Title: Folie 1
1Politisches System Schweiz Vorlesung am
Institut für Öffentliches Recht der Universität
Bern 4. Ein kurzer Blick auf die
Geschichte Prof. Dr. Andreas Ladner IDHEAP
Lausanne Frühjahrssemester 2013
2Die Entstehung der Schweiz
- Staatsbildung im 19. Jh. (vom Staatenbund zum
Bundesstaat) - Ein paradigmatischer Fall der politischen
Integration! (Deutsch 1976) - Keine Kulturnation sondern eine Willensnation
- Verantwortlich für das Zusammenwachsen sind die
politischen Institutionen (Föderalismus und Power
Sharing) - Eine gemeinsame Symbolik und eine gemeinsame
Geschichte wurde erst im nachhinein geschaffen
(Helvetia, Wilhelm Tell) - Weiter Strukturelle Eigenheiten, eine bestimmte
politische Kultur und möglicherweise haben auch
die Nachbarn etwas mitgeholfen.
3Fragestellung
- Ist die heutige Schweiz mit ihren politischen
Institutionen ein Produkt strategischer
Entscheidungen und Weichenstellungen oder ist sie
die logische Konsequenz ihrer geographischen Lage
im Zentrum Europas und der historischen
Entwicklung?
4Die wichtigsten Etappen
5Kulturelle und sprachliche Pluralität
6Klein- und Abkehr von der Zentralstaatlichkeit
7Die Alte Eidgenossenschaft
8Bundesbrief und Bundesbriefmuseum
9Die Schweiz um 1291
10Schlacht beiMorgarten 1315
11Die Eidgenossen kämpfen und wachsen
12Ende der Grossmachts-träume
13Reformation und Gegenreformation (16./17. Jh.)
14Zwingli
152. Kappelerkrieg
16Hexenverfolgung
17Tagsatzung in Baden
18Absolutismus und Aufklärung
http//www.geschichte-schweiz.ch/zeittafel-chronologie.html
19Untergang der Eidgenossenschaft helvetische
Revolution
- Missstände (Oligarchie und Ausbeutung)
- Untertanenaufstände
- Aufklärung (Diderot, Voltaire, Rousseau)
staatsbürgerliche Gesellschaften - Französische Revolution 1789
- Einmarsch der Franzosen unter Napoleon (25. Jan.
1798) - Am 4. April 1798 gab es keine Untertanengebiete
mehr, am 12. April wurde die unteilbare
Helvetische Republik propagiert
20Alte Orte Untertanengebiete und gemeine
Herrschaften
21Vom Staatenbund zum Bundesstaat
http//www.parlament.ch/homepage/sv-services-dummy
/sv-ch-schweiz-kurze/sv-ch-geschichte.htm
22French troupes invaded Switzerland and proclaimed
the Helvetic Republic (1798-1803)
23Der Berner wehren sich (Schlacht bei Grauholz, 5.
März 1798)
24Weitere Gründe für den europäischen
Befreiungszug der Truppen der französischen
Revolution
- Napoleon wollte nicht nur die Freiheitsrechte in
die Schweiz bringen (vgl. Kreis 1986 27),
sondern - Die Schweiz war ein Zufluchtsort für französische
Royalisten - Es ging ihm um die Kontrolle der strategische
wichtigen Alpenpässe - Schweiz sollte in ein System von ausbeutbaren
Satellitenstaaten integriert werden - Die französische Armee konnte in der reichen
Schweiz neu aufgerüstet werden - Mit den geraubten Staatskassen konnte der
Ägyptenfeldzug finanziert werden
25Helvetik
26Cette partition, décidée par en mars 1798 par le
général Brune, provoqua un tollé général et fut
révoquée le 22 mars. La constitution de la
République helvétique sera adoptée le 28 mars
1798. Source Marco Zanoli, Wikipedia.
27Deutsch Projekt für eine Departementalisierung
der Helvetischen Republik vom 3. Dezember 1798
Source Marco Zanoli, Wikipedia.
28Helvetische Republik
- Offizielle Flagge (Trikolore Grün/Gelb/Rot)
- Erstes Parlament in Aarau, gefolgt von Luzern und
Bern - Préfets und Statthalter (Waadt, Bern, Zürich)
werden eingesetzt - Französisch und Italienisch werden Amtssprachen
- Unitarier vs. Föderalisten
- (vgl. Maissen 2010160-165)
29Das Scheitern der helvetischen Republik
- Direkte Steuern, Verlust der Gemeindeautonomie,
obligatorischer Militärdienst waren unpopulär - Schweiz wird zu einem Kriegsschauplatz im Zweiten
Koalitionskrieg (Frankreich gegen
Grossbritannien, Russland und Österreich) - Unitarier entwerfen eine auf dem amerikanischen
Muster basierende Verfassung, die am 25. Mai 1802
in einer Volksabstimmung angenommen wird
(Nichtstimmende Ja-Stimmen) - Napoleon zieht seine Truppen ab und es folgt ein
Bürgerkrieg, die helvetische Regierung flieht
nach Lausanne
(vgl. Maissen 2010165-170)
30Mediation und gleichberechtigte Kantone
- Ende September 1802 besetzt Napoleon erneut das
Land - Och, Pestalozzi, Usteri und Stapfer reisen nach
Paris und erhalten von Napoleon die
Mediationsakte - Den Unitariern gefiel, dass die Privilegien der
Ständegesellschaft abgeschafft wurde, die
Auflösung der Central-Regierung und die
Wiederherstellung der Souveränität der Kantone
freute die Föderalisten - Es entstehen 19 gleichrangige Orte
(Eigenständigkeit für VD, AG, TG, GR, SO, TI) - Die alten politischen Systeme (Landsgemeinde,
Ratsherrschaft, Zensuswahlsystem) wurden wieder
eingeführt - Schweiz erhält einen Landammann als
Ansprechpartner für Napoleon
(vgl. Maissen 2010170-174)
31Die Entscheidung
32Das Wachsen der Eidgenossenschaft (1815, Wiener
Kongress)
33Regeneration
34(No Transcript)
35Der Sonderbundskrieg
Vgl. Somm/Decurtins, TA vom 4.11.2007
36Frühere Verfassungen
- Helvetische Verfassung von 1798, von Peter Ochs
in Paris ausgearbeitet, Direktoralverfassung,
ähnlich wie F, NL und I. - Nach dem Zusammenbruch der Helvetischen Republik
erhielten alle 19 Orte neue Kantonsverfassungen,
auf Bundesebene setzte dagegen eine gewisse
Rückentwicklung ein. Die Mediationsakte von 1803
konnte ist keine rechtsstaatliche Verfassung. - Der Bundesvertrag von 1815 entspricht ebenfalls
nicht einer eigentlichen Verfassung. Er wurde von
den siegreichen Alliierten diktiert.
http//www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9811.php
37(No Transcript)
38Verfassung
39- Bundesverfassung von 1848
- Angenommen mit 70.2 (169'743 gegen 71'899
Stimmen) - Dafür 14 1/2 Kantone ZH, BE, GL, FR, SO, BS,
BL, SH, AR, SG, GR, AG, TG, VD, NE, GE, (LU!) - Dagegen 7 1/2 Kantone (LU!), UR, SZ, OW, NW,
ZG, AI, VS, TI - Bundesverfassung von 1874
- Angenommen mit 63.2 (340'199 gegen 198'013
Stimmen) - Dafür 14 1/2 Kantone ZH, BE, GL, SO, BS, BL,
SH, AR, SG, GR, AG, TG, TI, VD, NE, GE - Dagegen 7 1/2 Kantone LU, UR, SZ, OW, NW, ZG,
FR, AI, VS -
- Bundesverfassung von 2000
- Angenommen mit 59.2 (969'310 gegen 669'158
Stimmen) - Dafür 13 Kantone ZH, BE, LU, ZG, FR, SO, BS,
BL, GR, TI, VD, NE, GE, JU - Dagegen 10 Kantone UR, SZ, OW, NW, GL, SH, AR,
AI, SG, AG, TG, VS
Quelle Bernhard Rütsche 2002
40Vom Staatenbund zum Bundesstaat
- Mit der Bundesverfassung von 1848 wurde aus dem
Staatenbund ein Bundesstaat. Es entsteht ein
souveräner Staat, basierend auf einer Verfassung.
Die Kantone sind nicht mehr Vertragspartner,
sondern unterstehen einem gemeinsamen,
übergeordneten Gesetz, der Verfassung. Die
Verfassung räumt den Kantonen allerdings eine
wichtige Rolle ein.
Vgl. Somm, TA vom 3.1.1998
41Die Herausbildung der Nationalstaaten in Europa
Europa um 1500
42(No Transcript)
43Herausbildung der Demokratien
y Anteil Demokratien an der Gesamtzahl der
Staaten
Samuel P. Huntington (1992) Three Waves of
Democratization.
44Die ersten Bundesräte 1848
45(No Transcript)
46Themen der Revisionsdiskussion
- Rechtsvereinheitlichung
- Militärzentralisation
- Gesetzesreferendum (30000, 8 Kantone, keine
Doppelmehr), Initiative (abgelehnt) - Organisations- und Verfahrensfragen (Volkswahl
des Bundesrates abgelehnt) - Religionsfreiheit, Verhältnis Staat-Kirche (Keine
Kirchesteuer für konfessionslose, keine
Angehörige des Jesuitenordens in Schule und
Politik, Einschränkungen für Klöster) - Erziehung, Soziales (Arbeiterschutz,
Primarschulunterricht nicht nur obligatorisch und
unentgeltlich, sondern auch unter staatlicher
Leitung)
47Politisches Kalkül im Verfassungsentwurf 1874
- Auf die Rechtsvereinheitlichung
(Obligationenrecht, Urheberrecht,
Betreibungsrecht und Konkursrecht) durch in den
Bund aus der Verfassung von 1872 wurde
weitgehende verzichtet, sodass die die
Westschweizer Radikalen beruhigt werden. (Der
Bund soll nur in Sachen der Eidgenossenschaft
allgemeingültige Regeln aufstellen dürfen) - Die Verschärfung der Kulturkampfstimmung brachte
die Radikalen dazu, ihre Reihen zu schliessen. - Die protestantischen Waadtländer, Genfer und
Neuenburger waren den antirömischen Massnahmen
ebenso geneigt wie die Deutschschweizer Radikalen
und Demokraten. - Es ging vor allem darum, die drei Kanton VD, GE
und NE zu gewinnen um das Volks- und Ständemehr
zu sichern. Man war sich bewusst, dass für diese
immer noch erheblich zentralisierende,
individualistische und laizistisch sowie
westlich-wirtschaftsliberal geprägte Verfassung
in den katholisch-konservativen Kantonen keine
Mehrheit zu finden war.
Kölz 2004 622 f.
48Totalrevision der BV 1874
49Würdigung der neuen Verfassung
- Die neue Verfassung war für die nicht-liberalen
Kantone eher ein Diktat der Mehrheit, und zwar
deutlich schärfer als 1872. - Die Linke bedauerte den Verzicht auf die
Rechtsvereinheitlichung. - Die Radikalen bedauerten das Fortbestehen des
Ständerates und des Ständemehrs. Der Traum aus
der Schweiz ein kleines Frankreich zu machen, war
ausgeträumt. - Die neue Bundesverfassung war ein wirtschafts-
und fortschrittfreundliches Grundgesetz. Der Weg
zu einem einheitlichen Wirtschaftraum war offen.
Kölz 2004 610 ff.
50Vom Referendum zur Konkordanz
- Zwischen 1874 und 1891 werden 2/3 der 19 Vorlagen
abgelehnt. - Dabei handelte es sich vor allem Vorlagen, die
unter den Begriffen einer weiterführenden
Modernisierung, Zentralisierung und
Säkularisierung zusammengefasst werden können. - Allerdings sind in dieser Zeit auch 140 Vorlagen
durchgekommen, ohne dass sie dem Volk unterstellt
wurden.
Vgl. Kölz (2004 633)
51Die Obstruktionspolitik der katholischen Kantone
52Ein weitere Schritt Richtung Nationalstaat (1891)
- Industrialisierung und aufkommender Nationalismus
in den geeinten Nachbarländern Deutschland und
Italien verstärkten den Prozess der Nationwerdung
gegen Ende des 19. Jh. (Kriesi, Ms. S. 9 ) - 1891 Initiativrecht, erster CVP-Bundesrat (vgl.
NZZ vom 8. 12.2008), 1. August wird
Nationalfeiertag (-gt vgl. Interview mit
Sablonier) - Nationalorientierte Geschichtsschreibung blüht
Kampf um Unabhängigkeit, Sempach usw. - Es kommt zu nationalen Ausstellungen in Zürich
und Genf, Nationalarchiv, Landesmuseum, Bilder
von Hodler usw.
53Prägende Merkmale des Staatsbildungsprozesses in
der Schweiz (Neidhart 2002 121)
- Lange Bestandesdauer zentraler Werte und
Einrichtungen (Territorialstruktur, Föderalismus,
Räteregierungen) - Traditionelle Legitimität zentraler Werte und
Institutionen (Volksherrschaft, Unabhängigkeit,
Freiheit der Gebietsstände, Neutralität) - Früher Beginn bestimmter Modernisierungen
(Industrialisierung, Demokratisierung) - Kontinuierliche Entwicklung, sukzessiver Wandel
- Institutionalisierung politischer Einrichtungen
von unten nach oben - Verschont von Kriegen
- Exemplarischer Entwicklungserfolg
54Kleinstaatlichkeit und Geschichtlichkeit
(Neidhart 2002 123)
- Weil die Schweiz klein und arm war, konnte sie
keine grossen Kanonen bauen und verlor gegen die
Franzosen bei Marignano (1515/1516) -gt
Neutralität - Territoriale Bindungen verhinderten die
Entstehung grosser Böden und damit eines feudalen
Hochadels, was die frühe Demokratisierung möglich
gemacht hat. - Der kleine schwache Staat kann seine Angehörigen
weniger unterdrücken und muss ihnen
wirtschaftliche und politische Freiheiten
eingestehen.
55Und schliesslich
- Die Schweiz als Schutzbündnis gegen aussen!
- (Notwendige) Solidarität im Innern (Pfister im TA
vom 18.1.2005) - Die Angst vor der Zentralisierung Die
Hauptstadt-Frage (wikipedia)