Title: Gl
1Glück und gutes LebenGlück und gutes Leben in
der Antike I
Prof. Kirsten Meyer WS 2010/11VL Glück und gutes
Leben
2Glück und Moral bei Platon
- Platon meint, glücklich sei, wer gut lebt.
- Besser ist es Platon zufolge, gerecht als
ungerecht zu leben. (Republik, 354a).
3Die Problemstellung
- Platon war, wie die Sophisten, der Meinung, dass
sich die Moral er spricht meist von
Gerechtigkeit , nur halten lässt, wenn sie sich
als glückszuträglich erweist.
4Platon gegen den sophistischen Verdacht
- Unterschied zu den Sophisten
- Platon meint, den sophistischen Verdacht, die
Moral untergrabe das Glück des einzelnen,
zurückweisen zu können.
5Platon/Sokrates gegen den sophistischen Verdacht
- Sokrates sagt im Gorgias (509c)
- Unrecht leiden ist besser als Unrecht tun.
- Mit besser meint er glückszuträglicher.
6Aristoteles
- Aristoteles übernimmt die Leitfrage nach dem
guten oder glücklichen Leben von seinem Lehrer
Platon.
7Ein Unterschied zu Platon
- Aristoteles versucht nicht, dem moralischen
Skeptiker Argumente zu liefern, denen dieser
zustimmen muss. - Trotzdem ist eine Integration der Moral in das
gute Leben des Einzelnen auch ein Anliegen von
Aristoteles.
8Das oberste Ziel
- Aristoteles fragt in der Nikomachischen Ethik
- Was ist das oberste Ziel, nach dem wir streben?
9Glück als oberstes Ziel
- Seine Antwort
- Im Namen stimmen wohl die meisten überein.
Glück (eudaimonia) nennen es die Leute ebenso wie
die Gebildeten . Was aber das Glück sei,
darüber streiten sie, und die Leute sind anderer
Meinung als die Weisen. (1096a16-22)
10Aber worin besteht nun das Glück?
- Aristoteles nimmt sich zunächst verbreitete
Auffassungen über das Glück vor - und überlegt, was für und was gegen sie
sprechen könnte. - Es geht also um die kritische, philosophisch
reflektierte Prüfung von verbreiteten
Glücksvorstellungen.
111. Das Genussleben
- Die erste Auffassung, der er sich zuwendet, ist
die der Vielen, der Menge oder großen
Masse. - Ihrer Lebensweise nach zu urteilen, hielten sie
die Lust (hedone) für das oberste Gut und
dementsprechend das Genussleben für das beste
Leben (1095b14-17).
12Aristoteles Kritik daran
- Wer den bloßen Sinnengenuss in den Mittelpunkt
seines Lebens stelle, verhalte sich vulgär oder
roh und würde sich für das Leben des Viehs
entscheiden.
132. Das politische Leben
- Nach dem Genussleben erörtert Aristoteles das
politische Leben (bios politikos) - also ein Leben der aktiven Beteiligung an der
Gestaltung des Gemeinwesens, - in Aristoteles Zeit der Polis, des Stadtstaates.
14Das politische Leben
- Dieser Lebensform werden zwei Güter zugeordnet.
- (1) Viele politisch Aktive streben nach Ehre.
- Aristoteles hält aber nicht viel von der
Auffassung, die Ehre sei das höchste Gut. - (2) Das zweite Gut, auf das Aristoteles die
politische Lebensform bezogen sieht, ist die
Tugend (arete).
153. Das theoretische Leben
- Theoria, wörtlich Schau, als oberstes Gut
- Theoria ist für Aristoteles die Betrachtung und
Analyse unveränderlicher und ewiger Entitäten,
Sachverhalte und gesetzmäßiger Zusammenhänge. - Also das, was der Philosoph tut.
16Zusammenfassung
- Drei verschiedener Lebensformen
- 1. Das Genussleben mit der Sinnenlust als
oberstes Gut - 2. Das politische Leben, das viele um der Ehre
willen führen, lieber aber um der Tugend willen
führen sollten. - 3. Das theoretische Leben.
17Welche Lebensform ist nun die Beste?
- Zumindest ein wichtiger Bestandteil von
Aristoteles Antwort auf diese Frage ist das
ergon-Argument.
18Ergon
- Das ergon des Flötenspielers besteht im Spielen
der Flöte, das des Bildhauers im Anfertigen von
Skulpturen. - Das ergon eines X ist also die spezifische
Leistung von X .
19Das ergon-Argument
- Das Gut des Flötenspielers d. h. das Ziel, auf
das er sein Tun qua Flötenspieler richtet
besteht im Vollzug seines ergon, im Spielen der
Flöte. - Grundsätzlich erhalten wir Auskunft über das Gut
von X, wenn wir sein ergon kennen. - Daher erhalten wir Auskunft über das menschliche
Gut, wenn wir das ergon des Menschen kennen.
20Die spezifische Leistung des Menschen
- Auch der Mensch hat als Mensch ein ergon.
- Doch worin besteht die spezifische Leistung des
Menschen, also das, was den Menschen als Menschen
auszeichnet? - Aristoteles gewinnt seine Antwort, indem er den
Menschen von Pflanzen und Tieren abgrenzt.
21Das vernunftgemäße Leben
- Den Menschen zeichnet gegenüber Pflanzen und
Tieren aus, dass er Vernunft hat. - Sein Leben vernunftbestimmt zu führen, ist etwas,
was nur der Mensch (oder er in besonderer Weise)
kann. - Genau darin soll also die spezifische Leistung
des Menschen, sein ergon liegen.
22Vernunft und gutes Leben
- Aristoteles These
- Das oberste Ziel des Menschen muss letztlich in
einem von der Vernunft geleiteten Leben bestehen.
- Der Mensch verfehlt sein Leben überall dort, wo
es nicht Ausdruck von Vernunft ist.
23Ergänzung
- Das Gute für den Menschen besteht nicht in
irgendeinem Vollzug seines ergon, sondern in
einem möglichst guten.
24Perfektionismus
- Ziel allen unseren Tuns soll ein maximal von der
Vernunft geleitetes Leben sein es soll ein Leben
sein, in dem die Vernunft perfektioniert wird. - Glückstheorien im Anschluss an Aristoteles werden
daher manchmal perfektionistische Theorien
genannt.
25Frage
- Aber worin besteht denn nun ein von der Vernunft
geleitetes Leben? - Darauf gibt Aristoteles mit seiner Tugendlehre
eine Antwort. - Eine Tugend ist eine Disposition zum guten
Vollzug des ergon.
26Ethische Tugenden
- Die ethischen Tugenden heißen so, weil sie
Tugenden des Charakters, griechisch ethos, sind.
- Als Beispiele für ethische Tugenden werden
Dispositionen wie Tapferkeit, Gerechtigkeit und
Großzügigkeit genannt.
27Gerechtigkeit und Glück
- So stellt also auch Aristoteles einen Bezug
zwischen Gerechtigkeit und Glück her. - Aber leuchtet das ein?
28Andere einleuchtende Aspekte?
- Wenn jemand besondere Talente hat, sie aber nicht
nutzt, dann wird zuweilen gesagt - Wie schade, das hätte er doch nicht nötig, er
könnte ein besseres Leben führen. - Besseres Leben heißt hier ein wertvolleres
Leben, wenn auch vielleicht nicht zufriedeneres. - Kann der Rekurs auf Aristoteles diese Rede
erhellen?
29Was ist nun das beste Leben?
- Ich möchte nun übergehen zu der Antwort, die
Aristoteles im zehnten und letzten Buch der
Nikomachischen Ethik auf die Frage gibt, was das
beste Leben ist.
30Rekapitulation
- Aristoteles identifiziert die gesuchten
Dispositionen zum guten Vollzug des menschlichen
ergon zunächst mit den ethischen Tugenden.
31Das Politische Leben
- Das Leben des politisch aktiven Menschen, der an
der Gesetzgebung der Polis maßgeblich beteiligt
ist, ist eine Steigerungsform des bescheidenen
ethischen Lebens. - Aber ist diese Steigerungsform nun auch wirklich
das beste Leben?
32Erwartung
- Aristoles Ausführungen zu den ethischen Tugenden
wecken die Erwartung, dass ein im Vollzug der
ethischen Tugenden bestehendes Leben das beste
Leben ist.
33Diese Erwartung wird aber am Ende der NE
enttäuscht
- Es ist nicht das Leben der ethischen Tugenden,
das Aristoteles am Ende als das beste Leben
auszeichnet. - Zwar soll auch ein solches Leben ein gutes sein,
aber nicht das beste, sondern lediglich das
zweitbeste.
34Das zweitbeste Leben
- Aber warum ist das Leben des Politikers nur das
zweitbeste? - Wo liegen bei allen Vorzügen seine Mängel?
35Das zweitbeste Leben
- Der erste Mangel der ethisch-politischen
Lebensweise - Sie ist nicht hinreichend autark, sie ist zu
abhängig von äußeren Umständen, sei es von
anderen Leuten, sei es von materiellen Mitteln.
36Das zweitbeste Leben
- Der zweite Mangel liegt in der mangelnden
Selbstzweckhaftigkeit dieser Lebensweise. - Aristoteles geht davon aus, dass die Politik
Ziele außerhalb ihrer selbst verfolgt, indem sie
als selbst nicht mußevolle Tätigkeit Beding-ungen
für Muße schaffen will.
37Das beste Leben
- Das Leben der theoria, ein wissenschaftliches
Forschen, das den letzten Gründen für das, was
uns in der Welt begegnet, nachgeht. - Theoria als philosophisch-wissenschaftliche
Tätigkeit.
38Das beste Leben
- Für Aristoteles ist das Treiben der theoria das
gesuchte oberste Gut oder die eudaimonia. - Es gibt für den Menschen nichts Höheres als
theorein betrachten, philosophisch-wissenschaftli
ch tätig sein. - Aber warum soll das so sein?
39Das beste Leben
- Aristoteles erinnert im sechsten und siebenten
Kapitel des zehnten Buchs der Nikomachischen
Ethik an die allgemeinen Kriterien für das
gesuchte oberste Gut bzw. die eudaimonia, die er
im ersten Buch herausgearbeitet hatte. - Von der eudaimonia soll danach folgendes gelten
40Das beste Leben
- 1. Es muss sich bei der eudaimonia um eine
Tätigkeit handeln. Sie darf keine bloße
Disposition sein, die auch dem Schlafenden
zugeschrieben werden könnte. - Zu 1 Die theoria ist eine Tätigkeit sie genügt
damit dem ersten Kriterium. Auch das theoretische
Leben ist ein aktives, tätiges.
41Das beste Leben
- 2. Außerdem muss sie ein Selbstzweck sein. Wir
müssen sie allein um ihrer selbst und nicht auch
noch wegen etwas anderem erstreben. - Zu 2 Die theoria ist Aristoteles zufolge die
einzige Tätigkeit, die wir nur um ihrer selbst
willen betreiben.
42Das beste Leben
- 3. Drittens soll die eudaimonia sich selbst genug
sein und nicht noch anderer Dinge bedürfen. Wer
sie besitzt, soll autark sein. - Zu 3 Aristoteles ist der Auffassung, dass
derjenige, der theoria betreibt, dazu keiner
anderer Menschen und äußerer Güter bedarf.
43Das beste Leben
- 4. Viertens gilt aufgrund des Ergon-Arguments,
dass die gesuchte eudaimonia Ausdruck einer
Tugend sein muss, und zwar der vorzüglichsten
Tugend. - Zu 4 Die theoria ist die Aktualisierung der
Tugend der Weisheit (sophia), und dies sei die
vollkommenste Tugend.
44Das beste Leben
- 5. Fünftens schließlich soll die gesuchte
eudaimonia in ausgezeichneter Weise mit Lust oder
Freude verbunden sein. - Zu 5 Mit keiner Tätigkeit seien reinere und
dauerhaftere Freuden verbunden seien als mit der
theoria. Die Philosophie biete Genüsse von
wunderbarer Reinheit und Beständigkeit
(1177a25).
45Also doch das lustvolle Leben?
- Dieselben Dinge bereiten dem einen Menschen
Freude und dem anderen Unlust ... - In all solchen Dingen scheint aber dasjenige als
wirklich so beschaffen, was dem Guten so
erscheint. - Diejenige Lust also, die nach allgemeiner
Übereinstimmung niedrig ist, darf man offenkundig
nicht als Lust bezeichnen, es sei denn als solche
für verdorbene Menschen. 1176a10-20
46Fazit
- For Aristoteles,
- the ultimate aim of human life, and the proper
function of human beings, is to use reason well,
and this goal can be reached in either of two
ways ideally, by leading a philosophical life
and making contemplation ones highest aim
47Fazit
- but if that option cannot be taken, then we do
best by fully developing the practical virtues
and exercising them on a grand scale, in the
political arena. - Richard Kraut (1989) Aristotle on the Human
Good. Princeton, NJ Princeton University Press,
S. 7.
48Vorbereitung auf die nächste Vorlesung
- Epikur, Brief an Menoikeus