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Title: PowerPoint-Pr sentation Author: Frieder D nkel Last modified by: RSF Created Date: 6/16/2004 4:45:42 PM Document presentation format: Bildschirmpr sentation – PowerPoint PPT presentation

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Title: T


1
Täter-Opfer-Ausgleich und Neue Ambulante
Maßnahmen im deutschen (Jugend-)Strafrecht
  • Prof. Dr. Frieder Dünkel
  • 2008

2
Täter-Opfer-Ausgleich,Betreuungsweisung,
Soziales Training, gemeinnützige Arbeit -
Empirische Befunde zur Anwendungspraxis,
Praktikabilität und Evaluation
Die neuen ambulanten Maßnahmen nach dem
deutschen Jugendgerichtsgesetz
3
1. Historische Entwicklung und rechtliche
Grundlagen der neuen ambulanten Maßnahmen (NAM)
  • Die NAM haben sich seit Ende der 1970er Jahre in
    der alten BRD als Reformbewegung von unten
    entwickelt.
  • Jugendstrafrechtsreform durch die Praxis
  • Zunächst vor allem im Rahmen sog. Brücke-Projekte
    in Verbindung von Betreuungsweisungen (BW) und
    gemeinnütziger Arbeit.
  • Der Soziale Trainingskurs (STK) entwickelte sich
    seit Anfang, der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) seit
    Mitte der 1980er Jahre ebenfalls vorwiegend im
    Rahmen privater Jugendhilfeträger

4
Historische Entwicklung (2)
  • Mit dem 1. JGG-ÄndG von 1990 wurden die vom
    Gesetzgeber positiv bewerteten Erfahrungen ins
    Gesetz übernommen,
  • der STK und die Betreuungsweisung als
    richterliche Weisung nach  10,
  • die gemeinnützige Arbeit als Weisung und Auflage
    (AW/AA zudem als Form der informellen
    Verfahrenseinstellung, vgl. 45 III) und
  • der TOA als informelle Verfahrenserledigung gem.
    45 II sowie als richterliche Weisung.

5
Historische Entwicklung (3)
  • Die Auswirkungen des 1. JGG-ÄndG sind
    beträchtlich
  • im Zweijahreszeitraum nach dem 1.12.1990 wurden
    erheblich mehr neue Projekte registriert als im
    vergleichbaren Zeitraum vor der Reform
  • siehe nachstehende Tabelle

6
Zuwachsraten der Angebotsentwicklung vor und nach
dem 1. JGG-ÄndG von 1990 in den alten
Bundesländern
7
Angebotsentwicklung in den neuen Bundesländern im
Maßnahmenvergleich
8
2. Quantitative Bedeutung der NAM im Überblick
  • Ergebnisse der bundesweiten Bestandsaufnahme
    (Dünkel/Geng/Kirstein 1998 DVJJ-Journal 1999)
  • Die NAM sind weitgehend flächendeckend etabliert.
  • Die Angebotsstruktur in den neuen Bundesländern
    ist derjenigen in den alten Bundesländern
    vergleichbar.
  • Entwicklung der NAM in den neuen Bundesländern
    (Steffens 1997 Schwerin-Witkowski 2003
    Dünkel/Scheel/Schäpler in ZJJ 2003)
  • Trotz der wirtschaftlich problematischen Lage hat
    sich der Ausbau des Maßnahmeangebots in den neuen
    Bundesländern fortgesetzt.
  • Dabei lässt sich eine Verlagerung von der
    Jugendgerichtshilfe hin zu freien Trägern
    feststellen.

9
3. Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) Definition und
Zielsetzungen
  • Bemühungen, die nach einer Straftat zwischen
    Tätern und Geschädigten bestehenden Probleme,
    Belastungen und Konflikte zu bereinigen. 
  • Über die konkrete Schadenswiedergutmachung bzw.
    Konfliktschlichtung hinaus sind Ziele des
    Täter-Opfer-Ausgleichs
  • 1.  Stärkung der Opferbelange im Rahmen der
    Strafver-folgung, einschließlich der Vermeidung
    weitergehender zivilrechtlicher
    Auseinandersetzungen (wegen Scha-densersatz,
    Schmerzensgeld).
  • 2.  Verdeutlichung der Norm beim Täter (um
    Neutra-lisationstechniken zu vermeiden und eine
    aktive Übernahme von Verantwortung zu bewirken).
  • 3.  Vermeidung, zumindest Milderung
    strafrechtlicher Sanktionen.

10
(No Transcript)
11
3.1 Zuweisungskriterien für den TOA in der
Praxis der Projekte
  • Zugangsvoraussetzungen
  • 1. Eindeutig geklärter Sachverhalt bzw. Täter ist
    geständig.
  • 2. Im Regelfall persönlich geschädigtes Opfer.
  • 3. Täter und Opfer stimmen dem Ausgleichsversuch
    zu.
  • 4. Sog. Bagatellklausel, d. h. T-O-A nur, wenn
    die folgenlose Einstellung des Verfahrens nicht
    in Betracht kommt.
  • 5. Keine zu starke Schädigung des Opfers bzw.
    kein zu schweres Delikt.

12
3.2 Rechtliche Anknüpfungspunkte des TOA -
Jugendstrafrecht
  • 45, 47 JGG (vgl. insbesondere den 1990
    eingefügten 45 II S. 2, der den T-O-A als
    erzieherische Maßnah-me besonders hervorhebt).
  • 10 I Nr. 7 JGG (richterliche Weisung
    dogmatisch be-denklich, da der T-O-A theoretisch
    auch gegen den Willen der Beteiligten angeordnet
    werden kann).

13
Rechtliche Anknüpfungspunkte des TOA -
Erwachsenenstrafrecht
  • 153 ff. StPO (insbesondere 153a StPO
    Einstellung des Verfahrens nach erfolgter
    Wiedergutmachung oder gegen ein Anerbieten von
    Wiedergutmachungsleis-tungen).
  • 155a, 155b StPO (StA und Gericht prüfen in
    jedem Stadium des Verfahrens, ob ein TOA
    angezeigt erscheint)
  • 46a StGB (Absehen von Strafe, sofern max. 1
    Jahr FS verwirkt ist, oder Milderung der Strafe
    wenn ernsthafte Bemühungen oder tatsächliche
    Leistungen i. S. v. TOA/Wiedergutmachung
    vorliegen, oder das Opfer unter erheblichen
    persönlichen Leistungen ganz oder zum
    überwiegenden Teil entschädigt wurde)

14
Rechtliche Anknüpfungspunkte des TOA
Erwachsenenstrafrecht (2)
  • 23 StGB (Bewährungsauflage)
  • 57 V StGB (bedingte Entlassung aus dem
    Strafvollzug)

15
3.3 Jugendkriminalpolitische Grundsätze und
straftheoretische Ausgangspunkte des TOA
  • Jugendkriminalpolitische Grundsätze
  • Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. 45 Abs. 2
    (Vorrang der Diversion)
  • Vorrang des Erziehungsgedankens
    (spezialpräventive Aspekte des TOA)
  • Straftheoretische Ausgangspunkte
  • Der TOA entspricht spezial- und (positiv)
    generalprä-ventiven Zielsetzungen, kann aber auch
    als selbständige Dritte Spur (neben Strafen und
    Maßregeln) angesehen werden (Konfliktschlichtungsp
    aradigma als eigener Strafzweck)

16
3.4 Kriminalitätstheoretische Annahmen des TOA
  • Kriminalitätstheoretische Annahmen
  • Neutralisationstechniken
  • Herabwürdigung,
  • Entmenschlichung des Opfers,
  • werden beseitigt,
  • Hemmschwellen durch die Konfrontation mit dem
    Leid des Opfers aufgebaut.

17
Kriminalitätstheoretische Annahmen des TOA (2)
  • Von großem Einfluss ist die Theorie des
    Re-integrative Shaming von Braithwaite (1989).
  • Danach soll der natürliche Instinkt der Scham
    genutzt werden, um das Unrecht zu verdeutlichen,
    andererseits die Wiedereingliederung in die
    Gemeinschaft durch Vergebung erfolgen
  • Christliche Parallele Hasse die Sünde, aber
    liebe den Sünder!
  • Kriminalpolitische Konsequenzen
  • Restorative justice, family group conferencing u.
    ä.

18
3.5 Anwendungsbereiche des TOA
  • Deliktsstruktur vor allem Körperverletzungsdelikt
    e, Diebstahl, Sachbeschädigung, Beleidigung,
    teilweise auch schwerere Delikte wie Raub.
  • Zunehmend wird der TOA auch im Bereich
    mittel-schwerer Kriminalität angewendet, d. h.
    die Befürch-tungen, dass der T-O-A auf
    Bagatelldelinquenz be-schränkt bleibt, bestätigen
    sich nicht.
  • Allerdings werden vorwiegend Ersttäter
    einbezogen, mehrfache Wiederholungstäter dagegen
    weniger.

19
3.6 Anwendungspraxis und Methoden des TOA
  • Methoden
  • Im Mittelpunkt steht die persönliche Begegnung
    von Täter und Opfer in einem Schlichtungs- oder
    Aus-gleichsgespräch (in Anwesenheit eines
    Mittlers, Konfliktschlichters).
  • Der T-O-A ist kein Behandlungskonzept, sondern
    eine soziale Kurzintervention, die allerdings
    auch Lerner-fahrungen (Normverdeutlichung,
    Vermittlung von Hemmschwellen durch
    Bewusstmachung des Leids des Opfers) im Hinblick
    auf das Verantwortungsbewusst-sein des Täters für
    die Folgen eigenen Handelns und auf eventuell
    vorhandene Feindbilder, Aggressionen oder Ängste
    beider Parteien bietet.

20
Arbeitsschritte bei der Durchführung des TOA
  • 1. Kontaktaufnahme mit den Konfliktparteien
  • Schilderung der subjektiven Sichtweise
  • Klärung der Mitwirkungsbereitschaft
  •    Klärung der Vorstellungen über die
    Wiedergutmachung
  • 2. Das Schlichtungsgespräch
  •    Gesprächseinstieg
  •    Aufarbeitung der Tat und der
    Konfliktsituation
  •    Verhandlung über eine Wiedergutmachung
  •     Gesprächsabschluss
  • 3. Abwicklung der Wiedergutmachung

21
Mögliche Probleme beim Täter-Opfer-Ausgleich
  • Der Täter
  • hat noch andere, u. U. schwerere Straftaten
    begangen
  • beteiligt sich nur am TOA, um ein Strafverfahren
    zu vermeiden,
  • verfügt nicht über ausreichendes Einkommen, um
    einen materiellen Schaden wieder gut zu machen,
  • kommt nicht zum Erstkontakt,
  • versucht den Vermittler zu vereinnahmen,
  • bagatellisiert oder neutralisiert die Tat,
  • hält die getroffene Vereinbarung nicht ein.

22
Mögliche Probleme beim Täter-Opfer-Ausgleich (2)
  • Das Opfer
  • hat kein Interesse an einer Konfliktschlichtung
  • erscheint nicht zum Erstkontakt
  • übt über zivilrechtliche Forderungen Druck aus
  • hat Angst vor dem Täter
  • versucht den Vermittler zu vereinnahmen
  • hat gegenüber dem Täter ein Strafbedürfnis

23
Mögliche Probleme beim Täter-Opfer-Ausgleich (3)
  • Probleme bzgl. anderer Verfahrensbeteiligter
  • Eltern (oder andere Bezugspersonen) agieren im
    Schlichtungsverlauf für Täter oder Opfer,
  • Eltern des Täters übernehmen den
    Schadensausgleich,
  • Richter/Staatsanwalt macht bei der Zuweisung
    eines Falles Vorgaben,
  • Anwälte erschweren oder behindern die
    Konfliktschlichtung,
  • Dritte (z. B. Versicherung) melden Forderungen
    an.

24
  • Fragen in Bezug auf das Schlichtungsgespräch
  • Wie kann der Vermittler trotz der emotionalen
    Anspannung einen Gesprächseinstieg fördern?
  • Wie kann die Tat im Schlichtungsgespräch
    aufgearbeitet werden?
  • Wie weit sollte der Vermittler die Beteiligten
    mit der Tat konfrontieren?
  • Wie kann der Vermittler im Schlichtungsgespräch
    mit einem Machtgefälle zwischen den
    Konfliktparteien umgehen?

25
  • Übergreifende Fragen
  • Wie stark und/oder aktiv sollte der Vermittler in
    den Konfliktschlichtungsverlauf eingreifen?
  • Wie bewältigt der Vermittler die Gratwanderung
    zwischen Neutralität und Parteinahme?
  • Wie geht der Vermittler mit den unterschiedlichen
    Normen aller Beteiligten (Täter, Opfer,
    Staatsanwaltschaft, Gericht, JGH, TOA-Träger) um?
  • Wie kann der Vermittler im Konfliktschlichtungsver
    lauf mit Tätern oder Opfern anderer Kulturen,
    Normen, Schichten, Gruppen, anderen Geschlechts
    umgehen?

26
3.7 T-O-A-Projekte
  • Nach einer Umfrage von 1994/95 (LS f.
    Kriminologie, Greifswald) gaben 70 der
    Jugendämter in den alten, 88 in den neuen
    Bundesländern an, T-O-A selbst oder über einen
    freien Träger anzubieten (Bundesgebiet insgesamt
    74).
  • Allerdings handelte es sich nur in 21 der Fälle
    (d. h. der Jugendamtsbezirke mit TOA-Angebot) um
    ein schwer-punktmäßiges Angebot (mit
    spezialisierten Mitarbeitern, ABL 20, NBL
    23).
  • Die jährlichen Fallzahlen bleiben nach wie vor
    gering Die Hälfte der Jugendämter mit einem
    T-O-A-Angebot bearbeitete 1993 nicht mehr als 8
    Fälle pro Jahr, 75 nicht mehr als 20 Fälle.
  • Insgesamt hat sich in den neuen BL eine
    vergleichbare Angebotsstruktur und Praxis
    entwickelt.

27
Angebotsverteilung des Täter-Opfer-Ausgleichs im
Bundesländervergleich
28
3.8 Fallzahlen
  • Pro Sozialarbeiter ca. 80-100 Täter pro Jahr ca.
    3-8 der anklagefähigen Verfahren werden erfasst.
    Geschätzt wird, dass ca. 30 der
    Jugendstrafverfahren für einen T-O-A (oder die
    Wiedergutmachungsauflage) in Betracht kommen.
  • Das Potential für restitutive Sanktionen
    insgesamt, ein-schließlich gemeinnütziger Arbeit
    ist weit größer
  • 2003 erhielten allein 42 (n 42.220) der in den
    alten Bundesländern nach JGG Verurteilten (n
    101.562) eine Arbeitsauflage (die Zahl von
    Arbeitsweisungen durch Urteil oder im Rahmen der
    Diversion ist statistisch nicht ausgewiesen).

29
3.9 Ausgleichserfolge und Rückfälligkeit
  • Ca. 60-75 der Fälle werden erfolgreich
    abgeschlossen, d. h. mit einer einvernehmlichen
    Regelung zwischen Täter und Opfer,
  • 70-85 der Ausgleichsfälle werden informell, d.
    h. mit der Einstellung des Verfahrens erledigt.
    Die Geschädig-ten zeigen sich ganz überwiegend
    mit dem Ausgleich zufrieden.
  • Die Rückfallquote bei erfolgreichen TOA-Fällen
    ist ten-denziell niedriger als bei
    eingriffsintensiveren, insbeson-dere
    freiheitsentziehenden Sanktionen, jedoch fehlt es
    weitgehend an methodisch anspruchsvollen
    empirischen Evaluationsstudien.

30
Theoretische Funktionen des TOA im Hinblick auf
die Rückfallprävention
  • Verdeutlichung der Grenzen durch Konfrontation
    mit den Folgen der Tat (Normverdeutlichung),
  • Modellfunktion für verantwortliches prosoziales
    Verhalten,
  • Förderung von Lernprozessen durch konformes
    Verhalten,
  • Verstärkung der Akzeptanz gewaltfreier
    Lösungsmöglichkeiten,
  • Förderung der Integration in die Gemeinschaft.

31
Rückfallstudien zum TOA
  • In einer Untersuchung von Dölling/Hartmann/Traulse
    n (MschrKrim 2002, S. 185 ff.) wurden die
    erfolgreichen TOA-Fälle zwar in vergleichbarem
    Maß wie eine Vergleichs-gruppe erneut auffällig,
    jedoch war die durchschnitt-liche Zahl der
    Rückfälle mit 1,4 zu 2,1 signifikant niedriger.
  • Auch bei Kontrolle von den Rückfall
    beeinflussenden Variablen wie materieller Schaden
    und Zahl der Vor-ahndungen (Vorstrafen) blieb ein
    signifikanter Effekt von r -.14 zugunsten der
    TOA-Fälle bestehen.

32
Rückfallstudien zum TOA (2)
  • In der Untersuchung zum Projekt Handschlag in
    Lüneburg wurden von den 91 TOA-Fällen
    (Körperverletzungsdelikte) 56 gegenüber 82 der
    Vergleichsgruppe formell wegen Körperverletzung
    Verurteilter (n 60) rückfällig (vgl. Busse, J.
    (2001) Rückfall-untersuchung zum
    Täter-Opfer-Ausgleich. Jur. Diss. Marburg 2001,
    S. 138).
  • Die beiden Untersuchungsgruppen sind weitgehend
    vergleichbar (jedoch geringfügig weniger
    Vorstrafen und gef. KV in der TOA-Gruppe).
    Selektionseinflüsse sind nicht ganz
    auszuschließen.

33
Rückfallstudien zum TOA (3)
  • Eine Rückfalluntersuchung zum Außergerichtlichen
    Tatausgleich (ATA) in Österreich zeigte, dass von
    470 ATA-Fällen bei Erwachsenen nach 3 Jahren bei
    Ersttätern 10, bei Vorbestraften 30 betrug.
  • Bei zu Geldstrafe Verurteilten betrugen die
    entsprechenden Rückfallquoten 22 (Ersttäter)
    bzw. 47 (Vorbestrafte), vgl. Schütz, Die
    Rückfälligkeit nach einem Außergerichtlichen
    Tatausgleich bei Erwachsenen, ÖJZ 1999, S. 161
    ff.
  • Selektionseffekte wurden allerdings nicht
    kontrolliert.

34
3.10 Kritische Aspekte des TOA
  • Zur Kritik am TOA vgl. Naucke ./. Rössner, Neue
    Kriminalpolitik 2/1990, S. 13 ff.
  • Die Kritik betrifft die Mutlosigkeit im
    Hinblick auf eine zu fordernde weitergehende
    materiellrechtliche Entkriminalisierung (Naucke)
  • andererseits betont Rössner die qualitativ
    andere, das mit einer Übelszufügung verbundene
    klassische Strafrecht transzendierende Sichtweise
    des TOA.

35
  • Weitere kritische Aspekte beziehen sich auf die
    Gefahr des net-widening, z. B. wenn der TOA/die
    Wiedergut-machung nur als zusätzliche Sanktion
    neben die klas-sischen, z. T. eher repressiven
    Sanktionen (z. B. den Jugendarrest) treten.
  • Stichwort Sanktionscocktail
  • Auch wird der TOA in Anbetracht der insgesamt
    gesehen relativ wenigen Fälle (insbesondere im
    Ver-gleich zur gemeinnützigen Arbeit als
    quantitativ be-deutendster Sanktion) als
    sozialpädagogisches Alibi eines im Grunde
    unveränderten Jugendkriminalrechts gesehen.

36
  • Die Kritik erscheint allerdings überzogen und
    empirisch nicht begründet.
  • Der TOA wird im Regelfall als Diversionsmaßnahme
    angesehen und praktiziert (vgl. auch RL 4 zu 10
    JGG).
  • Die Zahlen nehmen weiter zu und die spätere
    Legal-bewährung von TOA-Teilnehmern ist gut
    (geringe Rückfallquoten, vgl. Dölling/Hartmann/Tra
    ulsen MschrKrim 2002, S. 185 ff. und oben).
  • Die Quote erneuter Auffälligkeit bei
    jugendrichterlichen Sanktionen (gem. 10, 14,
    15 JGG) insgesamt liegt bei 55, darunter 50
    erneute Verurteilungen, jedoch nur 6 JS/FS ohne
    Bewährung, vgl. Jehle/Heinz/Sutterer 2003, S. 57.

37
4. Betreuungsweisung
  • Die Betreuungsweisung ist eine Art
    Bewährungshilfe ohne die Verhängung einer
    Jugendstrafe.
  • Sie schließt damit die Lücke im Falle eines
    intensiven sozialpädagogischen Betreuungsbedarfs
    für Fälle, bei denen mangels schädlicher
    Neigungen oder Schwere der Schuld Jugendstrafe
    nicht angezeigt ist.
  • Bei Heranwachsenden kommt sie als Alternative zu
    der bei dieser Altersgruppe ausgeschlossenen
    Erziehungsbei-standschaft in Betracht.

38
Betreuungsweisung (2)
  • Betreuungshelfer sind zumeist Jugendgerichtshelfer
    (vgl. 38 Abs. 2 S. 6 JGG) oder
    Sozialarbeiter/-pädagogen freier
    Jugendhilfeträger, in geeigneten Fällen auch
    Personen aus dem sozialen Umfeld des
    Jugendlichen.
  • Die gesetzliche Höchstdauer von einem Jahr (vgl.
    11 Abs. 1 S. 2 JGG) wird zumeist als zu lang
    empfunden, empfohlen wird eine Dauer von 3-6
    Monaten.

39
4.1 Anwendungspraxis und Formen der Betreuung
  • Die Betreuungsweisung spielt in der Praxis der
    Jugend-hilfe quantitativ eine eher untergeordnete
    Rolle.
  • Zumeist wird sie in Kombination mit anderen
    Sank-tionen, insbesondere mit der gemeinnützigen
    Arbeit, angeordnet.
  • Die BW ist eine Domäne der Jugendämter (JGH). Sie
    wird weitgehend flächendeckend angeboten, in 70
    der Jugendamtsbezirke durch die JGH
    (ausschließlich oder zusätzlich durch einen
    freien Träger), in 20 der Bezirke nur durch
    freie Träger (1994).
  • Die tatsächliche Dauer liegt ganz überwiegend bei
    6-12 Monaten

40
4.2 Empirische Befunde zur Evaluation
  • Die Betreuungsweisung ist dem Jugendarrest in
    spezialpräventiver Sicht überlegen.

41
5. Soziale Trainingskurse
  • Der Soziale Trainingskurs ist inhaltlich
    weitgehend identisch mit der erzieherischen
    Gruppenarbeit i. S. v. 29 II SGB VIII.
  • Es handelt sich um eine Maßnahme zur Förderung
    Jugendlicher durch soziales Lernen in der Gruppe
    auf der Grundlage eines gruppenpädagogischen
    Konzepts.
  • Die Dauer der Kurse beträgt in der Regel 3-6
    Monate.

42
5.1 Anwendungspraxis
  • Die Teilnehmerzahlen bzgl. des STK sind in den
    1980er und 1990er-Jahren deutlich angestiegen.
  • Für Mecklenburg-Vorpommern ergab sich nach einer
    Studie von Schwerin-Witkowski (2003), dass seit
    1995 eine flächendeckende Angebotsstruktur
    gegeben ist.
  • Interessanterweise hat sich die Trägerschaft
    entspre-chend des Subsidiaritätsprinzips des 4
    SGB VIII zu den Freien Trägern hinentwickelt, die
    1999 die Ange-bote des STK ausschließlich
    vorhielten.

43
  • Die Zahl der jährlich durchgeführten STK hat sich
    erheblich gesteigert (bei den Trägern, die für
    1994 und 1999 Angaben machen konnten um 57).
  • Noch deutlicher fiel der Zuwachs von Teilnehmern
    an einem STK in Mecklenburg-Vorpommern aus (
    66).
  • Nach der bundesweiten Erhebung von
    Dünkel/Geng/Kirstein (1998, S. 238) kann man
    davon ausgehen, dass 7-10 der gerichtlich
    sanktionierten Jugendlichen und Heranwachsenden
    zur Teilnahme an einem Sozialen Trainingskurs
    verurteilt werden.

44
Angebotsverteilung der sozialen Trainingskurse im
Bundesländervergleich
45
5.2 Inhaltliche Ausgestaltung von Sozialen
Trainingskursen
  • Es werden themenbezogen strukturierte oder mehr
    erlebnispädagogische Methoden praktiziert, häufig
    werden beide miteinander verbunden (vgl. das
    Ablaufschema eines typischen STK).

46
Idealtypische Darstellung von Zielen und Methoden
eines sozialen Trainingskurses
  • Zielgruppe
  • keine Ersttäter
  • keine Schwerstkriminalität
  • Wiederholungstäter, die im anstehenden Verfahren
    Arreststrafe (oder Jugendstrafe) befürchten
    müssen
  • Ziele
  • Direkte persönliche Konfrontation mit
    bisherigenStraftaten
  • Vermittlung neuer Handlungs- und
    Problemlösungs-strategien
  • Erste Erfahrungen eigenverantwortlicher
    Alltagsbewältigung

47
  • Methoden
  • Soziale Gruppenarbeit
  • Erlebnispädagogik
  • Soziales Lernen durch
  • Gruppendynamische Übungen,
  • Gruppen- und Einzelgespräche,
  • Planspiele,
  • Videoarbeit (Feed back/Videoanalyse),
  • alternative Freizeitgestaltung und
  • Teilnahme am dreitägigen pädagogischen
    Intensivwochenende mit Abenteuer- und
    Erlebnischarakter

48
Idealtypische Darstellung des Ablaufschemas eines
Sozialen Trainingskurses
49
5.3 Empirische Befunde zur Evaluation des
Sozialen Trainingskurses
  • Vgl. Kraus/Rolinski in MschrKrim 1992, S. 32 ff.
  • die Rückfallquote ist nicht höher als bei anderen
    ambulanten Maßnahmen und eher geringer als beim
    Jugendarrest.

50
6. Gemeinnützige Arbeit Anwendungspraxis
  • Bis 1990 wurde die gemeinnützige Arbeit bereits
    als Weisung häufig angewandt. Sie wurde
    weitgehend schon in den 1960er und 1970er Jahren
    entwickelt.
  • Angesichts der Kritik der Rspr. hat der
    Gesetzgeber 1990 auch die Arbeitsauflage
    eingeführt, die als reine Denkzettelstrafe die
    erzieherischen Bedürfnisse bzgl. des
    Arbeitsverhaltens nicht voraussetzt (vgl. hierzu
    schon Vorlesungsübersicht Nr. 7/8).
  • In quantitativer Hinsicht hat die Arbeitsauflage
    eine herausragende Stellung erlangt und betrifft
    mehr als ein Drittel aller verurteilten
    Jugendlichen und Heran-wachsenden.

51
Gemeinnützige Arbeit Anwendungspraxis (2)
  • Probleme bereitet die häufiger notwendige
    Betreuung bei der Arbeit.
  • Jugendliche mit Arbeitsschwierigkeiten, Problemen
    des Durchhaltevermögens etc. benötigen eine
    intensive sozialpädagogische Begleitung, die von
    der öffentlichen Jugendgerichtshilfe (JGH) nicht
    immer gewährleistet zu sein scheint. Insoweit
    sind freie Träger als Vermitt-ler und als
    Arbeitseinsatzstelle geeigneter.

52
7. Chancen und Risiken der neuen ambulanten
Maßnahmen
  • Chancen
  • Sozialpädagogisch konstruktiver Umgang mit
    Jugendkriminalität
  • die Zielsetzung des JGG der Befähigung zum
    Legalverhalten wird durch die NAM am besten
    verwirklicht
  • Zurückdrängung des sozialpädagogisch
    zweifelhaften Jugendarrests.     

53
  • Risiken
  • Gefahren eines net-widening ? Notwendigkeit der
    rechtsstaatlichen Begrenzung ambulanter
    Maß-nahmen
  • z. B. Höchstzahl für Stunden gemeinnütziger
    Arbeit
  • Prinzip der Verhältnismäßigkeit auch bei
    erzieherischen Sanktionen
  • NAM als bloßes Alibi einer weitgehend
    repressiv-erzieherisch orientierten Justiz? (vgl.
    Fallzahlen und Bedeutung der gemeinnützigen
    Arbeit als Denkzettel-sanktion).

54
Die Bedeutung der Neuen ambulanten Maßnahmen in
der jugendstrafrechtlichen Sanktionspraxis in
Mecklenburg-Vorpommern
55
8. Reformperspektiven
  • Abschaffung des Jugendarrests und Ersetzung durch
    die NAM?
  • Ergebnisse der Befragung von Jugendrichtern,
    Jugendgerichtshelfern und freien Trägern der
    Jugendhilfe (vgl. Dünkel/Geng/Kirstein 1998)
  • Die Jugendrichter sehen die NAM, insbesondere
    auch den STK, zwar sehr positiv, im Gegensatz zu
    Mitarbeitern der freien Jugendhilfe,
    eingeschränkt auch der JGH (die in dieser Frage
    gespalten ist), möchten sie auf den Jugendarrest
    als sanktionspolitische Option aber nicht
    verzichten.

56
Der soziale Trainingskurs stellt eine
Alternative zu freiheitsentziehenden Sanktionen
dar und kann in der Praxis den Jugendarrest
ersetzen.
Der soziale Trainingskurs stellt eine
Alternative zu freiheits- entziehenden Sanktionen
dar und kann in der Praxis den Jugendarrest
ersetzen
57
Der soziale Trainingskurs macht den Jugendarrest
kriminalpolitisch entbehrlich, d. h. im Falle der
flächen-deckenden Einrichtung des sozialen
Trainingskurses kann der Jugendarrest abgeschafft
werden.
58
Die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs
sollte notfalls auch mit Ungehorsams-/Beugearrest
erzwungen werden können.
59
9. Wiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich in
anderen europäischen Ländern
  • England/Wales
  • Gemeinnützige Arbeit (community service, 1972)
  • Mediation (1970er Jahre)
  • Reparation order (1998)
  • Frankreich
  • Action civile
  • Opferhilfe (aide aux victimes)
  • Médiation pénale

60
TOA in anderen Ländern
  • Finnland
  • Griechenland (2007)
  • Nordirland (2001)
  • Familiengruppenkonferenzen
  • Österreich
  • Außergerichtlicher Tatausgleich, 1988 im
    Jugenstrafrecht,1993 im Erwachsenenstrafrecht)
  • Tschechien (2003)

61
Lektüreempfehlung
  • Dünkel, F., Geng, B., Kirstein, W. (1998)
    Soziale Trainingskurse und andere neue ambulante
    Maßnahmen nach dem JGG in Deutschland.
    Mönchengladbach Forum-Verlag.
  • Dünkel, F., Scheel, J., Schäpler, P. (2003) Die
    jugendstrafrechtliche Sanktionspraxis in
    Mecklenburg-Vorpommern. Zeitschrift für
    Jugendkriminalrecht und Jugendhilferecht 14, S.
    119-132.
  • Schwerin-Witkowski, K. (2003) Entwicklung der
    ambulanten Maßnahmen nach dem JGG in
    Mecklenburg-Vorpommern. Mönchengladbach
    Forum-Verlag.

62
Ende!
Vielen Dank! ? ? ?
Honoré Daumier Les Parlementaires, 1848, Musée
dOrsay, Paris
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