.1Biondo Flavio
- 1435 Streitgespräch um Sprachzustände im antiken
Rom im Vorzimmer des Papstes Eugen IV. in Florenz
zwischen Biondo Flavio und Leonardo Bruni, - anschließend in Briefwechsel (De locutione
romana Epistole) wiedergegeben
11Der metasprachliche Diskurs des 400
- Streitfrage
- Wurde in der Antike eine ähnliche Volkssprache
(volgare) gesprochen, wie im 15. Jahrhundert?
122. Der metasprachliche Diskurs des 400
2.1Biondo Flavio
- Thesen
- (1) Die Volkssprache zu seiner Zeit
unterscheidet sich vom Lateinischen. - (2) Das gesamte Volk sprach in der Antike
Latein, allerdings mit hoher und niederer
Sprachvarietät. - (3) Das Italienische ging durch die Invasion der
Barbaren aus dem Lateinischen
hervor. - (4) Terminologie latina lingua und latine loqui
132. Der metasprachliche Diskurs des 400 2.2
Leonardo Bruni
- Thesen
- (1) Das Volgare der Römer ist dem des 400 sehr
ähnlich. - (2) In der Antike existierten 2 Sprachen
- die litterata lingua der Gelehrten und die
vulgaris lingua des Volkes - (3) Das volgare besitzt keinerlei Grammatik.
- (4) Latein für gelehrte Themen, Italienisch für
cose volgari - (5) Terminologie
- sermo vulgi vs. sermo litteratorum
- atine litterateque vs. latine ac litterate
14Der metasprachliche Diskurs des 400
Monolinguismus in der Antike Diglossie in der Antike
Herausbildung des Italienischen aus dem Lateinischen durch Invasion der Barbaren Latein und Italienisch als zwei verschiedene Sprachen mit linearer Entwicklung
Latina lingua Latine litterateque loqui
15Die Questione della lingua
- Die Hauptströmungen im 16. Jahrhundert
16Die Questione della lingua
- La centralità della questione della lingua non
provocò subito un dibattito capace di coinvolgere
la totalità degli uomini di lettere. Solo nel
Cinquecento le discussioni assunsero la dominanza
.... - (Marazzini 1999, 19)
17Die Questione della lingua
18Die Questione della lingua
- Die Hauptvertreter der wichtigsten Strömungen
19Latein vs. Italienisch
20Die Questione della lingua
- Die Anhänger und Gegner des Lateinischen
- Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte sich, wie
bereits erwähnt, die Einstellung gegenüber der
Volkssprache grundlegend gewandelt. - Die Anhänger des Lateinischen befanden sich auf
einem Rückzugsgefecht.
21Die Questione della lingua
- Die Anhänger des Lateinischen ( Gegner des
Italienischen) - Romolo Amaseo (1489-1552) vertrat seine Kritik am
schriftlichen Gebrauch der Volkssprache auf
Kosten des Lateinischen in dem Traktat De linguae
usu retinendo (1529).
22Die Questione della lingua
- Die Anhänger des Lateinischen
- Moderatere Auffassungen gegenüber dem volgare
vertraten hingegen Carlo Sigomio (1520-1584) in
De Latinae linguae usu retinendo (1566) und
Umberto Foglietta (1518-1581) in De linguae
Latinae usu et praesentia (1574).
23Die Questione della lingua
- Die Anhänger des Lateinischen
- Gleiches taten Francesco Florido (1511-1547) in
der Schrift Apologia (1537) und Celio Calcagnini
(1479-1541) in der Abhandlung De institutione
Commentatio (1544) wandte.
24Die Questione della lingua
- Die Anhänger des Italienischen
- Gegen die Polemiken von Ameseo und Florido hatte
Alessandro Citolini bereits 1540 seine Lettere in
difesa de la lingua volgare verfasst, in der er
sich sowohl gegen das Lateinische als auch gegen
eine zu enge Bindung an das Trecento-Florentinisch
e
25Die Questione della lingua
- Die Anhänger des Lateinischen
- Die Gedanken Citolinis griff Valerio Marcellino
in seiner Lettera, over Discorso intorno alla
lingua volgare (1564) wieder auf.
26Die Questione della lingua
- Die Anhänger des Florentinischen
- Die größte und einflussreichste Gruppe der
Anhänger des volgare orientierte sich am
Florentinischen. - Dieses Sprachmodell wurde in zahlreichen
Grammatiken, Wörterbüchern und theoretischen
Traktaten vertreten, wobei sich die Anhänger
dieser Varietät in drei Hauptgruppen einteilen
lassen.
27Die Questione della lingua
28Die Anhänger des Trecento-Florentinischen
- Die Questione della lingua
29Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- Pietro Bembo war zweifelsohne die große
Galionsfigur der Befürworter des
Trecento-Florentinischen auf der Grundlage eines
Musterkanons.
30Die Questione della lingua
- Pietro Bembo (
- als junger Mann)
- Bereits in seinem Werk Asolani (1505) hatte er
seine Sprachtheorie in die Praxis umgesetzt. - Bembo war jedoch nicht nur Anhänger des volgare,
sondern auch ein Experte für klassische
Philologie, der das ciceronianische Latein
gegenüber eklektischen Varietäten verteidigte.
31Die Questione della lingua
- Pietro Bembo (Jugendportrait)
- Zwischen 1492 und 1494 erlernte er außerdem die
griechische Sprache bei Lascaris in Messina. - Sein erstes Werk, De Aetna (1496), verfasste er
in lateinischer Sprache, ebenso seinen Traktat De
imitatione (1513), der an Giovan Francesco Pico
(1469-1533) gerichtet war.
32Die Questione della lingua
- Bembos Hauptwerk, die Prose della volgar lingua
(1525), verhalfen dem Trecento-Florentinischen
schließlich zum Durchbruch
33Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- Am Anfang der historisch ausgerichtetenen
Grammatikographie standen Giovanni Francesco
Fortunios Regole grammaticali della volgar lingua
(1516), die im Zusammenhang mit der Drucklegung
von Werken der großen Trecentisten sowie deren
kritischer Rezeption entstanden sind.
34Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- Im Bereich der Grammatikographie und
Lexikographie sei ferner auf die in Venedig
erschienenen Tre fontane (...) in tre libri
divise, sopra la grammatica, et eloquenza di
Dante, Petrarcha, et Boccaccio (1526) des aus
Friaul stammenden Niccolò Liburnio verwiesen.
35Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- Noch einige Jahre zuvor hatte Liburnio in seiner
Schrift Le vulgari elegantie (1521) neben Dante,
Boccaccio und Petrarca auch eine Reihe moderner
Autoren vorgeschlagen. - Diese eklektische Position hat er wohl nicht
zuletzt unter dem Einfluss von Bembos Ideen
aufgegeben.
36Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- Ein Autorenwörterbuch mit dem Lexeminventar
Boccaccios veröffentlichte der aus Rom stammende
Lucilio Minerbi im Jahre 1535 in Venedig unter
dem Titel Il Decamerone di M. Giovanni Boccaccio
col Vocabulario di M. Lucilio Minerbi.
37Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- Ebenfalls in Venedig publizierte der aus Ferrara
stammende Francesco Alunno (eigentlich Francesco
Del Bailo) seine Schriften Osservationi sopra il
Petrarca (11539, 21550), Ricchezze della lingua
volgare sopra il Boccaccio (1543) und Fabrica del
mondo (1548). - In letzterer werden Dante, Boccaccio und Petrarca
als modellhafte Autoren vorgeschlagen.
38Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- In Cento bei Ferrara erschien das Vocabulario,
Grammatica, et ortographia de la lingua volgare
(...) con isposizioni di molti luoghi di Dante,
del Petrarca et del Boccaccio (1543) von Alberto
Acarisio.
39Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- Der Sprachtheoretiker Sperone Speroni (1500-88)
griff Bembos Ideen im Dialogo delle lingue (ca.
1542) wieder auf.
40Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- Ein weiterer einflussreicher Anhänger dieser
Richtung war Leonardo Salviati (1540-89), einer
der Mitbegründer der Accademia della Crusca und
Initiatoren des Vocabolario degli Accademici
della Crusca (11612), das großen Einfluss auf die
Standardisierung der italienischen Sprache auf
alttoskanischer Grundlage genommen hatte.
41Die Questione della lingua
- Die Vertreter des Trecento-Florentinischen
- Das Erscheinen des Wörterbuches konnte Salviati
zwar nicht mehr erleben, doch es zeigt deutlich
den Einfluss seiner Sprachprogrammatik, die er
bereits Jahre zuvor in den Avvertimenti della
lingua sopra l Decamerone (1584-86)
niedergeschrieben hatte.
42Die Questione della lingua
- Die Vertreter des modernen Florentinischen
- Im Cinquecento hat es nicht an kritischen Stimmen
gegenüber den Auswüchsen einer rückwärtsgewandten
Sprachpolitik gefehlt.
43Die Questione della lingua
- Die Vertreter des modernen Florentinischen und
sonstige Gegner Bembos - Zu den Verfechtern einer gesamtitalienischen
Standardsprache auf der Grundlage des modernen
Florentinischen zählte z.B. Niccolò Machiavelli
(1469-1527), der seine Gedanken im Dialogo
intorno alla nostra lingua (ca. 1515)
niedergelegt hat.
44Die Questione della lingua
- Die Vertreter des modernen Florentinischen und
sonstige Gegner Bembos - Überhaupt kamen nicht wenige der Gegner des
Trecento-Toskanischen aus der Toskana, z.B. - Claudio Tolomei, Cesano (entst. 1527-28 gedr.
1555), - Giambattista Gelli, Ragionamento sopra le
difficoltà del mettere in regola la nostra lingua
(1551) - Pier Francesco Giambullari, Gello (1546) und
Della lingua che si parla e si scrive in Firenze
(1551).
45Die Questione della lingua
- Die Vertreter des modernen Florentinischen und
sonstige Gegner Bembos - Benedetto Varchis (1503-1565) Ercolano, dialogo
nel quale si ragiona delle lingue e in
particolare della fiorentina e della toscana
erschien posthum 1570.
46Die Questione della lingua
- Vincenzo Borghini (1515-1580) schrieb einen
Schizzo dun trattatello della lingua volgare und
befasste sich darüber hinaus in seinen Studi
sulla Divina Commedia und Annotationi e discorsi
sopra alcuni luoghi del Decameron mit Dante und
Boccaccio. - Er sprach sich zwar für einen literarischen Kanon
der Werke des Trecento aus, betrachtete Bembos
Modell jedoch als zu eng.
47Die Questione della lingua
- Die Vertreter der höfischen Koine und andere
Gegner des Primats des Florentinischen - Neben den Anhängern des mittelalterlichen und
modernen Florentinischen bildeten die Vertreter
einer höfischen Koine die dritte bedeutende
Gruppe derer, die das volgare gegenüber dem
Lateinischen bevorzugten. - Ihre sprachtheoretischen Ideen haben sie
allerdings nur selten in systematischen Schriften
hinterlassen. - So dienen vor allem die Traktate ihrer Gegner dem
Sprachhistoriker Hauptquelle.
48Die Questione della lingua
- Die Vertreter der höfischen Koine und andere
Gegner des Primats des Florentinischen - Zu den namhaftesten Repräsentanten gehörte
Vincenzo Colli (gest. 1508), genannt Calmeta. - Sein Traktat Della volgar lingua ist zwar
verschollen, doch sind seine Gedanken indirekt
bei Bembo und Castelvetro belegt. - Weitere Anhänger der Koine waren Equicola und
Colocci.
49Die Questione della lingua
- Die Vertreter der höfischen Koine und andere
Gegner des Primats des Florentinischen - Der bekannteste Vertreter der lingua cortigiana
war Baldassare Castiglione (1478-1529). - Seine Ideen zur Sprache hat er auf wenigen Seiten
in seinem Werk Il Cortegiano (1528) dargelegt.
50Die Questione della lingua
- Die Vertreter der höfischen Koine und andere
Gegner des Primats des Florentinischen - Auch Gian Giorgio Trìssino (1478-1550)
propagierte in seinem Dialog Il castellano (1529)
eine höfische Mischsprache.
51Die Questione della lingua
- Die Vertreter der höfischen Koine und andere
Gegner des Primats des Florentinischen - Zuvor hatte Trìssino in seiner Epistola intorno
alle lettere nuovamente aggiunte (1524) eine
Orthographiereform unter Zuhilfenahme
griechischer Buchstaben vorgeschlagen, die von
verschiedenen Philologen heftig kritisiert wurde,
52Die Questione della lingua
- z.B. von Ludovico Martelli (1503-31) in der
Risposta alla epistola del Trissino delle lettere
nuovamente aggiunte alla lingua volgare
fiorentina (1524), von Agnolo Firenzola
(1493-1543) im Discacciamento de le nuove lettere
inutilmente aggiunte ne la lingua toscana (1524),
von Claudio Tolomei im Polito, de le lettere
nuovamente aggiunte nella volgar lingua (1525)
sowie von Niccolò Liburnio im Dialogo sopra le
lettere del Trissino nuovamente imaginate nelle
cose della lingua italiana (1525).
53Die Questione della lingua
- Die Vertreter der höfischen Koine und andere
Gegner des Primats des Florentinischen - Trissino bediente sich der Autorität Dantes gegen
das Sprachmodell Bembos. - Im Jahre 1529 publizierte er anonym Dantes De
vulgari vulgari eloquentia in italienischer
Übersetzung
54Die Questione della lingua
- Die Hauptströmungen im 17. Jahrhundert
55Die Questione della lingua
- Das 17. Jahrhundert
- Im Rahmen der Sprachdiskussion können wir vier
Hauptströmungen unterscheiden - 1. die Vertreter und Anhänger der Accademia della
Crusca - 2. die Gegner des archaischen Sprachmodells der
Crusca nach der Publikation des Vocabolario
(1612) - 3. die Scuola senese, d.h. die Gegner des
florentinisch dominierten Sprachmodells aus
Siena - 4. die Anhänger diverser lokaler Varietäten.
56Die Questione della lingua
57Die Questione della lingua
- Die Accademia della Crusca wurde 1583 in Florenz
gegründet. - Sie ist als die älteste europäische
Sprachgesellschaft und Vorbild der deutschen
Fruchtbringenden Gesellschaft (1618), der
Académie française (1634) sowie der Real Academia
Española (1713).
58Die Questione della lingua
- Sie war aus einem privaten Florentiner
Literaturzirkel hervorgegangen. - Ab 1570 trafen sich in regelmäßigen Abständen
einige befreundete Literaten (brigata dei
crusconi), die sich gegen den pedantischen Ernst
der von den regierenden Medici unterstützten
Accademia fiorentina wandten und Gespräche über
heitere Themen führten.
59Die Questione della lingua
- Die Mitglieder bezeichneten sich scherzhaft als
crusconi (Kleieflocken). - Als Symbol der Gesellschaft wurde eine Mehlmühle
gewählt, wobei die Reinheit des Mehls eine
Metapher für die Reinheit der Sprache war. - Jedes Mitglied der Gesellschaft hatte einen
Beinamen und ein Motto, das etwas mit Kleie (it.
crusca) zu tun hat und musste der Accademia sein
Wappen in Form eines Scheffels schenken.
60Die Questione della lingua
- Abb. Die Villa medicea, heutiger Sitz der
Accademia della Crusca
61Die Questione della lingua
- Das Ziel der Accademia della Crusca bestand
darin, die italienische Sprache zu wahren und zu
fördern. - Das Motto Il più bel fior ne coglie ist einem
Gedicht Petrarcas entnommen.
62Die Questione della lingua
- Die Rezeption des Vocabolario degli Accademici
della Crusca - Bereits im Erscheinungsjahr der ersten Ausgabe
veröffentlichte Paolo Beni sein Werk Anticrusca
overo Il paragone dellItaliana lingua, in dem
der Ausschluss großer Autoren des 16.
Jahrhunderts ebenso kritisiert wird wie die
sklavische Festlegung auf das altflorentinische
Modell
63Die Questione della lingua
- Zu den prominenten Gegnern des Sprachkonzepts der
Accademia della Crusca gehörte neben Paolo Beni
der aus Modena stammende Dichter Alessandro
Tassoni (1565-1635). - In seinen Considerazioni sopra le rime del
Petrarca (1609) beispielsweise wandte er sich
gegen den Petrarkismus, d.h. gegen die Festlegung
auf ein bestimmtes literarisches Modell. - Unter dem Namen Tassonis wurden 1698 die
Annotazioni sopra il Vocabolario della Crusca
veröffentlicht, deren Autor in Wirklichkeit der
ebenfalls aus Modena stammende Giulio Ottonelli
war.
64Die Questione della lingua
- Auch der bekannteste Theoretiker der barocken
Ästhetik, der aus Turin stammende Literat
Emanuele Tesauro (1592-1675), kritisierte in
seinem Cannocchiale aristotelico (1654, 1670) den
Konservativismus der Crusca.
65Die Questione della lingua
- Der Dichter Scipione Errico (1592-1670)
verurteilte die Archaismen des Vocabolario degli
Accademici della Crusca und verteidigte die
Sprache des Barockdichters Marino im Occhiale
appanato (1629). - Seine bereits 1626 erschinene Komödie Le rivolte
di Parnaso enthält ebenfalls kritische
Anmerkungen zur Crusca.
66Die Questione della lingua
- In Diodato Franzonis fiktivem Dialog LOracolo
della lingua dItalia (1641) diskutieren Celso
Cittadini (Vertreter der toskanischen Position)
und Paolo Beni (Vertreter der Position des
Verfassers) auf Einladung Apolls über die
italienische Sprache. - Ein weiterer prominenter Crusca-Gegner war der
Jesuit Daniello Bartoli (1608-1685). - Den Purismus der Akademie bekämpfte er jedoch
ohne zu polemisieren in seiner Schrift Torto e
diritto del non si può (1655).
67Die Questione della lingua
- Ein wichtiger Vertreter des konservativen
Sprachideals war Carlo Roberto Dati (1619-1676). - Er war Mitglied zahlreicher Akademien und hatte
zeitweise auch das Amt des arciconsolo der
Accademia della Crusca inne. - Unter seiner Präsidentschaft wurde die dritte
Ausgabe des Wörterbuches in die Wege geleitet,
die allerdings erst fünfzehn Jahre nach Datis Tod
erscheinen konnte. - Dati ist ferner Autor des Discorso dellobbligo
di ben parlare la propria lingua (1657), in dem
eine puristische Position vertreten wird.
68Die Questione della lingua
- Innerhalb der Toskana kam die stärkste Kritik am
florentinischen Sprachmodell aus Siena, deren
Einwohner ihren Willen nach sprachlicher
Unabhängigkeit immer wieder zum Ausdruck
brachten.
69Die Questione della lingua
- Celso Cittadini (1553-1627) beispielsweise weist
im Titel einer sprachhistorischen Abhandung
darauf hin, dass sie auf Sienesisch abgefasst
ist Trattato della vera origine, e del processo,
e nome della nostra Lingua, scritto in vulgar
Sanese (1601). - In seinem Traktat Deglidiomi toscani, der 1721
posthum von Girolamo Gigli (1660-1722), einem
erklärten Gegner der Florentiner Sprachhegemonie,
veröffentlicht wurde, beschreibt er die
diatopische Variation innerhalb des Toskanischen
70Die Questione della lingua
- Die Sprachdiskussion im frühen 18. Jahrhundert
konzentrierte sich weiterhin auf den Konflikt
zwischen Traditionalisten und Modernisierern,
während das Vocabolario degli Accademici della
Crusca, das zwischen 1729 und 1738 seine vierte
Auflage erlebte, mittlerweile auf internationaler
Ebene rezipiert und im Rahmen der zweisprachigen
Lexikographie nutzbar gemacht wurde.
71Die Questione della lingua
- Die Hauptströmungen im 18. Jahrhundert
72Die Questione della lingua
- Mit dem Aufkommen aufklärerischer Ideen gegen
Mitte des 18. Jahrhunderts wuchs erneut die
Kritik am archaischen Sprachmodell. - Die Accademia della Crusca, deren Identitätskrise
offensichtlich war, wurde schließlich 1783 mit
der Accademia fiorentina und der Accademia degli
Apatisti zwangsvereinigt.
73Die Questione della lingua
74Die Questione della lingua
- Heftige Kritik am archaischen Sprachkonzept übten
auch die Brüder Pietro (1728-97) und Alessandro
Verri (1741-1816).
75Die Questione della lingua
- Sie waren die Mitbegründer der aufklärerischen
Zeitschrift Il Caffè, die zwischen 1764 und 1766
in Mailand erschien. - In ihr veröffentlichte Alessandro Verri die teils
polemischen Artikel gegen die Crusca Rinunzia
avanti notaio degli autori del presente foglio
periodico al Vocabolario della Crusca (IV,
1764/65), Saggio di legislazione sul pedantismo
(XIII-XIV, 1764/65) und Promemoria che serve a
maggior spiegazione della rinuncia al Vocabolario
della Crusca (XXI, 1764/65).
76Die Questione della lingua
- Die Hauptströmungen im 19. Jahrhundert
77Die Questione della lingua
- Anhänger und Gegner des Crusca-Modells
- Unter der Herrschaft Napoleons über Nord- und
Mittelitalien wurde 1811 die Autonomie der
Accademia della Crusca wiederhergestellt. - Zu ihren Aufgaben gehörte die Herausgabe einer
neuen Ausgabe des Wörterbuchs, die Reinhaltung
der Sprache sowie ein Literaturwettbewerb.
78Die Questione della lingua
- Auch die Sprachdiskussion wurde erneut von
konservativem Gedankengut bestimmt.
79Die Questione della lingua
- Einer der wichtigsten Sprachtheoretiker des
frühen 19. Jahrhunderts war der Veroneser
Schriftsteller Antonio Cesari (1760-1828).
80Die Questione della lingua
- Cesari brachte erneut das puristische
Trecento-Modell der Accademia della Crusca auf
die Tagesordnung. - Seine Thesen vertrat er in seiner zwischen 1808
und 1809 erschienenen Dissertazione sullo stato
presente della lingua italiana. - Im gleichen Zeitraum brachte er eine Bearbeitung
des Vocabolario della Crusca (1806-1811) heraus,
das auch als Crusca veronese bekannt ist. - Zwischen 1824 und 1826 veröffentlichte er die
Bellezze della Commedia di Dante Alighieri.
81Die Questione della lingua
- Alessandro Manzoni (1785-1873) und das moderne
Florentinische - 1827-42 Überarbeitung der Promessi Sposi
- Commissione per l'unificazione della lingua
- Dell'unità della lingua italiana e dei mezzi per
diffonderla (1868)
82Die Questione della lingua
83Die Questione della lingua
- Manzonis Überarbeitung seines Romans
84Die Questione della lingua
- Zu den prominentesten Gegnern der Ideen Manzonis
gehörte der Dialektologe Graziadio Isaia Ascoli
(1829-1907). - Er lehnte die von Alessandro Manzoni favorisierte
neuflorentinisch geprägte italienische
Nationalsprache ab und sprach sich für einen
Ausgleich der Dialekte aus.
85Die Questione della lingua
- Die Hauptströmungen im 20. Jahrhundert
86Die Nuova questione della lingua
- Der Schriftsteller, Regisseur und Essayist Pier
Paolo Pasolini (1922-1975) brachte mit seinem
Artikel Nuove questioni linguistiche, der am 26.
Dezember 1964 in der Zeitschrift Rinascita
erschienen war, eine neue sprachtheoretische
Debatte in Gang. - Die Kernaussage des Aufsatzes ist, dass die
Industrie- und Konsumkultur Norditaliens zum
ersten Mal in der Geschichte die Voraussetzungen
für eine wirkliche italienische Nationalsprache
geschaffen hat.